Livereview: Subway To Sally - Coppelius
28. Oktober 2007, Palais X-Tra, Zürich
By Kissi
Man kann von deutschen Kapellen, die verzerrte Gitarren mit Klängen mittelalterlicher Spielmannskunst verbinden, halten, was man will, aber eines ist sicher: Wo solche Truppen von Musikanten eine Bühne entern, da tanzt der Bär. Egal ob In Extremo, Schandmaul, Saltatio Mortis oder Subway To Sally, Mittelalter-Rock steht live für Party und Spektakel pur. Letztgenannte, das Potsdamer Septett Subway To Sally, veröffentlichte vor kurzem ihr neues, wiederum hervorragendes Album „Bastard“, nicht umsonst CD-Tipp des Monats bei Metal Factory. Im Zuge dieses Outputs ging’s natürlich sogleich auf Konzertreise, deren dritte Station das Zürcher X-Tra war. Liess man die Fans während den beiden letzten, einfühlsamen Akustik-Auftritten im Rahmen der erfolgreichen „Nackt“-Touren träumen, so beherrschten nun wieder fette Gitarrenriffs, ekstatische Violinen-Salven und reichlich Feuer das Bühnenambiente, was sowohl die Band wie das Publikum über gut zwei Stunden zu schweisstreibenden Bewegungen anregte.

Coppelius
Nicht fehlen durften dabei natürlich die barocken Klarinetten-Punker von Coppelius, die sich, wie schon auf der 2005 absolvierten „Nord Nord Ost“-Tour, als begnadete wie durchgeknallte Entertainer und perfekten Anheizer präsentierten. Und mit diesem vergangenen Auftritt und dem ersten Langeisen „Time – Zeit“ (nach drei EPs) im Rücken war es für die Kammermusikanten ein Leichtes, wiederum voll abzusahnen. Weiss gepudert und mit grauen Feströcken herausgeputzt wurde über eine halbe Stunde lang eine Show zelebriert, die als ‚theatre bizarre’ wohl am besten zu benennen wäre. Mit ihrem auch für Mittelalter-Rock-Fans eher exotischem Instrumentarium, bestehend aus zwei Lead-Klarinetten, einem Cello, einem Kontrabass und Schlagwerk sowie stetigem Wechsel am Sängerposten, was für reichlich Dynamik auf der Bühne sorgte, brachten sie das zwar zahlreich besuchte, aber nicht ganz ausverkaufte X-Tra in wenigen Sekunden von 0 auf 100. Ob das instrumental vorgebrachte „Phantom Of The Opera“ von Iron Maiden oder selbst verfasste Stücke wie „Urinstinkt“, „Rather Be Dead“ oder „Two Blind Eyes“, jeder Song wurde euphorisch abgefeiert, was wohl nicht zuletzt an der ausgiebigen Interaktion der Band mit den Zuschauern lag: Mitsingen, mitklatschen, bangen etc., alles wurde von den Coppelianern verlangt und auch geliefert. Dabei immer wieder für einen Lacher gut war Spezial-Bandmitglied und Butler Bastille, der mit wehendem Frack über die Bühne wirbelte, hier etwas zu trinken brachte, dann wieder mit Becken bewaffnet Krach machte und natürlich mit geschwollener Rede durch die Klarinetten-Revue führte und in der Mitte Marktstand-Frau Kunigunde ein Ständchen zu ihrem Geburtstag zukommen liess. Sieg also auf der ganzen Linie für eine der wohl innovativsten und einzigartigsten Bands des Rock-Globus, die gerne mehr in der Schweiz einkehren dürfte, was sich am Ende des Abends auch optisch niederschlug: Nach dem Konzert konnte man nämlich fast ebenso viele Coppelius-Shirts erspähen wie STS-Textilien.

