Livereview: Metal Factory Festival

29. Mai 2015 (Warm-Up Show) & 30. Mai 2015 (Official Event), Wetzikon – Hall Of Fame
By Rockslave



Kurz vor dem “Sweden Rock” als einem der Festival Jahres-Highlights hatten wir von Metal Factory vorher noch einen ebenso wichtigen Termin wahr zu nehmen! Seit unseren Anfängen, sprich dem Zeitpunkt der umgesetzten Idee unseres Cheffe Roxx und eines Kollegen, sind bereits unglaubliche fünfzehn Jahre vergangen! In dieser Zeit ist viel passiert, nicht nur in der grossen weiten Welt draussen, sondern auch innerhalb unserer heiss geliebten Szene. Mit dem Start von Metal Factory rappelte sich die Szene nach dem Grunge-Desaster und weiteren düsteren wie zumeist ziemlich ideenlosen Jahren definitiv wieder auf. Seither sind wir mit dem MF-Team permanent dran am Nabel des Geschehens und versorgen unsere stetig steigende Leserschaft mit News aus der nationalen wie internationalen Hartwurst-Szene. Freilich waren, respektive sind wir hier in der Schweiz gegenwärtig nicht die einzigen, die dieser Freizeit-Beschäftigung nachgehen, aber einigen davon ist der Schnauf längst ausgegangen. Dass Metal Factory immer noch da und vernetzter denn je ist, gebührt dem unermüdlichen Einsatz von Roxx, der auch das Metal Factory Festival aus dem Boden gestampft hat. Nachfolgend der Bericht, was an diesen zwei Tagen in Wetzikon über die Bühne ging und nicht zu vergessen, dass die Internet Radio-Station „Rockstation“ ihr 10-Jähriges mit uns zusammen feierte!



Warm-Up Shows (Freitag, 29.05.2015 – Erster Tag)
Der erste Abend in der Hall Of Fame war eher was für die Abteilung der Hardrocker mit metallischem Überzug gedacht. Auf dem Billing standen nämlich Crystal Ball als Headliner, die mit dem heutigen Auftritt gleichzeitig ihren Tourstart realisierten. Ein weiterer musikalischer Leckerbissen fuhr in der Form von The Order auf. Jeder, der die Band um den charismatischen Shouter Gianni Pontillo schon mal live gesehen hat, weiss um die Qualtäten des Baselbieter Quartetts. Den Anfang machten jedoch Victorius, eine junge Power Metal Band aus Leipzig. Pünktlich um 20.00 Uhr enterten die fünf Jungs vor noch ziemlich spärlicher Kulisse die Bühne und machten gleich einen auf dicke Hose. Frontmann David gebärdete sich dabei wie ein ganz Grosser, doch zu Beginn kam das Ganze ziemlich aufgesetzt daher, zumal die Gesangsstimme vor allem oben weg völlig fehlte. Teilweise wurde ich an Gloryhammers Thomas Winkler erinnert, nur dass sich dieser auch locker in hohen Lagen wohl fühlt. Was man den Ostdeutschen jedoch auf jeden Fall attestieren konnte, war die durchwegs melodiöse Note ihrer Songs und je länger der Auftritt dauerte, desto besser ging die Chose ins Ohr. Die Setliste bestand aus Songs der letzten zwei Alben «Dreamchaser» (2014) und «The Awakening» (2012). Um hier aber zum Beispiel an die Türe der Oberliga Marke Edguy nachhaltig anklopfen zu können, braucht es noch einiges mehr. Unter den Augen des „Ice Rock“ Chefs Fridu Gerber empfahlen sich Victorius unter dem Strich allerdings als durchaus valable wie bereits bestätigte Kandidaten für den Januar 2016 im Emmental. Dort wird dann wohl auch Stammschlagzeuger Rustam mit von der Partie sein, der heute Abend durch einen Kollegen mit Vornamen Fritz vertreten wurde.

