Normalerweise sind oder waren Bands auf Tour, um das jeweils
neue Album zu promoten und den Fans oben drauf noch eine möglichst
gute Auswahl an Klassikern und Hits aus dem Backkatalog zu bieten.
Das ist aber längst nicht mehr so und kann verschiedene Gründe
aufweisen. Altgediente Rock- und Metal-Ikonen sind schon seit Jahren
in regel- oder unregelmässigen Abständen "permanent" auf Tour,
nehmen Jubiläen zum Anlass, um mitunter entsprechende Alben durch zu
spielen oder nur Songs aus einer bestimmten Ära zu berücksichtigen.
Bei Symphony X bestehen aktuell keine dieser Gründe, zumal
«Underworld», das letzte Studioalbum, aus dem Jahr 2015 stammt und
alle weitere Alben, bis auf das Debüt von 1994 (das zuerst nur in
Japan erschien) keine altersmässige Feierlaune auslösen. Diese ist
seit 2017 und einem überaus tragischen Verkehrsunfall im Umfeld von
Adrenaline Mob (Bassist David Zablidowsky und Tourmanagerin Jane
Train starben dabei) eh arg getrübt und der Hauptgrund, weshalb
Frontmann Russell Allen entsprechend Zeit brauchte. Als Support
waren die Briten von Savage Messiah dabei, die in unseren
Breitengraden leider noch viel zu unbekannt sind.
Savage
Messiah
In den Rezis zum Februar 2012 schrieb unser aller Mirko Buccio,
Zitat, folgendes: "Mit einem gelungenen Mix aus gemässigtem Thrash
Metal mit hohen, cleanen Vocals und epischem Power Metal überzeugen
die Youngsters Savage Messiah auf ihrem dritten Output auf ganzer
Linie." Gemeint war damit «Plague Of Conscience». Der Nachfolger
«Hands Of Fate» (2017) fand öffentlich hingegen kaum mehr Zuspruch
als bei MF-Tinu, dem die Mucke trotz attestiertem Potenzial ebenso
nicht wirklich mundete. Die Briten sind heuer nun mit dem neusten
Wurf «Demons» am Start, der offiziell aber erst neun Tage nach
diesem Konzert das Licht der Welt sah. So ergriffen Savage Messiah
die Gelegenheit des sich bietenden Rundumschlages und spielten nicht
weniger als gleich acht der elf neuen Songs (!), ergänzt um den
Titeltrack «The Fateful Dark» von 2014. Für die meisten der
anwesenden paar Hundertschaften machte dies allerdings, wie für
meine Wenigkeit auch, keinen wirklichen Unterschied aus, da die
bisherige Mucke sowieso nicht geläufig war. Mit David Hruska (lead
g/backing v) und Charly Carretón (d) brachte Bandleader, Frontmann
und Gitarrist Dave Silver zudem zwei neue Musiker mit, die beide
erst seit diesem Jahr das aktuelle Line-Up zieren. Als Opener wurde
«Virtue Signal» gespielt, der auch die neue Scheibe eröffnen wird.
Nach
dem spürbar schwächeren Vorgänger «Hands Of Fate», wo man teilweise
wie unbeholfen zugleich einen auf "Black Album von Metallica"
machte, ist er offenbar wieder da, der thrashig untermalte Power
Metal der früheren Tage. Und das Ganze, vereinzelt mit etwas
Keysound ab Band versetzt, knallte schon mal ganz ordentlich. Nicht
minder stark gebärdete sich gleich anschliessend «Heretic In The
Modern World» und auch «The Bitter Truth» vermochte sehr zu
gefallen. Allerdings befanden sich die Stimmbänder von Mr. Silver zu
diesem Zeitpunkt noch nicht auf Betriebstemperatur, da sich die
oberen Gesangslinien mehrfach arg bemüht, wenn nicht überstrapaziert
anhörten. Darum kam das getragenere «The Lights Are Going Out»
gerade recht, um für den Rest richtig Anlauf holen zu können. Mit
«Under No Illusions» wurde das Thrash-Gaspedal zunächst ordentlich
durchgetreten, um dann umgehend wieder auf melodischen Power Metal
umzustellen sowie damit gekonnt hin und her zu wechseln. Mit der
fünften full lenght Scheibe lassen die Briten den mehrheitlich
verunglückten Vorgänger ziemlich deutlich wie beeindruckend hinter
sich zurück und besinnen sich zum Glück wieder ihrer früheren
Tugenden. Bleibt nun echt zu hoffen, dass den Jungs hiermit der
nächste Karriere-Sprung gelingt und wir diese in der Tat sehr geile
Combo bald einmal als Headliner anfeuern können!
