Livereview: Hanzel & Gretyl - Hellfire Society
04. November 2010 Zürich, Dynamo Werk 21
By Toby S. und Maiya R.B.
Ein Konzert von den durchgeknallten Amis von Hanzel und Gretyl ist schon etwas sehr Spezielles, was durchaus positiv wie negativ gewertet werden kann. Die einen werden sich ob der plakativen, bemühten Texte, welche aus einem wirren Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch bestehen, und der optischen Annäherung an diverse Armee-Zeiten enervieren, andere jedoch sehen dies gelassener als eine weitere Form der Unterhaltung, welche definitiv nicht bierernst genommen werden darf. Bier wird auch noch im weiteren Verlauf des Abends eine wichtige Rolle spielen, jedoch zuvor enterten die Italiener von der Höllenfeuergesellschaft die Bühne im schnell stickig gewordenen Keller des Dynamo.

Hellfire Society

Diese Jungs hatten wahrlich einen schweren Stand, denn die meisten der heute Abend angereisten Metalheads waren gekommen, um Hanzel und Gretyl zu sehen. Nichts desto Trotz wurde auf der winzigen Bühne vor dem Backdrop des Headliners gerockt wie Sau. Man merkte den Jungs an, dass sie gekommen waren, um Musik zu machen, egal, wie viele Leute im Publikum sein werden. Diese Haltung gilt es zu loben, denn es waren gerade mal gefühlte 15 Leute vor der Bühne, welche auch mehr apathisch denn euphorisch wirkten. Man wippte zwar mit, einige bangten sogar sachte, aber von grossen Emotionen zu reden wäre doch ein wenig übertrieben. Der Sound der Italos, eine Mischung aus Marilyn Manson, Kampf-Samplern und Nine Inch Nails, wurde ohne Schnörkel und Umwege ins Publikum abgefeuert. Man könnte sich denken, dass es zwar eine Ehre für die Jungs gewesen sein muss, als Vorband einer in Insiderkreisen doch recht beliebten Truppe aufzutreten, jedoch schienen sie etwas erleichtert zu sein, als sie den letzten Song ankündigten und danach ohne Umschweife die Bühne verliessen.

Hanzel und Gretyl
Nach einer kurzen Wartepause war es dann soweit: Die Amis mit soweit ersichtlich zwei Protagonisten erklommen die Bretter, die die Welt bedeuten, um ihr ebenso skurriles wie unterhaltendes Programm darzubieten. Wie es schien, konnten sie ihren Schlagzeuger nicht mitbringen, da er die Reise nicht berappen konnte. Dumm gelaufen, aber dank dem im Hintergrund laufenden Computer mit allen nötigen Samples war dieser Verlust mehrheitlich ausgeglichen. Gitarrist und Background-Sänger Kaiser von Loopy, stilecht mit Helm und Augenschutz sowie angemessenem Anzug, machte sich neben Gitarristin und Sängerin/Grunzerin Vas Kallas daran, das Dynamo sowie die doch recht zahlreich erschienen Metaller in Grund und Boden zu ballern. Vas Kallas, gekleidet in ziemlich engem Lack und Leder sowie knallroten Haaren, bangte und brüllte sich durch die Songs, dass man meinen könnte, ein Mann würde das Mikro würgen. Zwischen den Liedern wurden verschiedene Sampler eingespielt, mal ertönte ein Kriegsmarsch, dann wiederum uraltes Liedgut aus der Vorkriegs-Ära (stilecht mit dem für einen Plattenspieler typischen Rauschen und Knacken), während Vas Kallas und Loopy auf der Bühne marschierten und ihre deutsch-englischen Sprachkenntnisse zum Besten gaben (Beispiel: „Lederhosen macht frei!“). Immer mal wieder schmiss Loopy ein Bier in die Menge, welches eine treue Handlangerin von der Seite aus reichte. Passend dazu trank er ebenfalls Gerstensaft aus einem gläsernen Stiefel und er hätte ihn beinahe im Rausch der Show zerdeppert, wäre da nicht die Assistentin rechtzeitig eingesprungen. Zwischendurch war von der Bühne fast gar nichts mehr zu sehen, weil dermassen viel Kunstnebel verballert wurde – dies tat jedoch der Stimmung keinen Abbruch, der Sound kam nach wie vor druckvoll und sehr basslastig aus den Boxen. Etliche Bierdosen und auch Bierduschen später war dann das Programm von Hanzel und Gretyl beendet, eine Show, welche von den Kontroversen wie auch dem Humor lebt. Fazit des Abends: Man kann sehr wohl provozieren und dabei das nötige Mass an Abstand halten. Hanzel und Gretyl sind effektiv eine Sache für sich, und dennoch kann eigentlich nur jedem empfohlen werden, sich solch eine Show mal anzusehen, denn technisch gesehen war alles absolut ok und der Humor ist zwar speziell, aber trotzdem unterhaltsam. In diesem Sinne: Prost!