Livereview: Megadeth - Havok

15. Juni 2016, Pratteln – Z7
By Tinu
Auch wenn zum gleichen Zeitpunkt in Zürich Black Sabbath ihre «The End»-Tour spielten, tummelten sich im Z7 sehr viele alte und neue Thrasher, die sehnsüchtig auf Dave Mustaine und seine Mannschaft warteten. Es war interessant zu sehen, wie gemischt das Publikum war und sich einem doch eher technisch versierten Sound zugeordnet sieht. Schaut man sich die Setlist an, stellt man fest, dass Dave sich wieder vermehrt auf seine alten Tage konzentriert, dabei das neue Album «Dystopia» in den Mittelpunkt stellt und leider Gottes, die in meinen Augen hervorragende Zeit von «The System Has Failed» - «United Abominations» und «Endgame» völlig aussen vor lässt. Dass sich Mr. Mustaine nicht unbedingt um die Songs von «Risk» kümmert, kann sicherlich damit begründet werden, dass diese Scheibe nicht nur in der Gunst der Fans ziemlich durchfiel. Auch die beiden letzten Studioscheiben «Th1rt3en» und «Super Collider» fanden keine Beachtung, was allerdings ziemlich überraschend war.

Havok
Bevor aber Megadeth die Bühne betraten, standen die Denver Jungs von Havok auf der Bühne. Das Quartett rotzte sich ziemlich rüpelhaft durch ihr Set. Slayer scheinen dabei die grossen Vorbilder zu sein, an denen Havoc aber nie vorbei kommen werden. Die Herren präsentierten ihre bangenden Haare, bewegten sich viel auf der Bühne und liessen durch ihre messerscharfen Riffs aufhorchen. Dabei zertrümmerten die Doublebass-Drums alles, was sich ihnen in den Weg stellte, und somit wurde das Set der Ami-Boys recht schnell eintönig, monoton und langweilig. Für meine Wenigkeit erneut der Beweis, dass es ab der dritten Generation der Thrash-Bands keine Combo auch nur im Ansatz mehr fertig bringt, interessante Songs zu komponieren. Solche, die neben der Härte auch die Eingängigkeit nicht vermissen lassen. Das Übel liegt aber auch an der keifenden und monotonen Stimme von David Sanchez. Alles in allem boten Havoc zwar einen wilden Gig, der aber schnell in Vergessenheit geriet, wenn man sich den Headliner zu Gemüte führte.

Megadeth
Mit einem grossen Bühnenaufbau, zwei Videoscreens, einem majestätischen Megadeth-Schriftzug als Backdrop und dem Bandmaskottchen Vic Rattlehead, das seinen Auftritt im Anzug bei «Peace Sells» hatte, bot der Headliner eine tolle Show, die zu jeder Sekunde auf der Musik aufgebaut war. Neutrommler Chris Adler haute mit einer unglaublichen Wucht auf sein Arbeitswerkzeug ein. Dabei donnerte die Doublebass-Drum und gab den Takt vor. Mit Dave «Junior» Ellefson steht nach wie vor ein langjähriger Weggefährte von Dave auf der Bühne, der mit seinem sehr fetten Bassspiel den Sound von Megadeth über all die Jahre stark prägte. Man denkt da nur an die Bass-Einleitung zu «Peace Sells» oder jene von «Trust», die heute jedes Kind im Schlaf nachpfeifen kann. Mister Ellefson ist der Sympathikus auf der Bühne, einer der oft seine Position auf der Bühne wechselt und die Fans stetig animiert. Hier geht der Bandleader, Mister Mustaine, doch ein bisschen, sagen wir mal, verhaltener ans Werk. Der singende Leadgitarrist, dessen Gesicht man dank seiner langen Haare selten sieht, gibt den Platz vorne an der Bühne gerne seinen Mistreitern frei. Dabei steht er auf der linken oder rechten Bühnenseite, damit sich Dave und Kiko in der Mitte der Stage platzieren können oder begibt sich bis hinten an den Drumriser.