Setliste:
«Virtue Signal» - «Heretic In The Modern World» - «The Bitter Truth»
- «The Lights Are Going Out» - «Under No Illusions» - «What Dreams
May Come» - «Parachute» - «The Fateful Dark» - «Down And Out».
Symphony X
Sackstarke Support-Bands können einen Headliner ganz schön
piesacken, wenn nicht, wie früher noch oft geschehen, glatt an die
Wand spielen. Trotz der unbestreitbaren Qualitäten der überzeugenden
Einheizer musste sich der geneigte Fan jedoch keine Sorgen machen,
da Symphony X über genügend Reserven verfügen, um hier locker als
Sieger über die Ziellinie zu gehen! Um dann so zu sagen gleich
richtig zuzulangen, versetzte einen der fast 11-minütige Opener
«Iconoclast» ab dem gleichnamigen Album von 2011 gleich in die
richtige Stimmung. Neben Russell Allen brillierten auch
Meistergitarrist Michael Romero und Bassist Mike LePond, dessen
leichtfüssiges Spiel laufend für offene Münder sorgte. Wie auch die
Kollegen von Dream Theater fahren Symphony X ein technisch äusserst
versiertes Brett, auf das die Fans eine ganze Weile warten mussten.
Bei mehr als der Hälfte des Sets lag der songmässige Schwerpunkt bei
den Alben bei «Paradise Lost» (2007) und dem bisher letzten Dreher
«Underworld» (2015). Die Nerds konnten sich dann nach jedem
gespielten Song gegenseitig abfragen, welcher erwartete Klassiker
oder persönliche nach wie vor fehlte. Ich hätte zum Beispiel ganz
gerne «Children
Of
A Faceless God» abgefeiert, doch wer als Kenner die untenstehende
Setliste konsultiert, wird noch einiges entdecken, das ihn schon
während dem Konzert berührt hat. Dass Russell und seine Band nicht
nur opulent und filigran, sondern auch etwas feiner wie melodiöser
ans Werk gehen können, bewies der Track «Without You», der den
beiden Verstorbenen gewidmet wurde.
Danach ging es mit
«Domination» und «Run With The Devil» abermals rasant und heavy
weiter. Das, was Dream Theater mit dem aktuellen Werk «Distance Over
Time» (endlich!) wieder zelebrieren, haben Symphony X nie verlassen.
Ihr progressiv ausgerichteter Power Metal zeigt(e) stets Biss und
das unabhängig vom Alter der Songs. So reihte sich «Sea Of Lies»,
inzwischen immerhin 22 Jahre alt, bestens zwischen dem aktuelleren
Material ein. Zuhause stellte ich dann erstaunt fest, dass ich
bisher nur zwei Scheiben der Amis in meiner Sammlung stehen habe,
warum auch immer. Die virtuellen Scheuklappen im Umfeld von Dream
Theater, Redemption, Threshold und Konsorten müssen anscheinend
ziemlich gross gewesen sein. Nach «Set The World On Fire (The Lie Of
Lies)» ging der Headliner nach dem regulären Set von der Bühne und
wurde vom für einen Mittwochabend ordentlich aufmarschierten
Publikum mit lautem Applaus kurz
darauf wieder zurück beordert. Als Zugabe folgte "nur ein Song",
aber was für einer: «The Odyssey»! Stellte sich hierzu umgehend die
Frage, ob das über 24-minütige Opus komplett durchgespielt wird,
kann gleich mit grosser Freude vermeldet werden: "Ja!". Somit zogen
Symphony X nochmals alle Register und entliessen nach knappen
hundert Minuten mehr als nur zufriedene Gesichter in die Nacht
hinaus. Zum Schluss keimte bei manchem Fan noch der innige Wunsch
auf, dass bald einmal ein neues Album folgen möge wie eine
anschliessende Tour nicht lange auf sich warten lässt, respektive
der Tross auch wieder in Europa Halt machen wird!
Setliste:
«Iconoclast» - «Evolution (The Grand Design) » - «Serpent's Kiss» -
«Nevermore» - «Without You» - «Domination» - «Run With The Devil» -
«Sea Of Lies» - «Set The World On Fire (The Lie Of Lies)» -- «The
Odyssey».
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