Obwohl musikalisch mehr dem Hardrock zugewandt, zeigten The Order danach beinahe entlarvend auf, wo der Unterschied zu vorher lag. Die eingespielte Truppe kann von einem Moment auf den anderen den Schalter umlegen und losrocken, als wenn es kein Morgen gäbe. Wie üblich war der immer noch an einem Knie lädierte Bassist Andrej Abplanalp zu einigen Spässchen, vornehmlich mit Frontmann Gianni Pontillo, aufgelegt. Nach dem Ende von Pure Inc. entstand mit The Order der eigentlich noch stärkere Nachfolger. Der fliessende Übergang zwischen lupenreinem Hardrock und metallischen Anleihen ist stets fliessend und das Markenzeichen der Band, die einmal mehr eine ganze Latte Hits aus dem Ärmel schüttelte. Gitarrist Bruno Spring war kaum zu halten und pfefferte mit seinen Licks und Soli jedes noch so kleine Soundloch zu, die derweil Schlagzeuger Mauro Casciero ebenso wenig entstehen liess. Die Stimmung im Publikum war gut und liess erkennen, dass die Party nun so richtig abgehen konnte. Nach gut einer Stunde folgte die letzte Umbaupause des Abends und die Bühne wurde für Crystal Ball hergerichtet. Mit dem bärenstarken neuen Album «LifeRider» im Gepäck und dem neuen Gitarristen Tony „T.C.“ Castell (Ex-Krokus, Ex- Ain’t Dead Yet) am Start, liessen es die Innerschweizer dann heftig krachen. Eigentlich war die Situation schon bei der Vorgänger-Scheibe «Dawnbreaker» (2013) so, dass die einstigen Melodic Rocker nun, im Gegensatz zu früher, mit einer spürbaren Prise mehr Dreck ans Werk gehen und ihnen das mehr als nur gut zu Gesicht steht. Einen wesentlichen Anteil daran hat Shouter Steven Mageney, der seinen Vorgänger mittlerweile locker hinter sich lässt. Das gilt nicht nur für das neuere gemeinsam erarbeitete Songmaterial, sondern auch ältere Schoten wie das geniale «Hellvetia». Es bleibt nun schwer zu hoffen, dass Crystal Ball sprichwörtlich am Ball bleiben und wir künftig noch einiges mehr von ihnen sehen und hören werden.

Setliste Crystal Ball: «Intro» - «Balls Of Steel» - «Hellvetia» - «Mayday! » - «It's Not Love» - «Hold Your Flag» - «Rock Of Life» - «Powerflight» - «The Brothers Were Right» - «Stranded» - «Drum Solo» - «Zarathustra (Intro)» - «Break Of Dawn» - «Gods Of Rock» - «Back For Good» - «LifeRider» - «Eye To Eye» - «Paradise» -- «He Came To Change The World» - «Anyone Can Be A Hero».



Metal Factory Festival (Samstag, 30.05.2015 – Zweiter Tag)

Nachdem man sich am Vorabend gemütlich auf den bevorstehenden Haupt-Event einstimmen konnte, ging es heute Abend Schlag auf Schlag. Zu unserem 15. Jubiläum standen nicht weniger als acht Bands auf der musikalischen Speisekarte, die einen stilistischen Bogen zwischen zähflüssigen und rasenden Sounds schlugen. Um die eröffnenden Thrasher Suborned mit „unserer“ Lucie Werlen als Frontfrau nicht zu verpassen, musste man allerdings bereits um 17.15 Uhr auf der Matte stehen. So gegen zwei Dutzend Besucher fanden sich dann zu noch ziemlich hell rein scheinendem Tageslicht vor der „Rockstation Stage“ ein und sahen bereits einen sehr angeregten Auftritt, der trotz fehlender Stage-Monitoren keinen Deut an Intensität einbüsste. Für mich selber war es bezüglich Suborned die Live-Premiere schlechthin und ich hatte das Gefühl, dass die Band mit wuchtigerem Sound auf einer grösseren Bühne noch deutlich mehr ausrichten kann. Als zweite Band wären eigentlich Abinchova auf dem Programm gestanden, aber da einer der Musiker kurzfristig ausfiel, musste ein Ersatz her und der wurde in der Power Metal Band Atlas & Axis gefunden. Die Gruppe um die blonde Gitarristin Romana Kalkuhl ist sehr liveerfahren und nutzte die Gelegenheit, auf der grösseren „Metal Factory Stage“ entsprechend abzurocken. Obwohl Abinchova vom Stil her eine Abwechslung mehr abgegeben hätten, zog sich deren Ersatz mit grosser Spielfreude aus der Affäre. Mitunter wäre das eine oder andere Mal ein noch etwas fetterer Gitarren-Sound und zwingendere, respektive voluminösere Soli gefragt gewesen, aber Atlas & Axis waren weit mehr als nur ein Ersatz im heutigen Billing.


