Livereview: Nitrogods - Drïzella

27. Mai 2016, Gerlafingen – Cotton Club
By Tinu
Gerlafingen gehört grundsätzlich nicht zu den bekanntesten Konzert-Locations in Helvetien. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass man sich dort tolle Bands ansehen kann. So auch an diesem sehr heissen Freitag, als sich Nitrogods im wirklich sehr gemütlichen, aber auch sehr kleinen Cotton Club einfanden. Mit im Gepäck waren Drïzella aus Burgdorf. Musikalisch gesehen konnten die Unterschiede nicht grösser sein. Auf der einen Seite der punkige, mit Southern Rock getränkte Motörhead-Stil und auf der anderen Seite der eher melodische Hardrock einer noch aufstrebenden Truppe.

Drïzella feierten an diesem Abend die Geburtsstunde ihres ersten Albums «Alive». Mit ihren rockigen, melodischen Songs begeisterte das Quartett seinen Fanclub. Gute Stimmung war da garantiert. Schienen viele Besucher die Songs von Drïzella in- und auswendig zu kennen. Die Lieder hatten was, auch wenn dabei der grosse Hit (noch) fehlt, aber zumindest gingen die Rhythmen ins Bein und speziell die Gitarrensolos liessen meine Aufmerksamkeit nicht kleiner werden. Auch die Rhythmussektion wusste zu gefallen, da treibende Grooves der Marke «Mitklatschen» stark im Mittelpunkt standen. Allerdings sieht es doch ein bisschen komisch aus, wenn beim Solo der zweite Gitarrist genüsslich zur Wasserflasche greift, anstatt seinen Saitenkollegen zu unterstützen. Wofür braucht man den sonst die zweite Gitarre? Den Anwesenden schien dies aber völlig egal zu sein, und so wurde beim Mitsingspiel begeistert mitgemacht. Die Herren Chris (Gesang, Gitarre), Ref (Gitarre), Neo (Drums) und Andy (Bass) machten Laune, müssen sich aber (noch) gefallen lassen, dass alleine gute Songs, die bei den eigenen Fans abgefeiert werden, in der breiten Masse des Hardrocks sehr wahrscheinlich untergehen. Bleibt dran Jungs, es hört sich vielversprechend an, aber vergreift euch bitte nicht mehr an Coverversionen wie Led Zeppelin's Hit «Rock'n'Roll»! Es gibt Dinge, die sind definitiv noch zu früh...

Nachdem Drïzella den Platz auf der sehr kleinen Bühne für Nitrogods frei räumten, muss man leider sagen, dass der nicht belegte Raum vor der Bühne tatsächlich grösser wurde. Schade, denn mit den kampferprobten Henny Wolter (Gitarre, ehemals Thunderhead, Primal Fear, Sinner), Klaus Sperling (Schlagzeug, ehemals Freedom Call, Primal Fear, Sinner) sowie Claus «Oimel» Larcher (Gesang, Bass) stand ein Trio auf der Bühne, welches durch eine ungeheure authentische Art seine Attitüde «no bullshit Rock'n'Roll band» mit jedem Ton manifestierte. Die Mischung aus alten Punk-Helden, einem feinen Lynyrd Skynyrd-Touch und einer Unmenge an Motörhead macht die Jungs zu etwas ganz Besonderem. Allerdings scheinen dies bis heute noch nicht ganz alle begriffen zu haben… Im Gegenzug hatte die überschaubare Anzahl an Besuchern verdammt viel Spass. Einer, der von allen drei Bandmitgliedern mitgetragen wurde. «Guten Abend zusammen im viel zu heissen Gerlafingen», begrüsste Claus die Anwesenden mit einem breiten Lächeln und wischte sich nicht zum letzten Mal an diesem Abend den Schweiss von der Stirn. Es war Schweiss, den sich die Jungs auf ehrliche und ehrgeizige Art erarbeiteten und bis zum Schluss nicht locker liessen, um wirklich jeden im Publikum mit einem glücklichen Grinsen in den lauwarmen Abend zu entlassen.

