Livereview: Krisiun - Malevolent Creation - Origin - Psycroptic
                    Vital Remains - Leng Tch'e - Karnak - Truth Corroded
04. Februar 2012, Dietikon (ZH) – Sounddock 14
By Natalia N.

Am 4. Februar im Klub Sounddock 14 fand das Winterfestival statt. Unter anderem spielten Krisiun, welche mit ihrem letzten Release anno 2011 allen ihren Fans gezeigt hatten, was der echte, moderne Death/Thrash-Klang bedeutet. Natürlich war es interessant einzuschätzen, wie gut der erneute Bestand der kultischen Band Vital Remains ist, die Blackened/Death Metal spielt, weil vom vorigen Bandbestand nur der geistige Anreger der Band Tony Lazaro geblieben ist. Die anderen Festivalteilnehmer waren ebenso populär. Es sei betont, dass jede Band ihren eigenen Reiz hatte, was davon zeugt, dass der Event ein Erfolg war! Außerdem möchte ich mich bei den Organisatoren des Festivals Meh Suff! und bei dem ganzen Support-Team des Klubs Sounddock 14 dafür bedanken, dass sie die ganze organisatorische Arbeit tadellos erfüllt haben, indem sie diesen extremen Marathon ohne jede Zeitverzögerung durchgeführt haben, und indem sie mit der Ausrüstung so professionell gearbeitet haben, dass der Klang schon von Anfang an gut abgestimmt war, — schon der Auftritt der ersten Band war gut zu hören! Außerdem war es überraschend, wie billig die CDs und das vielfältige Merchandising waren. Zum Beispiel ein T-Shirt mit originellem LengTch'e-Design konnte man für nur 6 Fr kaufen!


Truth Corroded
Das Festival begann mit dem Auftritt der australischen Extreme/Thrash Metal-Band Truth Corroded. Im vorigen Jahr ließ diese Band ihr Debutalbum „Worship The Bled“ herausgeben, das von der Presse sehr positiv eingeschätzt wurde. Darren McLennan und Mark Lennard bilden ein perfektes Gitarrenduo, besonders, wenn die beiden Gitarrenpartien einander unterstützen, wodurch die gemeinsamen Solos verstärkt werden. Während die Gitarrenspieler tüchtig arbeiteten, wurde die Aufmerksamkeit des immer noch nicht so zahlreichen Publikums vom Sänger gefesselt, der mit deutlichem Growling sang und an den zentralen „Showman“ der Band – den Bassisten, der eine modische Schirmmütze trug und ständig vor den Kameras posierte. Wie gesagt war der Klang tadellos abgestimmt, und die Musiker verbrauchten keine Zeit für den Umgang mit dem Klangingenieur am Regiepult. Die Zuschauer, die beim Festival von Anfang an anwesend waren, drängten sich an der Bartheke zusammen, wo zwei Bier zum Preis von einem verkauft wurden. Danke nochmals für die Happy Hour!


Karnak
Danach betrat die Bühne die Band Karnak. Es ist eine sehr interessante Band, die aber wahrscheinlich für immer im Underground bleiben wird. Die Musiker spielen Progressive/Technical/Death Metal. Man kann sagen, dass sie Veteranen der italienischen Death Metal-Bühne sind. 2010 ließen sie ihr konzeptuelles Album „Dismemberment“ herausgeben, das die ganzen 19 Kompositionen beinhaltete! In der Musik von Karnak dominiert das Niederfrequenzgitarrenspiel und langsames Tempo, deswegen war die Atmosphäre während des Auftrittes trübe, ähnlich wie zum Beispiel bei Pestilence oder Nile. Allmählich ließen uns die Musiker in eine brutale Welt eintauchen, wo der Todeskultus im Mittelpunkt steht. So hieß auch eines der Lieder – „The Cult Of Death“. Es sei erwähnt, dass die Musiker progressiv und technisch perfekt spielen. In erster Linie ist es der Verdienst des Bandgründers, des Schlagzeugers Stefano Rumich, der beim Spielen von Blast-Beats und beim Trommelwirbel unerschütterlich blieb. Eine große Rolle spielt auch der Solo-Gitarrenspieler, dessen Solopartien den von Meshuggah auf der siebensaitigen Ibanez gespielten Partien ähnlich klingen. Trotzdem wurde die größte Aufmerksamkeit der Zuschauer vom äußerst attraktiven Sänger und Gitarrenspieler Francesco Ponga gefesselt. Die Musik hätte das Publikum beinahe lahmgelegt, und die meisten Zuschauer standen wie versteinert vor dem Mischpult. Erst nachdem Francesco das Publikum mit Nachdruck eingeladen hatte, näher an die Bühne zu treten, bewegten sie sich nach vorne. Ich bemerkte den einzigen schwarzen Zuschauer in der Halle, der eine schwarze Mütze anhatte und der den Auftritt der Band mit viel Interesse sah. Es stellte sich heraus, dass das der meisterhafte Sänger von Leng Tch'e, der „Voodoo-Beschwörer“ Serge Kasongo, war.

