Livereview: Rock Meets Classic
 (Ian Gillan/Marc Storace/Les Holroyd/Lou Gramm/Dan McCafferty)
18. Januar 2011, Basel - Messegebäude 1, Grosser Festsaal
By Rockslave
Fast auf den Tag vor einem Jahr, genau am 17. Januar 2010, war ich in Sursee zum gleich-namigen Anlass vor Ort. Damals konnte ich mir die ganze Sache noch nicht so richtig vorstellen, obwohl die Verschmelzung von Klassik und Rock/Metal seit Deep Purple, Metallica oder den Scorpions ja nun wirklich nichts Neues ist. Was für den einen Betrachter eher anbiedernd wirkte, vermochte aber einem zahlreich aufmarschierten Publikum auf der anderen Seite sehr wohl zu gefallen.

Auf diese Idee musste man ja auch erst mal kommen, gleich einige klingende Namen mit unbestrittener Musik-Historie im Rücken dazu zu bewegen, sich diesem Format zu stellen. Das Risiko wurde auf jeden Fall belohnt und manche Fans, die sich altersmässig überwie-gend zwischen 30 und 60 tummelten, hätte man sonst wohl nicht zwingend dazu gebracht, sich das anzuschauen. Bei den insgesamt vier Schweizer Konzerten in Genf, Sursee, Zürich und Basel wäre auch Steve Lee (R.I.P.) von Gotthard dabei gewesen. An seiner Stelle sprang Marc Storace (Krokus) kurzfristig ein und machte seine Sache gut.

Band und Orchester

"Never change a running team" heisst es bekanntlich und wenn eine Konstellation von Erfolg umgeben ist, sollte man dabei bleiben. Das dachte sich auch Bandleader Mat Sinner, der sonst die tiefen Töne bei Primal Fear, seiner eigenen Band Sinner und unzähligen anderen Combos und Projekten anschlägt. Als Gitarrist konnte diesmal und zu meiner grossen Freunde kein Geringerer als Alex Beyrodt (Voodoo Circle, Silent Force, Primal Fear) verpflichtet werden, der den mittlerweile auch bei Primal Fear ausgestiegenen Henny Wolter (Ex-Thunderhead) ersetzte. Die ganze Truppe, ergänzt um weitere, mir namentlich nicht bekannte Musiker, nennt sich die "RMC-Band" und wird vom "Bohe-mian Symphony Orchestra Prague" unter der Leitung von Dirigent Philipp Maier (Direktor des UAE Philharmonic Orchestra in Dubai) begleitet. Weiter gehört ein gemischter Chor dazu, bei dem in erster Linie zwei Namen heraus stechen: Amanda Somerville (Avantasia, Kiske) und der PF-Front-mann Ralf Scheepers himself! Letzterer stand ganz unscheinbar und brav im Chörchen drin und wurde wohl kaum erkannt. Obwohl man eigentlich erst mit dem letztjährigen Anlass so richtig von diesem Konzert-Event Notiz nahm, war es heuer bereits die vierte Auflage. Mit «Childs Anthem» als Opener des Abends in Basel, respektive einem Stück von Toto, spielte man sich so zu sagen zuerst mal etwas ein, ehe der erste Gaststar des Abends angekündigt wurde.


Dan McCafferty (Nazareth)
Wie im Jahr zuvor, eröffnete wiederum der Mann mit der, neben Rod Stewart, unverkennbarsten Reibeisenstimme des ganzen Music-Business den Sänger-Reigen. Der Frontmann von Nazareth, die sich 2008 mit «The Newz» endlich auch wieder albummässig zurück meldeten und im Februar 2011 mit ganz neuen Songs aufwarten werden, hat seiner charakteristischen Stimme in all den Jahrzehnten auf zahllosen Bühnen der Welt kaum Erholung gegönnt. So kann es dann halt jeweilen vor-kommen, dass sich die Gesangsleistung mitunter hart an der Grenze bewegt. Für den letzten Schweizer Auftritt wünschte ich mir genau dies nicht und oh Wunder, wurden meine "Gebete" erhört. Der Kuschelrock-Klassiker «Dream On» legte die Hürden nicht zu hoch an, was dem nachfolgenden «Hair Of The Dog» gleich zugute kam. Dass dann gleich «Love Hurts» anschloss, war in diesem Rahmen absolut nachvollziehbar und auch hier gab sich Herr McCafferty keine Blösse. Kaum warm, bedeutete «This Flight Tonight» leider schon Endstation. Da das Gezeigte aber keine wirklichen Schwächen aufwies, stimmte dies für die kommende Tour ab Februar zuversichtlich. Beglei-tet von einem kräftigen Schlussapplaus machte sich Dan als Erster vom Acker, bis er dann zum Schlusssong wieder zurück kehren sollte.

Songs: «Dream On» - «Hair Of The Dog» - «Love Hurts» - «This Flight Tonight».

