Livereview: Hardline - FIre Rose

25. Mai 2019, Pratteln – Z7
By Tinu
Du meine Güte! Da biegt man auf den Parkplatz des Z7 ein, will gerade das Fahrzeug seines Vertrauens verlassen, als der liebe Gott kurzerhand einen Blasenriss hat und es wie aus Kübeln giesst. Dies dauerte knapp vierzig Minuten, bis sich Petrus schliesslich ausuriniert hatte und mehr oder weniger alle Besucher trocken ins Z7 gelangten. Dieser Samstagabend sollte die Fans jedoch nicht nur wegen des Regens in Erinnerung bleiben, sondern auch weil Hardline eine wirklich sagenumwobene Show boten. Sah man sich die Setliste im Vorfeld an, musste man sich allerdings Sorgen machen, ob die Truppe überhaupt auf eine Spielzeit von headlinerwürdigen neunzig Minuten kommen wird. Aber durch ausschweifende Soloparts (unter anderem ein wundervolles Gitarrensolo bei «In The Hands Of Time») und vielen verbalen Zwischenakten, ausgehend von Johnny oder auch Alessandro ("Yes, do it again… Ale-ssandro"), blieb der Gig sehr abwechslungsreich und kurzweilig.

Fire Rose
Ich denke, dass ich Fire Rose in der letzten Zeit einfach zu oft gesehen habe. Die Jungs aus dem Baselbiet spielen sicherlich guten Hardrock, bei dem der Gesang und die Gitarren im Mittelpunkt stehen. Auch wenn ich mich mit Sänger Philipp so langsam anfreunden kann, der Sound klingt für mich recht austauschbar. Ja ich weiss, man sollte einheimischen Truppen auch eine Möglichkeit geben. Aber wo setzt man die Messlatte an? Bei den internationalen Acts als Vergleich oder beim helvetischen Bonus, sprich dass nicht immer alles so gut sein muss wie bei den Grossen? Das Kriterium bleibt doch, das mich eine Combo faszinieren muss, ich nach Hause gehe und mir gleich die Alben anhören will, weil ich nach einem Konzert nicht genug von ihr kriegen kann, oder? Dieser Effekt blieb bei Fire Rose aber definitiv aus. Anhand der Fans mit Fire Rose-Shirts zog der Lokal-Bonus bestens. Also die Tracks rockten und Philipp bemühte sich, die Fans schnell auf seine Seite zu ziehen (an den Ansagen arbeiten wir noch ein bisschen) und die Truppe gab ein gutes Bild auf der Bühne ab. Trotzdem sah man einige Leute, die sich lieber draussen ihren Zigaretten widmeten, als sich drinnen die Band anzuschauen. Ja, es ist nicht einfach vor Hardline auf die Bühne zu steigen, die mit einem solchen tollen Shouter und Entertainer gesegnet sind. Aber was sich als eher schwierig anmutet, kann durchaus eine Möglichkeit sein. Wenn jetzt das Zusammenspiel (Posing) noch "angriffiger" wirkt (Anna Portalupi zeigte es wenig später, wie man mit gekonnter Bühnenperformance auf sich aufmerksam machen kann), dann haben die Herren einiges, was sie positiv in die Waagschale werfen können. Hat man die Basler aber in der letzten Zeit einige Male gesehen, so wirkt das Ganze (noch) ein bisschen zu verhalten. Ein guter Gig, der durchaus Laune macht, der aber ohne den eigenen "Fan-Club" wohl kaum so gut ausgefallen wäre.


Hardline
Er zieht die Frauen in Scharen an. Er, Mister Johnny Gioeli, den die Meisten eigentlich durch Axel Rudi Pell kennen lernten. Seine ersten Fussstapfen waren aber bei Brunette und eben Hardline, die mit dem Debütalbum «Double Eclipse» mehr als nur einen Achtungserfolg verbuchen konnten. Damals noch mit Neal Schon (Gitarre, Journey) und Deen Castronovo (Drums, The Dead Daisies) in der Mannschaft, begeisterte Johnny die musikalische Welt mit flottem Hardrock. Heute hat sich im Bandgefüge alles von Amerika nach Italien verlagert, sprich mit Keyboarder Alessandro Del Vecchio, Bassistin Anna Portalupi und den beiden Neuzugängen Gitarrist Mario Percudani und Schlagzeuger Marco Da Salvia spielen nur noch Stiefelinsulaner in der Truppe mit. Vielleicht hat sich die Band noch nicht ganz so gefunden, wie noch vor einiger Zeit mit Francesco Jovino (Primal Fear) oder Josh Ramos, aber den Spassfaktor erlebte ich bei Hardline nie in einem dermassen grossen Ausmass wie an diesem Abend. "This band is my family" liess Mister Gioeli verlauten und während dies bei anderen Combos bloss ein Lippenbekenntnis wäre, spricht hier ein Sänger aus tiefstem Herzen.

