Livereview: Rose Tattoo - The Wild!

13. Juni 2018, Pratteln – Z7
By Rockslave
Da Live-Auftritte von Rose Tattoo in der Schweiz eher Mangelware sind, stand es ausser Diskussion, dieses Konzert im Z7, unmittelbar nach der Aufwartung beim Sweden Rock Festival in Sölvesborg (S) am 07.06.2018, in der Heimat ebenso zu besuchen! Somit lag zwischen diesen beiden Gigs keine Woche dazwischen. War im hohen Norden die altersmässige Durchmischung des Publikums festivalbedingt querbeet, setzten sich die heutigen wie zahlreich erschienenen Besucher aus einem deutlich engeren, sprich älteren Range zusammen. Will heissen, dass die australische Rock-Legende heute Abend vor ihren wahren Fans aufspielen konnte. Da die letzte offizielle Studio-Langrille «Blood Brothers» von 2007 stammt, stand die laufende Tour unter dem Motto «Rock'n'Roll Outlaw 40th Anniversary Tour». Gefeiert wurde somit das legendäre gleichnamige Debüt-Werk von 1978, wo sich, wie bei einigen anderen Bands auch, die Gelegenheit geboten hätte, das Album komplett durch zu spielen. Von den ursprünglich zehn Songs wurden dann aber immerhin deren sechs gespielt. Als Support für diese Tour wurden The Wild! aus British Columbia verpflichtet, und die waren fast zu „wild“.

The Wild!

Nicht selten kann man sich weitgehend auf das äussere Erscheinungsbild von MusikernInnen verlassen, um abschätzen können, was sich einem bei einer Premiere wie dieser bieten wird. Dylan Villain (lead guitar & vocals), The Kid (rhythm guitar), Lucas 'Boozus' (bass & vocals) und Reese Lightning (drums) vermittelten beim Betreten der Bühne im Z7 optisch zumindest weigehend das, was danach zelebriert wurde: „Rock’n’Roll“ in seiner Ur-Form! Die mit dazu gehörende Biker-Attitüde liess dann ebenso nicht lange auf sich warten, und so befanden sich The Wild! zumindest thematisch am genau richtigen Ort. Was sich bei ihren Videos auf YouTube noch durchaus vernünftig anhört, wurde auf der Bühne jedoch total überambitioniert wiedergegeben. Frontmann Dylan Villain, grundsätzlich mit einer coolen Reibeisenstimme ausgestattet, gab sich, zusammen mit seinen drei Kumpels, mehr als „Wild!“, und das lief sich in der Folge ziemlich rasch tot, sprich wirkte zumindest für meinen Geschmack zu aufgesetzt. Das Freisetzen von Energie, wie man das zum Beispiel von Airbourne her kennt, setzt schon am richtigen Ort an, aber bei The Wild! sah wie hörte sich dies einfach unnatürlich an, respektive aus. Darum verpuffte der zweifellos vorhandene Groove zu dieser Mucke in Windeseile und liess mich total gelangweilt zurück. Der direkte Gang hin zur Bar war die direkte Folge davon und meine Wenigkeit verspürte wenig bis gar keine Lust mehr, sich dem Geschehen auf der Bühne zu widmen. Die Akzeptanz beim Publikum schien offensichtlich höher, wenn auch klar nicht ekstatisch zu sein. Unter dem Strich schien ich jedoch nicht der Einzige zu sein, der sich das Ende dieses insgesamt durchwachsenen Auftrittes sehnlichst herbei sehnte.

Rose Tattoo
Der Headliner liess sich anschliessend nicht lumpen und setzte zu einem erneuten Triumpf-Zug an. Damit ist gemeint, dass das, was bereits am Sweden Rock auf der grossen Festival Stage keine Schwächen demonstrierte, auch in der Halle bestens funktionierte, wenn nicht noch besser. Angeführt durch Frontmann Angry Anderson, das einzige noch verbliebene Ur-Mitglied der australischen Rock-Ikonen, gab es eine Reise zurück zu den Anfängen bis hin zum aktuellen Longplayer «Blood Brothers». Diese beiden Alben und «Scarred For Live» (1982) bildeten die Essenz des heutigen Konzertes. Der Opener «One Of The Boys», zu finden auf der Debüt-Scheibe, setzte dann gleich mal die Duftmarke in Sachen 40-jährigem Jubiläum. Und sowas muss man zuerst einfach mal setzen lassen! Hätte man Angry damals gesagt, dass er vier Dekaden später mit „seiner Band“ immer noch Kult-Songs wie «Rock 'n' Roll Outlaw» oder auch «Bad Boy For Love» vor ehrfürchtig geniessenden Fans singen wird, hätte er wohl nur abschätzig gelacht. Obwohl zahlreiche Weggefährten wie Peter Wells, Mick Cocks oder Ian Rilen leider schon verstorben sind, ist der kleine glatzköpfige und üppig tätowierte Mann mit seiner unverkennbaren Gesangsstimme immer noch auf zack. Und dies, obwohl Angry während dem Auftritt eine ganze Pulle Rotwein oder was in die Richtung (!) weg haute, und dabei, obwohl ordentlich betankt, keinen Moment nicht Herr der Lage gewesen ist.

Vielmehr verinnerlichte er die Songs wie kaum ein anderer und legte ein Maximum an Emotionen und Leidenschaft rein. Das begeisterte Publikum frass ihm dabei locker aus der Hand. Die gegenseitige und ansteckende Freude war deutlich spürbar und beflügelte auch die Band, die seit 2017 gleich drei neue Mitstreiter in ihrer Mitte aufweist. Das sind einmal Gitarrist Bob Spencer (The Angels) und Drummer John "Watto" Watson. Der dritte Mann im Bunde heisst Mark Evans, spielt Bass und gehörte bis 1977 zum Line-Up von…, richtig…, AC/DC! Das bedeutete mitunter den Mann spielen zu sehen, der unter anderem auch den Meilenstein «Let The Be Rock» eingespielt hat. So gesehen mag man dies dem mittlerweile 62-jährigen Musiker uneingeschränkt gönnen. Die Band Rose Tattoo, Ausgabe 2018, feierte auf dieser Tour vor allem die glorreichen Momente einer beispiellosen Karriere. Diese mag zwar und leider muss man sagen, nicht von millionenschwerem Erfolg gekrönt worden sein, aber wer nach so langer Zeit seine treuen alten wie neue Fans immer noch bestens unterhalten kann, verdient vorbehaltlos grossen Respekt. Die schweisstreibende Show musste, respektive wurde standesgemäss mit dem Smasher «Nice Boys» beendet, und es bleibt schwer zu hoffen, dass dies nicht der letzte Gig auf Schweizer Boden gewesen ist! Der direkte Vergleich zur ohne Zweifel töften Show in Schweden fällt jedoch eindeutig zugunsten der Schweiz aus! Tatts forever – forever Tatts!!

Setliste: «One Of The Boys» - «Juice On The Loose» - «Man About Town» - «Assault & Battery» - «Tramp» - «Rock 'n' Roll Outlaw» - «The Butcher And Fast Eddy» - «Standover Man» - «Branded» - «Black Eyed Bruiser» - «Once In A Lifetime» - «1854» - «Rock 'n' Roll Is King» - «Scarred For Life» - «Bad Boy For Love» - «Astra Wally» - «We Can't Be Beaten» - «Nice Boys».