Heavy Bands aus dem Land der aufgehenden Sonne sind bei uns ziemlich selten anzutreffen und hätten Gonoreas im Winter 2014 keinen Live-Abstecher nach Tokio gemacht, wären Lightning wohl kaum in die Hall Of Fame gekommen. Das heutige Konzert war das dritte, nachdem die Nippon-Metaller zuerst im Ebrietas in Zürich und danach in der Met-Bar in Lenzburg ihre Aufwartung machten. Des Weiteren spielte Roxx den Fremdenführer und zeigte ein paar Ecken unserer Heimat. Somit stellte der heutige Auftritt den Höhepunkt des Schweizer Trips der japanischen Musiker dar und davon konnten sich bald alle Fans vor der Rockstation Stage überzeugen. Obwohl der zweite Gitarrist Kouta fehlte, machten Lightning ihrem Namen alle Ehre und powerten mit voller Kraft nach vorne. Kaum warm gespielt, zeigte Leadgitarrist und Co-Sänger Iron-Chino wo der Hammer hängt. Die Soli waren pfeilschnell und präzise zugleich. Schon bald übertrug sich die sichtliche Spielfreude auf das begeisterte Publikum, das immer lauter applaudierte. Frontmann IsamuMai gab ebenso Vollgas und der sichtlich junge (neue?) Bassist beanspruchte jeden Quadratzentimeter der kleinen Bühnenfläche. Zu mehrheitlich temporeichen Songs zeigten die Jungs aber auch bei etwas gedrosseltem Tempo und Keyboards ab Band, wie geil ihre Mucke ist. Dass bei den persönlichen Vorlieben Bands wie Loudness, Gamma Ray, Judas Priest, Megadeth oder auch Metallica wie gar Slipknot auftauchen, lässt ungefähr erahnen, wie Lightning klingen. Der Fokus liegt jedoch bei den erstgenannten Gruppen. Die gut fünfzig Minuten verflogen wie im Fluge und danach waren sich alle einig, das bisherige Festival-Highlight gesehen und gehört zu haben.


Mit Excruciation folgte danach tempomässig das pure Gegenteil! Der Kontrast hätte nicht grösser sein können. Selbst Lightning, die sich nachher am Merchandise-Stand einfanden, wähnten sich wohl im Vorhof der Hölle. Bei mir stand erneut eine (Live-) Premiere bevor, denn ich hatte die Schweizer Doom Death Metaller bisher noch nie gesehen, obwohl diese ihre Blütezeit zwischen 1984 und 1991 hatten. Danach verschwand die Truppe von der Bildfläche, um vor gut zehn Jahren die Fährte wieder aufzunehmen. Seither wurden weitere neue Alben veröffentlicht, die bei den entsprechenden Fans für überaus positive Resonanzen sorgen konnten. Eugenio Meccariello (v), Marcel Bosshart (g), Hannes Reitze (g), D.D. Lowinger (b) und Andy Renggli (d) liessen es auch beim Metal Factory Festival heftig und tonnenschwer krachen. Die zahlreich wehenden Haarmatten in den vorderen Reihen waren augenscheinlicher Ausdruck dafür, dass auch dieser Stil über zahlreiche Anhänger verfügt. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es bereits 21.00 Uhr geworden war und somit unser Jubiläums-Festival langsam aber sicher auf die Zielgerade einbog.

Mit den Aargauer Lokalmatadoren Gonoreas stand ein weiterer Live-Leckerbissen bevor, der sich nicht lange bitten liess. Die aktuelle CD «The Mask Of Shame» (2013) brachte ja den albummässigen Einstand des “neuen“ Frontmannes Leandro Pacheco mit sich, der sich inzwischen prächtigst entwickelt hat und die Band trotz dem Abgang von Rhythmus-Gitarristin Larissa „Larry“ Ernst (wieder) zu einer festen Einheit werden liess. Mit den Saiten-Derwischen Damir Eskic (g) und Pat Rafaniello (b) wurde einmal mehr eine Stunde feinster Power Metal zelebriert, bei dem man einfach nicht ruhig an Ort und Stelle verweilen kann. Angetrieben durch Leandro entstand der eine oder andere Circle-, respektive Moshpit, der mit der Zeit den mitten im Publikum stehenden Musikern von Lightning zu heftig wurde und sich diese aus „Gefahrenzone“ zurück zogen. Grund-sätzlich herrschte jedoch eine ausgelassene Stimmung und Damir wie natürlich auch Pat schmissen sich in die geilsten Posen. Sie liessen ihren Instrumenten keinerlei Verschnaufpause und selbst Iron-Chino (Gitarrist von Lightning) zeigte sich ob der Performance dieses absolut kongenialen Duos beeindruckt. Dahinter liess es Drummer Stefan Hösli ebenso krachen und nach einer weiteren schweisstreibenden Stunde war die Meute gerade richtig heiss für Poltergeist!