Bohemian Symphony Orchestra Prague / Amanda Somerville
Im grossen Festsaal des Messegebäudes 1, wo unter anderem stets die alljährliche, mehrtägige «AVO-Session» über die Bühne geht, war natürlich der ganze Saal gestuhlt und leider längst nicht vollständig belegt. Inklusive (dem heute Abend geschlossenen) Balkon würden in dieser Location maximal 2'000 Leute Platz finden. Etwa geschätzte knapp 1'000 Besucher dürften es schliesslich gewesen sein. Diese erlebten dann quasi als Intermezzo Maurice Ravels «Boléro» in seiner ganzen Länge. Ich persönlich musste mich dazu schon arg in Geduld üben und setzte mich währenddessen auf irgend-einen, leeren Stuhl. Das Orchester folgte kon-zentriert seinem Dirigenten und liess keinen Zweifel darüber aufkommen, dass hier sicher keine Stümper am Werk sind. Nach dem Ausklingen des auf-brandenden Applauses löste sich Lady Amanda Somerville aus der Chorreihe, kam vorne an den Bühnenrand und gab darauf mit ihrer schönen und klaren wie kräftigen Stimme den Heart-Hit «Alone» zum besten. Das klang dermassen gut, dass man es kaum vom Original unterscheiden konnte und man gerne noch mehr davon gehört hätte.

Stück/Song: «Boléro» - «Alone».

Lou Gramm
Auf vielfachen Wunsch der "RMC"-Fans trat nun der ehemalige Frontmann von Foreigner auf die Bühne. Obwohl sein ehemaliger Bandkumpel und Bandchef Mick Jones die Band (mit Sänger Kelly Hansen) weiterhin erfolgreich am Leben erhält, geniesst der Original-Sänger immer noch viele Sympathien. Bezüglich der Songs konnte man erahnen, welche kommen würden, aber das war eigentlich bei der Dichte an Hits unwichtig. Prompt folgte mit «Urgent» bereits einer der besten Rocksongs der Geschichte, der in der Orchesterfassung eine gute Figur machte. Die gesangliche Leistung von Lou Gramm, der seit dem 1997 operierten Gehirntumor nie mehr ganz an sein früheres Level anknüpfen konnte, konnte sich absolut sehen und hören lassen. Auch «Hot Blooded» vermochte zu gefallen und beim kultigen Schmachtfetzen «I Want To Know What Love Is» konnte man mit dem Orchester und der Band hinten dran eh nichts mehr falsch machen, grandios! Last but not least liess «Juke Box Hero» so manche Jugenderinnerung hochkommen und machte einem gleichzeitig bewusst, wie "alt" man inzwischen geworden ist. Die ersten Standing Ovations zum Schluss deuteten an, dass diese Darbietung auch das nächste Mal nicht fehlen darf!

Songs: «Urgent» - «Cold As Ice» - «Hot Blooded» - «I Want To Know What Love Is» - «Juke Box Hero».

Etwa um 21.10 Uhr verkündete Mat Sinner eine Pause, bevor es dann mit Les Holroyd, der einen Leadstimme von Barclay James Harvest (neben John Lees) weiter gehen sollte. Um 21.30 Uhr ging das Licht im Festsaal wieder aus und die Bühne bevölkerte sich für den zweiten Teil von «Rock Meets Classic». Und war ich wie auf Nadeln, was jetzt folgen würde! Der Grund dafür war ein wirklich desaströses Konzert, das ich von BJH im Juli 2009 unweit meines Wohnortes, nämlich in Kestenholz anlässlich des Openairs "Sunset at St. Peter" gesehen hatte. Der gute Les war damals sowas von scheisse, dass ich mich jetzt kaum getraute hin zu hören. Doch es sollte zur grossen Überraschung ganz anders heraus kommen!

Les Holroyd
Leute in meinem Alter, also zwischen 40 und 50 Jahren, kennen mit Sicherheit Songs von Barclay James Harvest und wenn es auch nur ein einziger ist. Ich habe die Band schon immer gemocht und diese fand ihren festen Platz bei mir und zwar locker zwischen AC/DC, Deep Purple, Metallica und so weiter. Wie bei Supertramp verfügten BJH über zwei Leadsänger, die sich dann irgendwann mal zerstritten und darum ist aktuell auch John Lees unter dem BJH-Banner unterwegs. Schade eigentlich, aber Tatsache. Der inzwischen sichtlich ergraute Les kam gut gelaunt auf die Bühne und stimmte gleich «Ring Of Changes» an. Zu meiner Freude sang er im Vergleich zu dem was ich zuletzt von ihm gehört hatte, ziemlich gut! Der erfreuliche Ersteindruck wurde danach auch bei «Life Is For Living» bestätigt. Die Krönung des viel zu kurzen Auftrittes besorgte eine beeindruckende Version von «Hymn», einer der bekanntesten BJH-Songs. Der Festsaal wurde nun seinem Namen gerecht und das Publikum erhob sich zunehmend von den Sitzen. Begeistert wurden die legendären "Hey"-Rufe lautstark erwidert, sodass man darob echt eine Gänsehaut kriegte! Das war es..., genau so hatte ich mir das vorgestellt und eigentlich davon nicht zu träumen gewagt. Ein sichtlich bewegter Les Holroyd bedankte sich für die bisher klar lautesten Reaktionen an diesem Abend und auch hier hätte man dem Briten noch sehr gerne länger zugehört.

