Livereview: Dream Theater

14. Februar 2020, Dübendorf (ZH) – Samsung Hall
By Rockslave


Die amerikanischen Prog Metal Matadores traten ja letztes Jahr im Juni im Rahmen der "Z7 Summer Nights" in der Schweiz auf. Da ich anfangs des Monats bereits am Sweden Rock Festival zum Handkuss kam, liess ich diese CH-Sause aus. Mit dem aktuellen Album «Distance Over Time» (2019) beschreiten Dream Theater den Pfad der Tugend wieder, zum Glück! Das Vorgänger-Epos «The Astonishing» (2016) zeichnete sich bekanntlich mehr durch belanglose Länge als kompositorische Finesse aus. Man musste fast schon befürchten, dass Dream Theater die Luft ausgeht, aber das passierte, wie inzwischen überzeugend widerlegt, nicht. Mag ja sein, dass nicht wenige Musikfans auch die ruhigere Seite der Amis mögen, doch mitunter passt es auch mir eindeutig mehr, wenn die Stilbezeichnung "Progressive Metal" auch entsprechend zelebriert wird. Im Februar 2017 wurde an gleicher Stelle das 25-jährige Albumjubiläum des Backkatalog-Klassikers «Images And Words» begangen, und heuer war entsprechend «Metropolis Pt.2: Scenes From A Memory» an der Reihe, das auch schon über zwei Dekaden alt ist und, ergänzt mit ein paar neuen Songs, ebenso komplett durchgespielt wurde!

Dream Theater

Die Samsung Hall mit einem Fassungsvermögen von 5'000 Fans ist im Raum Zürich, nach dem Hallenstadion, die grösste Eventhalle. Aufgrund des Vorverkaufes, respektive den heute rund 2'000 gekommenen Besuchern hätte die Halle 622 (in Oerlikon) längstens dafür ausgereicht. Bezüglich der Akustik war die Wahl der so nicht mal halb gefüllten Location in Dübendorf dennoch die richtige Entscheidung. Da sich das Stehplatz-Publikum mindestens zu Beginn vornehmlich im Bereich rechts von der Mitte versammelte, erhielt man so den vermeintlichen Eindruck, dass mehr Leute da sind. Wer sich dann allerdings mehr nach links bewegte, fand plötzlich viel Platz um sich herum. Dort war dann auch meine Wenigkeit nach dem Tipp eines Kollegen anzutreffen. Der heutige Abend versprach einiges, und die eingefleischten Anhänger der Band freuten sich sichtlich darauf. Dass das Konzert von einer Pause unterbrochen wird, war zum Voraus nicht bekannt, konnte aber aufgrund der Affiche des heutigen Abends nachvollzogen werden. Bevor die knapp achtzig Minuten von «Metropolis Pt.2: …» jedoch in Angriff genommen wurden, setzte erstmal «Untethered Angel» als Konzert- wie Album-Opener von «Distance Over Time» den ersten musikalischen Markstein. Der optische Blickfang auf der Bühne hingegen war, nebst dem gemäss dem Cover der neuen Platte skullbehangenen Mic-Ständer von Frontmann James LaBrie, wiederum das mönströse Schlagzeug von Trommler Mike Mangini. Tasten-Gott Jordan Rudess hatte derweil wieder seine "Wagenburg" in Stellung gebracht und für Saitenzauberer John Petrucci, der schon eine Weile einen stattlichen Bart im Gesicht hängen hat, musste bloss wieder seine Box am Bühnenrand stehen haben, um seine Lieblingsstellung beim Spielen einneh-men zu können, vor allem beim Solieren. Bassist John Myung brauchte derweil nur sein Instrument und ein paar wenige Quadratmeter Platz, um sich voll entfalten zu können.