Leng Tch'e
Endlich wurde an die Hinterwand des Klubs hinter die Trommelanlage eine Leinwand mit dem Namen der Band Leng Tch'e gehängt. Dann betraten die Musiker von Leng Tch'e die Bühne. Der schwarze Serge legte seine schwarze Mütze ab und verwandelte sich in einen Schamanen. Es ist recht kompliziert, den weiteren Auftritt der Band zu beschreiben, denn Leng Tch'e sind raffinierte belgische Experimentatoren. Es ist auch kennzeichnend, dass sich der Name der Band aus dem Chinesischen als „Tod durch eintausend Schnittwunden“ übersetzen lässt. Eben deswegen wurden die Ohren der Zuhörer mit „tausend Methoden“ gequält. Der Stil von Leng Tch'e kann wie eine Mischung aus Grindcore, Metalcore und Death Metal bezeichnet werden, und sogar Stoner Rock beeinflusst den Körper so, als ob es ein cooler Cocktail wäre. Und wie toll war die Arbeit von Serge mit dem Publikum! Es war klar, dass er es sich zum Ziel gesetzt hatte, das noch nicht ganz heitere und von der vorigen Band etwas unterdrückte Publikum in vollen Schwung zu bringen. Und er erreichte dieses Ziel glänzend, nicht nur dank seinem wunderbaren Gesang, sondern auch, indem er wie ein echter Geistesbeschwörer gestikulierte und seine Hände schüttelte. Serge beherrscht verschiedene Arten von Grindcore tadellos und wechselt von einer zu der anderen meisterhaft: grunting, guttural, screamo vox – alles liegt in seiner Kraft! Vor einem Lied ließ Serge einen der Zuschauer die Bühne erklettern und teilte mit, dass er jetzt die echte Schwarzkunst demonstrieren werde, indem der Kerl auf der Bühne wie ein extremer Sänger singen sollte. Serge ließ ihn sich umdrehen und mit dem Rücken zu den Zuschauern stehen, holte das Mikrophon an den Mund des überraschten Kerls, und dieser hat wirklich wie ein gestochenes Schwein gequiekt! Der weiße, aschblonde, tätowierte Bassist Nicolas Malfeyt bildete einen starken Kontrast zu Serge, was sehr extravagant aussah. Der Gitarrenspieler Jan Hallaert, der technisch perfekt spielte, und der junge Schlagzeuger Olivier Coppens, der sich der Band erst im vorigen Jahr angeschlossen hatte, haben auch das höchste Lob verdient!

