Livereview: Motörhead - Pure Inc. - Sideburn
4. Juni 2006, Zürich Volkshaus
By Roger W.
Es war heiss an diesem Pfingst-Sonntag Abend! Heiss nicht nur aufgrund der Temperaturen, sondern auch wegen der Bands, die an diesem Abend aufspielen durften. Zudem förderte die Nachricht eines ausverkauften Volkshauses weiter die Vorfreude, die letztendlich auch nicht enttäuscht wurde. Doch verwundert hat mich das nicht. Und selbst wenn da "nur" Motörhead gespielt hätten, wäre das Grund genug gewesen, nach Zürich zu pilgern. Diese Band um Chef-Jack-Daniels Vernichter Lemmy Kilmister ist Kult! Und obwohl ich die Band jetzt zum dritten Mal erleben durfte, geht mir immer noch dieses kleine nette Schaudern durch die Gedärme, wenn es wieder heisst: "Hello! We are Motörhead and we play Rock'n'roll!"

Sideburn
Als Erstes starteten um Punkt 20.00 Uhr die Blues-Hardrocker Sideburn. Die Band ist zwar noch nicht ganz so lange im Geschäft wie Motörhead, feiert aber in diesem Jahr doch schon ihr 20-jähriges Jubiläum! Und diese lange Erfahrung merkte man den Schweizern auch an, als sie mit "Hell on wheels" los rockten. Sehr bewegungsfreudig nutzte die gesamte Band den beachtlichen Platz auf der Bühne und bot so einen Anblick, den man sich von einem Support-Act wünscht, und der klar macht, dass auch diese Band die Professionalität eines Headliners mitbringen würde. Nur schienen Sideburn beim Publikum noch zu wenig bekannt zu sein. Jedenfalls bewegten sich die wenigsten zu den an AC/DC und Rose-Tattoo erinnernden Stücke, die sicher an jeder Biker-Party eine gute Figur abgeben würden. Sideburn waren dann auch die sanfteste Band des Abends und packten gegen Ende des 30-minütigen Konzerts sogar die Mundharmonika aus. Songs, wie zum Beipspiel "Dany and the devil" brachten Sideburn aber schon ab dem dritten Song mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Ich selber kannte die Band vorher nicht, werde sie mir aber merken, wie so manch andere Besucher wohl auch. Wer die Band in den letzten Jahren als Support von Kiss, Shakra, Ted Nugent, Dio, Thin Lizzy, Rose Tattoo oder Def Leppard gesehen hat, weiss wovon ich spreche.

Pure Inc.
Etwas weniger lang als Sideburn sind die Basler Pure Inc. am Rocken, die jetzt diesen Frühling mit "A new days dawn" ihr zweites Album über das deutsche AFM-Label raus gebracht haben. Aber auch hier bemerkte man die bereits beachtliche Live-Erfahrung, die diese mit Bands wie Michael Schenker Group, Masterplan oder Doro auf zum Teil ausgedehnten Europa-Tourneen sammeln konnte. Ohne Intro legten Pure Inc. mit "Saviour" vom neuen Album gleich mächtig los. Danach begrüsste Sänger Gianni das Publikum mit den Worten, dass er zwar aus Basel komme, dem FCZ seinen Cup-Titel aber gönne. Damit war auch das Eis mit den Zürchern gebrochen. Bei Liedern wie "I'm a rolling stone", "Next to you" oder "Fear my eyes" konnte ich sogar ein paar Headbanger ausfindig machen. Insgesamt scheint die Band aber auch hier noch um einiges bekannter werden zu können. Denn auch bei Pure Inc. fand die Bewegung vor allem auf der Bühne und nicht im Publikum statt. Im Vergleich zu Sideburn wirkte man dabei aggressiver und schneller, was aber auch an der Musik selber lag. Vielleicht lag es jedoch auch an der schlechten Luft und der Schweinehitze, die das Volkshaus lähmten. Singen konnten die Konzertbesucher aber. Dies bewiesen sie, als Sänger Gianni im Zwischenteil anstatt den normalen "Aaa's" oder "Ohoho's" schlicht das Wort "Motörhead" nachsingen liess. Überhaupt wirkte er heute sehr sympathisch und warf immer wieder 5 dl-Mineral-Pet-Flaschen ins Publikum. Mit dem Led Zeppelin-Cover "Immigrant Song" beschlossen Pure Inc. nach 40 Minuten ihren Gig und bewiesen noch einmal die Stärke der Band. Hier fand man dann auch den Direktvergleich zwischen Gianni's und Steve Lee's (Gotthard) Stimme. Und tatsächlich, Pure Inc. müssen sich auch in diesem Punkt nicht verstecken. Klar hätte ich anstatt einer Cover-Version noch lieber ein weiteres, eigenes Stück gehört, aber bei einer solchen Band geniesst man schlicht jeden Ton, jede Mimik und jeden Schritt auf der Bühne, als dass man sich an so was stört. Auch Pure Inc. haben an diesem Abend definitiv einen bleibenden Eindruck hinterlassen, und so gab es nach dem Ende neben einem euphorischen Applaus auch einige "Zugabe"-Rufe, die aufgrund des engen Zeitplans aber leider nicht beachtet werden konnten.