Trotz all dem ist Mister Megadeth noch immer der musikalische Antreiber der Truppe, glänzt mit seiner solistischen Art ebenso wie mit seinen Riffs. Dass er noch nie der ganz grosse Sänger war, ist nichts Neues, aber auch das passt bestens zu Megadeth, denn ein anderer Schreihals wäre in dieser Band kaum vorstellbar! Was früher auch kaum vorstellbar gewesen ist, ist, dass Dave sich mit dem Publikum unterhält. Aber an diesem Abend verwandelte sich Dave zu einer richtigen Quaseltante im Z7. Mister Mustaine unterhielt sich ausgiebig mit dem Publikum, gab zahlreiche Erklärungen zu den Songs ab oder bedankte sich beim Publikum fürs Erscheinen. Dass dabei das Lieblingsthema von Dave, der mittlere Osten, nicht fehlen durfte, war so sicher, wie das Amen in der Kirche. Auch wenn diese Thematik an diesem Abend sehr kurz behandelt wurde. Mit Kiko Loureiro von Angra hat Dave einen verdammt guten Schachzug getätigt. Der Ersatz von Chris Broderick, der wahrlich kein schlechter Saitenderwisch ist, kann definitiv alles spielen. Mit Kiko kommt auch das leicht jazzige Flair zu Megadeth zurück, welches bei den ersten drei Alben ein wichtiger Punkt war. Mister Loureiro spielte mit einer Leichtigkeit und Freude, die sich sofort aufs Publikum übertrug. Zusammen mit Dave solierte der Brasilianer hervorragend und liess die verspielten, komplizierten und göttlichen Gitarrenmomente nochmals um einiges erhabener erklingen, als bei den eh schon genialen und fantastischen Vorgänger-Gitarren-Duos von Megadeth. Unglaublich, mit welcher Leichtigkeit sich Kiko in der Band integrierte und dazu beiträgt, dass die genialen Vorgängerbesetzungen durch die neuen Leute nicht Schiffbruch erleiden, sondern die Band auf den nächsten Level hievt.

Mit einem Hammerlicht, einem tollen Bühnenaufbau und «Hangar 18» wurde der Set an diesem Abend eröffnet. Von der ersten Sekunde an wusste man, dieser Abend gehört zu den Sternstunden der Musikgeschichte. Das lag auch an den neuen Tracks wie «Poisonous Shadows», der mit seiner Dramatik kaum zu übertreffen ist. Alleine der Eröffnungsdreier mit dem schon erwähnten «Hangar 18» - «Wake Up Dead» (was für eine packende Gitarrenarbeit) und «In My Darkest Hour», bei dem erneut die wandelbare musikalische Art von Megadeth lebendig wurde, entsprach einem dreifachen Hosianna. Am lautesten waren die Fanreaktionen bei «Sweating Bullets» und dem Abschlussdreier «Symphony Of Destruction» - «Peace Sells» und «Holy Wars» sowie dem von den Fans lautstark mitgesungenen «A Tout Le Monde». Speziell auch hier kam die versierte Art von Kiko zum Tragen, als er den Song mit seiner feinen akustischen Art einleitete. Mit vielen Videoeinspielungen wurden den Songs noch mehr Ausdruck verliehen und als am Schluss von «Peace Sells» Vic auf die Bühne kam und mit seinem Anzug und der beidhändigen Pommes-Gabel für eine noch grössere Stimmung sorgte, kannte die Euphorie im Z7 kein Halten mehr. Megadeth sind in dieser Form unbezwingbar. Alleine den Mut zu haben, wichtige Songs nicht in den Set zu integrieren oder auf Kracher wie «Devil's Island» - «Good Morning/Black Friday» oder «Hook In Mouth» zu verzichten, die Kiko locker spielen kann, bedeutet mutig zu sein. Aber auch Tracks wie «Back In The Day» - «Washintong Is Next» oder «Gears Of War» könnten den Weg in die Setliste ruhig wieder mal finden. Das Jammern jedoch findet auf einem sehr hohen Level statt, denn das Konzert an diesem Mittwochabend wird mir aus vielen Gründen stetig in Erinnerung bleiben!

Setliste: «Hangar 18» - «Wake Up Dead» - «In My Darkest Hour» - «The Threat Is Real» - «She-Wolf» - «Post American World» - «Sweating Bullets» - «Poisonous Shadows» - «Trust» - «A Tout Le Monde» - «Dystopia» - «Tornado Of Souls» - «Fatal Illusion» -- «Symphony Of Destruction» - «Peace Sells» - «Holy Wars... The Punishment Due»