Vital Remains
Die Band Vital Remains erschien auf der Bühne rechtzeitig, weil das Publikum einerseits von der vorigen Band gut aufgewärmt worden und andererseits noch nicht erschöpft war. Ihr letztes Album ließ diese Band im fernen Jahre 2007 herausgeben, und seit damals hat sich der Bandbestand gründlich verändert (übrigens hatte die Band ein schwieriges Schicksal von Anfang an: Viele verschiedene Musiker gehörten dieser Band seit deren Gründung an, darunter auch der bekannte Gottbekämpfer Glen Benton). 2008 schlossen sich der Band ein neuer Sänger und ein Bassist an, und 2011 kamen dazu auch noch ein neuer Gitarrenspieler und ein Schlagzeuger. Es schaut so aus, als ob sich die Band es zum Ziel gesetzt hätte, nie von dem Wege abzubiegen, der im fernen Jahre 1988 bei der Gründung der Band bestimmt worden war, weil sich alle Anwesenden leicht in die vergangenen Zeiten zurückversetzen und die Atmosphäre vom Ende der 1980er – Anfang der 1990er Jahre wieder empfinden würden, als die Blütezeit von Death Metal erst begonnen hatte. Von der Bühne zitierten die Musiker die Klassiker der ersten Black- und Death-Welle, indem sie die Atmosphäre des Auftrittes völlig authentisch und ohne jeden Hinweis auf die moderne Zeit erscheinen ließen. Da diese Band für ihre antichristlichen Liedertexte bekannt ist, wählte sich der Sänger solch ein Image, das dem Black Metal-Genre völlig entspricht. Scott Wily trug traditionellen stacheligen Schulterschutz auf seinen Unterarmen. Er arbeitete mit dem Publikum recht aktiv und organisierte ein sogenanntes Slamming-Reigen in der Mitte des Saals.

< Psycroptic
Nach einer kurzen Zwischenpause begann der zweite Teil dieses wunderbaren Events — es erschienen auf der Bühne die Vertreter des australischen Technical/Death Metal, die Band Psycroptic. Der Saal wurde plötzlich voll und neue Fans traten näher an die Bühne. Alle sehnten sich nach der Fortsetzung des Konzertes. Und der Auftritt von Psycroptic war erstklassig. Die Musiker kontrastierten mit dem altmodischen und fast raren Image von Vital Remains und sahen ultramodern und sehr intelligent aus. Die Bands, die Technical Death spielen, haben schon solch ein technisches Niveau erreicht, das die Musik höchst mehrschichtig macht und das Publikum scheint in die Atmosphäre von nichtlinearen, zerrissenen Strukturen einzutauchen. Jedoch, mit dem Hintergrund dieser mehrschichtigen Atmosphäre kontrastierte das profilierte Growling von Zdeněk „GTboy“ Šimeček, und die Basspartien von Cameron Grant, der unglaublich expressiv spielte, waren gut zu hören.

Origin
Ihre Auftritte in Europa haben die Musiker der Band Origin recht ambitiös als „Occupy Europe 2012 Campaign“ bezeichnet. Origin begannen mit dem ganz frischen Lied „Expulsion Of Fury“ aus ihrem vorjährigen Album „Entity“. Diese Technical/Death Metal-Band will das alte Europa äußerst schnell erobern, und sie spielen ihre Instrumente echt gewaltig und genießen das. Der Schlagzeuger John Longstreth schlug seine Trommeln verschiedenartig – von lokaler Verrücktheit mit den Tschinellen bis zum globalen Schlagen der ganzen Trommelanlage, geschweige denn die Basstrommeln, deren Klang nie aufhörte. In dieser Hinsicht ist “The Aftermath” aus dem Album „Antithesis“ kennzeichnend. Dieses Lied erschien 2008 und wurde ein Wendepunkt für die Band. Es erklang in der Mitte des Auftrittes. Diese Blast-Beat-Offenbarung mit zahlreichen glänzenden Hochfrequenzgitarrenpartien lässt einen glauben, dass der Gitarrenspieler Paul Ryan eine elektrische Ladung zwischen seinen Fingern hat. Der neue Sänger und Band-Frontman Jason Keyser hat sich schon nach der Herausgabe des neuen Albums der Band angeschlossen. Jason ist kein Anfänger auf der Bühne und hat sich als ein echter Showman erwiesen: Er lief auf der Bühne hin und her wie verrückt und arbeitete unaufhörlich mit dem Publikum. Bald ließ er einen der Fans ins Mikrophon singen, bald half er den Stagedivern die Bühne erklettern. Schließlich erklärte er, dass die Fans in Amerika einander auf die Schultern klettern und miteinander kämpfen, als ob sie Reiter wären. Der Vorschlag fand seine Anhänger – einige Leute kletterten sofort auf die Schultern ihrer Freunde. Als Origin die Bühne verließen, waren die Fans erschöpft. Es ist zweifellos, dass eben Origin das härteste Slamming präsentiert haben.