Ein grosser Augenschmaus ist Anna, die mit ihrem heissen Outfit nicht geizte, aber auch mit einem extrem fetten Groove aufspielte. Die Lady grinste immer wieder und sah sich den Flirtattacken ihres Sängers ausgesetzt, der mit viel Schalk an diesem Abend auf der Bühne stand. So fragte er: "Are there any Axel Rudi Pell fans here?, worauf Alessandro antwortete: "GO HOME!" und Johnny konterte: "…sorry, this are my friends". Es war diese Leichtigkeit und Fun, der aus diesem Konzert etwas anderes, etwas Menschlicheres machte. "I'm fucking crazy. Ich bin ein bisschen verrückt (auf Deutsch)". "I was 12, as I record this album… Really! This leg was 12 and the other was 12. Look at this girl, she thinks, he's a liar! I was!", es war diese lockere Art, welche Johnny sehr sympathisch, ja schon fast freundschaftlich erscheinen liess. Wie auch bei der Bandvorstellung, als Johnny die sexiest Person vorstellte (alle dachten natürlich, es gehe um Anna), er aber Marco meinte… Nicht nur seine Sprüche, sondern auch seine Performance hinterliess offene Mundwinkel. Johnny ist ein wildes Tier, ein verrückter Teufel auf der Bühne, der immer wieder zur Gefahr für seine Mitmusiker wurde, wenn er herumrannte, aufsprang und seine wilden Karate-Moves vorführte. Zudem sang er unglaublich gut. Vielleicht etwas rauer als auf CD, aber sicher nicht mindern emotional bei den Balladen. Speziell «Take You Home» muss hier erwähnt werden, bei dem er sich ein Gesangs-Duett/-Duell mit Alessandro lieferte, das wirklich unter die Haut ging. Wem dies nicht reichte, wurde persönlich von Johnny begrüsst, als er in den Fotograben sprang und dort seinen (weiblichen) Fans sehr, sehr nahe war. Er bedankte sich immer wieder bei den Fans. Er wusste, und dies kam aus tiefster Seele, wem er es zu verdanken hat, dass er noch immer auf der Bühne stehen kann. Seinen speziellen Dank widmete er auch dem Z7: "Wir spielten in Schweden, in Slowenien und in Deutschland, aber ich konnte es kaum erwarten, wieder hier bei euch im Z7 zu spielen".

Die Truppe spielte Melodien für Millionen. Bedeutete, auch wenn die Konzertfabrik vielleicht doppelt so viele Besucher wie das letzte Mal hatte, dass es unverständlich bleibt, wieso alle noch immer Bon Jovi hinterher hecheln, obschon Hardline schon lange die bedeutend besseren Songs komponieren und diese mit mehr Emotionen und Härte versehen. Ob dies dann das wie ein schleichender Panther daher kommende «Dr. Love» ist, das fetzige «Everything», das groovige «Takin' Me Down», der flotte Opener «Place To Call Home», das wundervolle balladeske «In The Hands Of Time» mit dem bereits erwähnten, unglaublichen Gitarrensolo oder der Oberhit «Hot Cherrie». Die Truppe rockte das Z7 in seine Grundmauern. Das freute nicht nur die Gewinnerinnen, welche den Soundcheck und das gemeinsame Abendessen mit Hardline geniessen konnten, sondern alle Anwesenden, die lauthals mitsangen. Ein Song von «Danger Zone», zwei Tracks von «Human Nature», drei vom neusten Streich «Life» und logischerweise sieben Lieder von «Double Eclipse» liessen diesen Abend zu etwas ganz Speziellem werden. Es war nicht nur die Musik, oder die Band, welche überzeugten. Sondern die Art und Weise, wie fannah sich Hardline präsentierten und mit welcher Freude sie auf der Bühne standen. Von solchen Konzerten stammen die Geschichten, welche man seinen Enkeln noch lange danach erzählen kann. Und sollte dies bei mir einmal der Fall sein, wird dieser Gig sicher immer wieder erwähnt werden!

Setliste: «Place To Call Home», «Takin' Me Down», «Dr. Love», «Take A Chance», «Where Will We Go From Here», «Page Of Your Life», «Life's A Bitch», «In The Hands Of Time», «Take You Home», «Everything», «Hot Cherrie», «Fever Dreams», «Rhythm From A Red Car»