Subway To Sally
Über zwei Jahre waren seit dem letzten, amtlich rockenden Besuch der Potsdamer vergangen, und dementsprechend ungeduldig verhielten sich die Fans: Kurz nach dem umjubelten Abtreten von Coppelius erschallten nämlich schon lautstarke „Blut, Blut, Räuber saufen Blut!“-Chöre in Richtung der noch im Umbau begriffenen Bühne. Als diese dann verdunkelt und in dichten Nebel gehüllt wurde, da war die Masse nicht mehr zu halten, und unter tosendem Geschrei intonierte das Septett das Quasi-Intro „Canticum Satanae“, gefolgt vom textlich die Live-Situation beschreibenden „Hohelied“, beide von der neuesten Veröffentlichung „Bastard“. Ekstatisch bewegten sich sofort Publikum wie Band, diese zu Beginn alle einheitlich in lange, schwarze Ledermäntel gekleidet, mit „Hallo Freunde!“ begrüsst Eric die Fans. Wie stolz man im Hause Subway To Sally auf das neue Material ist, das zeigte die weitere Setlist: Nacheinander wurden brandneue Nummern wie „Puppenspieler“, „Unentdecktes Land“ und „Die Trommel“ kredenzt, letzteres mit dazugehörigem Percussions-Intro. Obwohl diese Songs erst seit wenigen Tagen auf dem Markt erhältlich sind, verblüfften die Anwesenden mit einer überraschenden Text-Sicherheit, und auch die Stimmung schien gar nicht mehr übertreffbar zu sein. Dies stellte sich jedoch gleich als Fehleinschätzung heraus, denn beim Gothic-Hit „Eisblumen“ von der letzten Scheibe „Nord Nord Ost“, zu welchem ein noch junges, weibliches Wesen von Barde Eric Fish dramatisch besungen und mit Rosen beschenkt wurde, kochte die Stimmung über. Herr Fish übrigens zeigte sich an diesem Abend beeindruckend stimmsicher, meisterte jede noch so diffizile Gesangslinie und stellte überhaupt wieder einmal klar, dass er, obwohl im Songwriting eher Nebendarsteller, live der Aktionspunkt der Band ist. Die Bühne indes war im Vergleich zur „Nackt“-Tour, zu welcher etliche Efeu-Ranken um die Musiker drapiert worden waren, deutlich schlichter ausgefallen und war lediglich mit dem eindringlichen Cover der neuen Scheibe dekoriert, welches zeitweise von stimmungsvollen Beamer-Projektionen abgelöst wurde. Dafür wurde, wie bei Subway To Sally zu erwarten, mit Feuer und Knallern nicht gespart, so dass harte Nummern wie „Falscher Heiland“, „Sabbat“ oder „Feuerland“ zu wahren Flammenspektakeln wurden, grosses Feuerspucken inklusive. Das von mir schon in der CD-Kritik zu „Bastard“ als Stimmungsgarant favorisierte „Tanz auf dem Vulkan“ enttäuschte darauf nicht, das X-Tra tanzte zu Drehleier- und Geigenklängen (deren Urheberin, Frau Schmitt, liess mit ihren schweifenden Bewegungen und viel nacktem Bein wie so oft die Männerherzen höher schlagen). Als Ruhepole und besinnliche Momente kontrastierten dagegen die elegischen Nummern „Wehe Stunde“ oder „Auf Kiel“, die natürlich weniger Party-Stimmung hervorriefen, in Sachen Eindringlichkeit Rockern wie „Henkersbraut“ (zu welchem beflissen der ohrenbetäubende "Subway“-Schrei geübt wurde) oder dem frenetisch abgefeierten „Kleid aus Rosen“ in nichts nachstanden. Nach dem folkig dargebrachten „Ohne Liebe“ und „Sieben“, dem Hit von „Nord Nord Ost“, zu welchem das Publikum mit reichlich Konfetti berieselt wurde, verabschiedeten sich die sieben Musikanten dann zum ersten Mal, was von den Fans sofort auf die obligatorische Weise quittiert wurde: Bis fast ans hintere Ende des X-Tras wurde „Blut. Blut, Räuber saufen Blut!“ gegrölt, und schon standen die sechs deutschen Herren und die eine Frau wieder auf den Brettern und spielten mit „Das Rätsel II“ zur zweiten Runde auf, gefolgt vom fliegenden „Veitstanz“. Danach kam dann das, was die Fans schon lange vorher intonierten, nämlich „Julia und die Räuber“, wie der richtige Name des an ein Kinderlied erinnerndes Stück lautet. Wie im Rausch intonierten die ca. 700 Anwesenden immer und immer wieder dieselben wenigen Verse und liessen so die Stimmung ihren ultimativen Höhepunkt erreichen. Doch Subway To Sally dachten gar nicht daran, ihre Fans jetzt schon in die kalte Nacht zu entlassen und liessen es nach einer kurzen Pause, in welcher die Chöre immer noch nicht verstummen wollten, noch einmal richtig krachen und zwar in Form von „Fatum“, der sowohl brachialen wie auch epischen Hymne von „Bastard“. Diese konnte das Partylevel davor zwar nicht mehr ganz weiter tragen, bildete aber zusammen mit dem finalen „Seemannslied“ einen würdigen Abschluss, welcher von Bodenski, dem ‚Meister der Worte’, wie Eric Fish ihn ankündigte, schlicht mit „Wir spielen das letzte Lied, und das heisst 2Seemannslied“ - tschüss zusammen!“ angekündigt wurde. Mit einem Meer aus Händen und fast Gänsehaut erregender Stimmung endete so eine schweisstreibende Show, die, wie kritische Stimmen laut wurden, in einer kleineren Location vielleicht mehr Intensität versprüht hätte. Sei's drum, die klare Mehrheit des Publikums war und ist wohl noch rundum zufrieden.

Setlist: „Canticum Satanae“ - „Hohelied“ - „Puppenspieler“ - „Unentdecktes Land“ - „Die Trommel“ - „Eisblumen“ - „Falscher Heiland“ - „Sabbat“ - „Der Sturm“ - „Feuerland“ - „Wehe Stunde“ - „Meine Seele Brennt“ - „Auf Kiel“ - „Tanz auf dem Vulkan“ - „Henkersbraut“ - „Kleid aus Rosen“ - „Sag dem Teufel“ - „Ohne Liebe“ - „Sieben“
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„Das Rätsel II“ - „Veitstanz“ - „Julia und die Räuber“
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„Fatum“ - „Seemannslied“