Malevolent Creation
Danach betraten die Musiker aus Malevolent Creation die Bühne. Diese Old School-Deathsters aus Florida besitzen ein starkes Charisma, und die Bühne schien voller allerlei archaische Monster zu sein. Der Sänger und Verfasser der Liedertexte Brett Hoffmann, der mehrmals Probleme mit dem Gesetz hatte, ist eine kultische Persönlichkeit in Fan-Kreisen geworden. Nicht nur der gigantische Wuchs des langen Kerls, sondern auch seine starke Stimme ist zu beneiden, denn er kann mit starkem Growling sogar ohne Mikrophon singen. Brett Hoffmann schrie Worte über Gewalt, Zerstörung und den unerschütterlichen Geist deutlich und energisch aus, und sein Enthusiasmus steckte alle an. Es sei erwähnt, dass Malevolent Creation nicht oft nach Übersee gehen. Deswegen war es ein Highlight, einen der bekanntesten Death Metal-Komponisten — den Gitarrenspieler Phil Fasciana – zu sehen, der in jedem neuen Album immer überraschendere Kombinationen von Dissonant/Death-Riffs und Blast Beats darstellt! Der Bassist Jason Blachowicz, der sich der Band wieder angeschlossen hat und der früher den Sänger Brett ersetzte, hat auch nicht enttäuscht. Man kann nicht sagen, dass die Band ausschließlich neue Lieder spielte, denn es erklangen solche Raritäten wie „Slaughter Of Innocence“ aus dem Album „Retribution“ (1992), „Decadence Within“ und „Multiple Stab Wounds“ aus dem Debutalbum „The Ten Commandments“ (1991). Natürlich wurde auch der skandalöse Hit aus dem letzten und technisch perfekten Album der Band „Invidious Dominion“, „Slaughterhouse“, gespielt, dessen offizielle Videoversion von Youtube für viel zu brutal gehalten wurde. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern Origin hatten die Musiker von Malevolent Creation Stagediving nicht gern und benahmen sich wie echte, brutale Deathsters. Phil Fasciana stieß sogar einen der Stagediver recht grob von der Bühne herunter. Old School-Death Metal will never die!

Krisiun
Endlich betraten die Festival-Headliner Krisiun die Bühne. Im Jahre 2011 ließ diese Band noch ein starkes und interessantes Album „The Great Execution“ herausgeben, mit dem die Band ihre Positionen verstärkte. Jetzt gilt sie als einer der Leader im Rahmen vom technischen Brutal/Death Metal. Die Band gibt oft Gastrollen und nimmt an allen möglichen Festivals teil, dabei besuchen die Musiker oft auch die Schweiz. Eben das erwähnte der Bassist Alex Camargo, nachdem das allseits bekannte Lied „Vengeance's Revelation“ gespielt worden war. Alex sagte, dass es seiner Band sehr gut gefällt, in der Schweiz zu spielen, weil die Musiker eine aufrichtige Unterstützung des Publikums fühlten. Die Mitglieder des Trios sind Brüder – vielleicht eben deswegen sehen sie wie ein einheitliches Ganzes aus. Und jedes Mal, wenn Alex Camargo mit dem Publikum kommunizierte, schien es, als ob die anderen zwei Musiker an diesem Umgang auch teilnähmen. Nach jeder Phrase von Alex folgte geschicktes Trommeln oder sogar ein kurzes Drum-Solo von Max Kolesne. Das musikalische Können der Band-Teilnehmer ist unter den Fans dieses Genres schon weit bekannt. Besonders beeindruckend waren die Solopartien von Moyses Kolesne – jedes Solo war interessant zu hören, weil die meisten davon außerordentlich sind. Seine Solopartien sind mal chaotisch, mal ordentlich, schön und luftig. Es ist zweifellos, dass der Auftritt von Krisiun ein würdiges Ende dieses unvergesslichen Abends war.