Motörhead
Das Volkshaus war also bestens aufgewärmt, als um 22.00 Uhr die Kultband die Bühne betrat. Somit war ein erster Teil meiner Vorfreude schon mal berechtigt gewesen und es stellte sich jetzt nur noch die Frage, ob Motörhead dies fortsetzen können. Aber wer seit 30 Jahren Erfolgsgeschichte schreibt, der lässt sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Ebenso ruhig betraten Lemmy, Mikkey Dee und Philip Campbell die Bühne. Das Publikum wartete, bis Lemmy die berühmten Worte aussprach, und weil's so schön ist, hier nochmals: "Hello! We are Motörhead! And we play Rock'n'Roll!!!". Danach folgte mit "Stay clean" gleich der erste Klassiker. Im Vokshaus standen zumindest die ersten zehn Reihen Kopf und im Fotograben fand man sich zwischen fliegenden langen Haaren und der Bühne wieder. "Killer" vom immer noch aktuellen Album "Inferno" und "Metropolis" folgten. Dazwischen erzählte Lemmy immer wieder kleine Geschichten und widmete die einzelnen Songs seinen musikalischen Weggefährten. Welche das genau waren, kann ich nicht sagen, weil ich einerseits nicht alle der fast 20 Studioalben besitze, und andererseits immer wieder Mühe hatte, Lemmy's Whiskey-Stimme zu verstehen. Die Stimmung indes blieb auf einem kochend heissen Niveau. "In the name of tragedy" heizte ebenso ein, wie "Sacrifice", das durch ein Schlagzeug-Solo unterbrochen wurde. Wie man es von Mikkey Dee gewohnt ist, bangte der sympatische Schwede das ganze Konzert durch. Die Securitas im Fotograben hatten an diesem Abend ebenfalls viel zu tun und fischten all die Crowdsurfer sicher aus dem Publikum. Nur einmal rutschte einer schmerzhaft zu Boden. Durch die hohe Feuchtigkeit konnten ihn die Sicherheitsleute nicht richtig fassen. Nach 75 Minuten verliessen Motörhead dann zum ersten Mal die Bühne, um unter tosendem Applaus die ruhige, aber arschgeile Blues-Nummer "Whorehouse Blues" vorzutragen. Lemmy bewies bei diesem Song, dass er durchaus auch bei geringerer Lautstärke überzeugen kann. Mehr noch, durch das Fehlen von Verzerrern gewann sein Organ sogar noch an Charakter. Das danach noch nicht Schluss war, war natürlich allen klar. Und so bekam das hungrige Publikum mit "Ace of spades" und dem finalen "Overkill" noch das gewünschte Lärmfutter. Wobei nach eineinhalb Stunden Konzert oder "Lärm" für mich der eigentliche "Overkill" noch nicht erreicht war. Gerne hätte ich der Band noch ein halbes Stündchen länger zugehört. Trotzdem war ich auch hier mit der Leistung mehr als zufrieden. Und wer, wie ich, noch nicht genug von Motörhead hat, kann sie bald am 16. Juni am Open Air Scharans wieder bewundern. Eine der schönen Sachen an dieser Band ist nämlich, dass sie ausgesprochen Tour- und spielfreudig ist und fast jedes Jahr ein bis zwei Mal die Schweiz beehrt. Wer Lemmy & Co. also noch nie live gesehen hat, sollte also eine der nächsten Gelegenheiten ergreifen. Es lohnt sich!