Songs: «Ring Of Changes» - «Life Is For Living» - «Hymn».

Marc Storace
Und nun folgte der Grund, warum alle anderen Sänger weniger Songs performen durften: Marc Storace! Der Krokus Frontmann sprang spontan für den verstorbenen Freund Steve Lee (R.I.P.) ein. Der ehemalige Sänger von Gotthard war auf dieser Tour exklusiv für die Schweizer Konzerte gebucht worden. Es sollte leider nicht mehr dazu kommen. Mit "unserem" Marc wurde jedoch ein absolut adäquater Ersatz gefunden, der die Lücke wenn nicht schliessen, dann ganz sicher füllen konnte. Für Krokus eigentlich undenkbar, wurde «Screaming In The Night» als Opener gewählt und ent-wickelte zusammen mit Band und Orchester eine zuvor nicht gekannte Stimmung. Der Wechsel zu «Bedside Radio» war dann fast ein wenig abrupt, aber das Publikum bewies hierzu bemerkenswerte Mitsing-Qualitäten. Dann kam der schwierigste Part des ganzen Abends: Marc Storace sang und widmete den Gotthard-Song «Heaven» dem viel zu früh und so tragisch verstorbenen Ausnahmesänger. Die gesangliche Anteilnahme konnte man regelrecht fühlen und manch einer (ich eingeschlossen) bekam dabei feuchte Augen. Marc rang nach dem Song mit der Fassung und das vollständig erhobene Publikum klatschte minutenlang. Ein sehr andächtiger Moment, der trotz der vierten Auflage auf-richtig und nicht aufgesetzt wirkte. Zum Schluss liess man es dann mit dem Song nochmals richtig krachen, der normalweise zuoberst in der Setliste steht: «Long Stick Goes Boom»! Alex Beyrodt schien diesen Klassiker ebenfalls zu mögen und schrammte die Riffs kraftvoll runter. Die Zeit zerrann wie Schnee an der Sonne und dann war nur noch einer übrig.

Songs: «Screaming In The Night» - «Bedside Radio» - «Heaven» - «Long Stick Goes Boom».

Ian Gillan
Deep Purple war ja die erste Band überhaupt, die bereits 1969 das berühmte "Concerto for Group and Orchestra" in London uraufgeführt hatte. 1999, also 30 Jahre später wurde das Ganze zum Jubiläum nochmals reaktiviert und man ging gar auf Tour damit. Die späteren Ergüsse von Metallica und den Scorpions waren also nicht mit dem siebten Weltwunder vergleichbar, sondern einfach jeweils die eigene Version oder Interpretation dessen, was Ian Gillan und seine Kumpels schon längst abgehakt hatten. Nun findet die Geschichte ihre Fortsetzung, denn die heutigen Songs, also die ab dem 72er Meilenstein «Machine Head» wurden vorher ja nie mit Orchester dargeboten. Der Auftakt zum Finale mit «Highway Star» war einfach geil und von jetzt an war Gitarrist Alex Beyrodt wie elektrisiert und wandelte bei seinen töften Soli auf den Spuren des "Man in black" Ritchie Blackmore. Gillan, körperlich fit, wenn auch bald etwas zu hager, gab sich keine Blösse und rundete das eh schon gute Bild seiner Vorgänger weiter ab. «Strange Kind Of Woman» kam hammermässig daher und «Perfect Strangers» wirkte mit dem Orchester noch eindringlicher. Ian's Widmung an Steve Lee (R.I.P.) konnte mit «When A Blind Man Cries» eigentlich nicht besser zum Ausdruck gebracht werden. Mit «Black Night» wurden schliesslich die vorletzten Mitsingkräfte mobilisiert, ehe der finale Schlag mit «Smoke On The Water» eingeläutet wurde. Dazu kamen nochmals alle Protagonisten dieses abermals überzeugenden Konzertabends auf die Bühne und ver-wandelten den Festsaal ein letztes Mal in ein veritables Tollhaus. Es ist wirklich schade, dass man nicht "sold out" hat vermelden können, denn die "Rock Meets Classic" Ausgabe von 2011 hätte das klar verdient gehabt. Mal sehen, wie diese Reihe fortgeführt wird, respektive ob sich das Ganze in dieser Form auch weiterhin halten kann. In Sachen Besetzung gäbe es da schon noch ein paar andere Kandidaten.

Songs: «Highway Star» - «Strange Kind Of Woman» - «Perfect Strangers» - «When A Blind Man Cries» - «Black Night» -- «Smoke On The Water».