Unterstützt durch eine hinten hoch oben befestigte fette Videowand und gutes Licht, das allerdings einmal mehr erst nach dem Verlassen des Fotograbens richtig in Szene gesetzt wurde, nahm der erste Teil der Show rasch Fahrt auf. Während die Instrumentalisten keine Aufwärmphase benötigten und von Anfang an von null auf hundert ablieferten, dauerte es hingegen ein Weilchen, bis die Stimmbänder von James LaBrie auf Betriebstemperatur waren. Danach lief es wie am Schnürchen, wobei mir das Ganze teilweise zu wenig Seele enthielt und etwas zu routiniert runtergespult vorkam. Das Publikum, das überwiegend aus Prog-Nerds oder zumindest Fans dieses Stils bestand, antizipierte jedoch gut, und so entwickelte sich alsbald die richtige Stimmung in der Halle. Im ersten Teil wurden mitunter vier neue Tracks gespielt, darunter «Paralyzed», wo der Gitarrensound schon fast düster, wie zu Zeiten von «Train Of Thought» daher kam und man beim Solo wie insgesamt aber wieder Dream Theater pur geniessen konnte. «Pale Blue Dot» als letzter Track vor der Pause setzte da nahtlos an und liess die Prog-Gemeinde in Glückseligkeit schwelgen. Auch wenn LaBrie gewisse Höhen nicht mit letzter Konsequenz performte, zog dieser an diesem Konzert mit Sicherheit einen guten Abend ein. Ich würde an dieser Stelle zu keiner Zeit und aus welchem Grund auch immer einen allenfalls anderen Sänger hören wollen. Und dann kam er eben, der stimmungskillende Unterbruch, der höchs-tens als Pinkelpause Sinn machte. Nach rund zwanzig Minuten, respektive einer gefühlten Ewigkeit ging das Licht in der Halle zum zweiten Mal aus, und dann legten die Amis ihr fünftes Studioalbum am Stück hin, fast achtzig Minuten Prog der Güteklasse eins. Die total neun Szenen, die in zwei Acts unterteilt sind, boten alles, was das Fanherz begehrt. Dream Theater gaben sich hierbei keine Blösse und zeigten eindrücklich auf, warum sie zu den Grössten ihres Genres zählen.

Bei all der faszinierenden Technik und dem grandiosen Zusammenspiel fehlten hinten raus aber die wirklichen Hits der Marke «Pull Me Under», «Take The Time» oder der Track «Metropolis –Part 1», die alle auf «Images And Words» zu finden sind. Hauptsache ist aber, dass Dream Theater ihre Fanbase mit «Distance Over Time» wieder beruhigen wie gleichzeitig begeistern konnten. 2022 wäre es dann soweit, dass «Six Degrees Of Inner Turbulence» zwei Dekaden alt ist. Ob man damit dann im gleichen Rahmen wie jetzt auf Tour gehen wird, sprich in den Genuss des ganzen Doppelalbums käme, wird sich zeigen. Bleibt zu hoffen, dass die Gerne-Ikonen noch eine Weile im Zirkus mitmischen, denn von wegen "die Luft sei raus", wie zu Beginn erörtert. Das kann nach dieser Tour locker verneint werden.

Setliste: Atlas (Instrumental Intro)» - «[Act 1:] Untethered Angel» - «A Nightmare To Remember» - «Paralyzed» - «Barstool Warrior» - «In The Presence Of Enemies, Part I» - «Pale Blue Dot» - (Pause 20 Min.) » - «[Act 2] (Metropolis, Part 2: Scenes From A Memory): «Act I: Scene One: Regression» - «Act I: Scene Two: I. Overture 1928» - «Act I: Scene Two: II. Strange Déjà Vu» - «Act I: Scene Three: I. Through My Words» - «Act I: Scene Three: II. Fatal Tragedy» - «Act I: Scene Four: Beyond This Life» - «Act I: Scene Five: Through Her Eyes» - «Act II: Scene Six: Home» - «Act II: Scene Seven: I. The Dance Of Eternity» - «Act II: Scene Seven: II. One Last Time» - «Act II: Scene Eight: The Spirit Carries On» - «Act II: Scene Nine: Finally Free» -- «At Wit's End».