Wie doch die Zeit schnell vergeht! Ende Januar 2014 wohnte ich bekanntlich der livehaftigen Reunion der Basler Thrash-Ikone um GurD-Gitarrero V.O. Pulver auf hoher See (70000 Tons Of Metal) bei und seither ist schon weit über ein Jahr vergangen. Obwohl in der Zwischenzeit noch ein paar Konzerte gespielt wurden, gereichte es mir seit der Cruise erst zum unmittelbar nächsten Auftritt für mich. Bereits nach den ersten paar Minuten war nicht zu überhören, dass das Bandgefüge wieder optimal zu funktionieren scheint. Was auf hoher See noch etwas an Präzision vermissen liess, läuft wieder wie geschmiert. Die Performance war leichtfüssig wie gleichzeitig tight as fuck und die Songs kamen stets auf den Punkt. Frontmann André Grieder fühlte sich sichtlich wohl und das übertrug sich bald auch auf den Rest der Band. Dass die alten Songs immer noch über genug Pepp verfügen, war nicht zu überhören und zu meiner grossen Freude gab es nach dem Konzert das letzte Studioalbum «Nothing Lasts Forever» (1993) erstmals und ergänzt mit einigen Demos von 1987 und 1988 (als ukrainische Pressung!) auf CD für faire 20 Mäuse zu kaufen! Mal sehen, ob es vielleicht in der nächsten Zeit mal eine komplett neue Scheibe absetzen wird. Bis dahin gibt es die livemässige Volldröhnung, die in Wetzikon noch weiter auf die Spitze getrieben wurde. Sollte es bis zu diesem Zeitpunkt einen echten Metalhead-Nacken gegeben haben, der noch nicht auf Betriebstemperatur gekommen war, lief die Gnadenfrist mit Battalion definitiv ab.

Die aktuell bestpositionierte Schweizer Thrash-Band ist mit über 100 Konzerten definitiv durch das Stahlbad des „sich voll den Arsch abspielen“ gegangen und kann mittlerweile auch als Support von Slayer punkten und Wacken zum Palmares dazu zählen. Ob man es glaubt oder nicht, aber die Zürcher haben trotz exzellenten Alben nach wie vor keinen Deal und stehen demnach immer noch im Status „unsigned“! Trotz spürbar gelichteter Reihen vermochten Battalion noch die letzten vorhandenen Energie-Reserven zu mobilisieren und machten keine Gefangenen. Auch sie trotzten dem unplanmässigen Fehlen der Monitore mit professionellem Verhalten und der „Ad-hoc-Mischer“ Damir Eskic eliminierte diese an sich heikle Vakanz hinter dem Mischpult der Rockstation Stage mit Bravour! Dieser hatte eh noch nicht Feierabend, denn als Sahnehäubchen standen als Festival-Closer nämlich noch Damir’s Rising Force auf der Running Order. Der Bandname nimmt natürlich direkten Bezug auf die eine musikalische Spielwiese des schwedischen Guitar-Heros Yngwie J. Malmsteen. Einige dieser Songs wurden durch die letzte Band des Metal Factory Festivals fulminant vorgetragen und durch den ehemaligen Killer-Shouter Andy Lickford gesanglich optimal unterstützt wie vorgetragen. Beim abschliessenden Rainbow-Klassiker «Kill The King» überliess er das Mikro Leandro Pacheco, der sich auch hier keine Blösse gab und für einen würdigen Schlusspunkt sorgte.



Gegen morgens um halb zwei ging das Metal Factory Festival zu Ende und trotz der einen oder anderen organisatorischen Ungereimtheit und dem Umstand, dass mit klar mehr Leuten gerechnet wurde, fiel die Bilanz insgesamt dennoch zufriedenstellend aus. Dass am gleichen Abend, wie vor fünf Jahren schon, Eluveitie (in Zug) ebenso live aufspielten, war sicher suboptimal, aber die sonst tadellose "Hall Of Fame" dürfte mit Sicherheit einigen sonst potenziellen Besuchern zu weit weg gelegen sein. Mein eigenes Haupt fiel in der Nacht auch erst gegen halb vier Uhr morgens ins Kissen. Unser Jubiläum (15 Jahre) und das von Rockstation (10 Jahre) sind nun Geschichte und was in fünf Jahren, auch mit der gesamten Szene, sein wird, soll nicht vorweg genommen werden.