«Das ist unser Metalversuch», kündigte Oimel «Back Home» an, um mit diesen Track eine weitere Facette des eh schon breiten Nitrogods-Rahmens zu präsentieren. «Wie ihr seht, fehlt mein Bierhalter beim Mikroständer. Somit muss ich mich öfters bücken und es kann dauern, bis ich dann wieder hoch komme», liess Oimel mit einem breiten Grinsen die Anwesenden wissen, nahm einem tiefen Schluck aus der Flasche und bückte sich langsam zu Boden. Claus ist ein verdammt geiler Frontmann, der mit seinem knarzigen Gesang die Motörhead-Etikette wohl für immer auf seinen Arsch tätowiert hat. Seine fetten Bassparts lassen wirklich kaum Lücken zu und zusammen mit Klaus legen die Beiden einen Rhythmusteppich vor, auf dem sich Henny nach Herzenslust austoben kann. Mister Sperling hat noch immer seinen ganz speziellen Groove, wenn er auf sein Arbeitswerkzeug einschlägt. Einer, den man aus tausenden heraus kennt und jeder Band verdammt gut zu Gesicht stehen würde. Henny übernimmt mit seinen Gitarrenparts einen ganz wichtigen Part sowie ab und zu dem Leadgesang. «Dies ist ein Song über Bands, die nur so tun, als ob sie spielen würden. Dabei ist alles Playback. Nitrogods würden dies NIE tun! Hier ist «Lipsynch Stars»!», verkündete der Gitarrist und haute einen der ganz grossen Momente des Trios aus den Saiten.

Die Setlist bestand aus den beiden Alben plus vier Coverversionen. Acht Lieder stammten vom gleichnamigen Debüt, fünf Tracks von «Rats & Rumors», während die Rose Tattoo-Nummer «Nice Boys», der Thunderhead-Klassiker «Take It To The Highway» und die beiden Motörhead-Zugaben «Going To Brazil» und «Ace Of Spades» den Abend abrundeten. «Wir haben kein Playback, dafür Klaus an der Bierflasche. Was gibt es den Geileres? Er sieht nicht nur besser aus als ein Computer, er spielt auch noch viel besser!» Mit solchen Ansagen, Klaus mit einem Trommelstock bewaffnet, der auf eine leere Bierflasche schlägt und einem Killertrack wie «Lipsynch Stars», brach das Trio definitiv das Eis. Der Rockabilly-Punk-Southern Rock-Hardrock mit einer Prise Metal servierte Sound befriedigte alte Fans und gewann neue dazu. «Der nächste Song ist fürs Finanzamt von Hannover», liess uns Henny wissen und wuchtete «Nothing But Trouble» in den Cotton Club. Mit kreisenden Drumsticks und einer fulminanten Version von «Damn Right (They Call It Rock'n'Roll)» brachte das Trio fast die Decke des Clubs zum Tropfen. Mit Sprüchen wie: «…Klaus ist ein sehr guter Bierflaschenspieler, aber seitdem sein VfB Stuttgart abgestiegen ist, kriegt er schnell schlechte Laune!», wurde die Stimmung nochmals angeheizt. Wer will sich schon der schlechten Laune des Trommlers aussetzen? Mit der sehr charmanten Ansage von Oimel: «Unser nächstes Lied handelt von der Hauptstadt. Also unserer Hauptstadt. Die beginn zwar auch mit «Ber..», endet aber mit «…lin»», hatte der singende Bassist den Lacher auf seiner Seite. «Wasted In Berlin» holte dann nochmals die Rock-Harke hervor, bevor mit «Whiskey Wonderland» und der Ansage zu «Nice Boys»: «…es kommt, was kommen muss, das letzte Lied. Den kennt ihr alle», nochmals Vollgas gegeben wurde. Auch wenn es kaum mehr Sauerstoff im Cotton Club gab, das Trio liess sich nicht lumpen und knallte mit den beiden Motörhead-Klassikern nochmals allen eine fette Portion Lärm um die Ohren.

Es wäre falsch, Nitrogods als blosse Motörhead-Kopie abzustempeln. Auch wenn Vieles an die ehemalige Lemmy-Combo erinnert, haben Nitrogods ein breiteres Soundsortiment in den eigenen Reihen. Wahrscheinlich würden sie die grösseren Hallen füllen, wenn sie als Covertruppe in den Clubs und Hallen unterwegs wären, aber dann könnten wir das fantastische Liedgut der Deutschen nicht hören. Darum… Hört euch die Jungs an, wenn sie in eurer Nähe spielen. Neben guter Musik bekommt ihr auch eine gehörige Portion Ehrlichkeit und Spass um die Ohren geklatscht. Musikalisch muss man den Jungs eh nichts mehr beibringen, dafür sind sie zu lange im Business und wer mit über fünfzig Jahren noch immer so frisch, frech, authentisch und einer ehrlichen «Leck mich am Arsch»-Attitüde auftritt, hat einfach ein grösseres Publikum verdient, als an diesem Abend in Gerlafingen.

Setliste: «Rats & Rumors» - «Gasoline» - «At Least I'm Drunk» - «Back Home» - «Irish Honey» - «Lipsynch Stars» - «The Devil Dealt The Deck» - «Rifle Down» - «Nothing But Trouble» - «Damn Right (They Call It Rock'n'Roll)» - «Black Car Driving Man» - «Take It To The Highway» - «Wasted In Berlin» - «Whiskey Wonderland» - «Nice Boys» -- «Going To Brazil» - «Ace Of Spades».