Livereview: Steven Wilson
09. Mai 2012, Pratteln - Z7
By Liane P.
Selbstverständlich konnte ich nicht so lange warten und pilgerte bereits im Oktober 2011 nach München, um eines der ersten Solo Konzerte vom Porcupine Tree Mastermind Steven Wilson erleben zu dürfen. Fast ein halbes Jahr später wurde aufgrund der grossen Nachfrage Teil 2 der erfolgreichen Tournee in die Wege geleitet.

Wilson ist nicht nur musikalisch ein Talent sondern auch im Showbiz ein absoluter „Siebesiech“! Er weiss genau, wie man in der heutigen Zeit, wo es eher schwierig ist im harten Business zu überleben, elegant der Musikbranche den Stinkefinger zeigt. Eigenes Studio, die besten Musiker arbeiten für ihn kostenlos oder er handelt geschickt ein Kompensationsgeschäft aus. Um weitere Konzerte finanzieren zu können veröffentlicht er eine Sackstarke Live CD die man nur über seine eigene Mail Order Company „Headphone Dust“ beziehen konnte. Er betont immer wieder, dass ihm die Kohle nicht wichtig ist und er sich keine goldene Nase mit der Musik verdienen möchte. Luxus ist für ihn ein Fremdwort. Anspruch hat er nur an sich und seine Musik. Er möchte einfach bei den Produktionen und den Tourneen nicht drauflegen müssen. Alle 3000 Kopien der Live CD waren in kürzester Zeit ausverkauft. Einen Teil davon konnte man signiert kaufen und diese Version wird bereits auf Ebay zu einem stolzen Preis von bis zu 60 Euro das Stück gehandelt. Was freu ich mich nun auf die kommende Live DVD die dieses unglaubliche audiovisuelle Konzertereignis verewigt...

Eigentlich weiss ich gar nicht so recht, ob man hier von einem Konzert sprechen sollte. Es ist eher ein Gesamtkunstwerk, mit dem man sich auseinandersetzen durfte. Eine Vorgruppe im klassischen Sinn gab es nicht. Knapp 3 Stunden Aufmerksamkeit galten Herrn Wilson, seiner Band und den Bildern seines Stamm-Künstlers Lasse Hoile. Pünktlich um 19:30 Uhr begann es dunkel zu werden im Saal. Gestartet wurde eine Projektion auf den seidenen Vorhang, welcher das Publikum von der Bühne trennte. Passend zu den eher düsteren Bildern wummerte ein fast schon monotoner beängstigender Sound von Bass Communion, einem weiteren Projekt von Steven Wilson. Damit wird der Besucher gut eine Stunde auf den eigentlichen Auftritt vorbereitet. Der Sound wurde immer aufdringlicher und die einzelnen Bilder wurden minutenlang dargestellt. Wer jetzt erwartet, dass ich nun erzähle wie der Vorhang gefallen ist, täuscht sich. Wie auch in München mussten sich besonders die Fotografen einer unverschämt grossen Herausforderung stellen. Der Vorhang blieb und das bis zum 4. Song. Alles durchdacht, alles bis ins Detail geplant.

Der Engländer hat die volle Kontrolle darüber, wie er sich und seine Arbeit präsentieren möchte. Das Gesamtkunstwerk ist einfach perfekt und die Fotos der Fotografen tragen durch das goldige Schimmern des Vorhangs eine besondere Handschrift. Überhaupt, jedes einzelne Konzert ist individuell und gleicht keinem anderen. Die Virtuosität der Musiker ist aussergewöhnlich und immer wieder erfinden sie sich neu. Mal wieder hat Wilson es geschafft eine herausragende Musiker Schar um sich zu versammeln. Jeder einzelne nimmt eine wichtige Funktion in dieser Konstellation war und überzeugt mit musikalischem Können auf höchstem Niveau. Sei es Adam Holzmann (Keyboards), Marco Minnemann (Schlagzeug), Nick Beggs (Bass, Chapmanstick), Theo Travis (Saxophon, Flöte, Klarinette) oder Aziz Ibrahim (Gitarre). Es ist schwierig in Worte zu fassen, wie mich dieser Abend beeindruckt hatte. Die Komplexität und der Druck der Songs in Kombination mit den Bildern nahm einem gefangen, fesselte und erschlug einem auf eine charmante Art und Weise. Besonders das fast 25 Minuten Stück „Raider II“ ist verdammt schwere Kost. Es ist schön zu sehen, dass es nicht wenige Leute gibt, die diese Art von Musik schätzen. Das Z7 war zwar nicht ausverkauft aber sehr gut gefüllt. Nach der ausgiebigen Verabschiedung und Vorstellung der Bandmitglieder gab es einen geschmeidigen Ausklang mit weiteren Bildern von Lasse Hoile und wummernder Begleitmusik. Die Herren haben sich wohl gesucht und gefunden. Wilson spricht bereits von einer festen Bandkonstellation und verspricht ein weiteres Album gefolgt von einer Tour. Neues Material gab es sogar schon an diesem Abend zu hören. Ganz grossartig!