Livereview: Dover - She-Male Trouble
8. Mai 2002   AbaRt Zürich
By Rockslave

Dieser Tag war bei mir von einigem Stress begleitet. Da kam es somit wie gerufen, dass ich bisher noch nie (solls geben solche Sachen!) im Abart war und diesen Laden zuerst noch finden musste, und das an einem Freitag Abend durch den Zürcher Abendverkehr hindurch! Es klappte schliesslich durch Geduld und brachte die Erkenntnis, dass dieser Ort eigentlich gut zu finden ist.

An diesem Abend standen also (nach Héroes del Silencio) die neuen spanischen (Alternativ-) Rock-Helden auf dem Programm. Ich lernte diese geniale Combo erst mit ihrem dritten Werk "Late at Night" von 1999 kennen. Diese Scheibe haute mich damals echt aus den Socken (und dabei kannte ich noch nicht mal den in ihrer Heimat über 500'000 mal verkauften Vorgänger "Devil came to me"!) und machte den neuerlichen Besuch der Kult-Band aus Madrid bei uns zur Pflicht für mich. Ich kenne keine Gruppe, die brachiale Power mit lieblichen Ohrwurm-Melodien so nahe beieinander halten kann. Das wird möglich durch das Geschwisterpaar Christina (g, voc) und Amparo Llanos (g, voc), ergänzt durch Alvaro Diez (b) und Jesus Antunez (d). Diese Kombination hat eine Perle der Alternativ-Szene geschaffen, die praktisch alles weit hinter sich lässt, was es auf diesem Gebiet gibt und stellt zudem ein unglaubliches Potenzial in Aussicht. Ihr glaubt mir nicht? Dann geht hin und fragt irgend jemanden der etwa 550 Leute (!!!), die Zeugen dieses ultimativen und total ausverkauften Auftritts geworden sind!

Bevor es jedoch soweit war, stiegen She-Male Trouble aus Deutschland auf die Bretter, um den Konzertabend zu eröffnen. Das Gedränge vor der Bühne des Abart war bereits ordentlich und die niedere Decke vermittelte ein zusätzliches Engegefühl. Der Punk-Rock, eigentlich mehr Rock als Punk, der sich oftmals nach den alten Motörhead anhörte, kam beim Publikum gut an und heizte die Meute entsprechend auf. Die Vocals von Sängerin Carola hörten sich dann und wann nach der seligen Wendy O'Williams (R.I.P.) an, wennauch dessen Rauhheit fehlte. Nichts destotrotz versprühte die ganze Band viel gute Laune und wurde lautstark abgefeiert.

Was nach der Umbaupause folgte, lässt sich kaum beschreiben. Praktisch von der ersten Sekunde an (Opener: "My secret People") bebte der Laden und eines der intensivsten Konzerte, das ich je gesehen hatte (ausser Slayer, üüürgggghh..), nahm seinen Anfang. Amparo pfefferte, unterstützt von Christina tonnenweise messerscharfe Riffs in den Schmelztiegel vor der Bühne hinein, die man ihr von der eher zarten Postur her nie zugetraut hätte. Gleichzeitig kamen immer wieder total ruhige Parts mit den unverwechselbaren Vocals von Christina (und Amparo), die das Markenzeichen des Dover-Sounds bilden. Die Rhythm-Section mit Alvaro und Jesus powerte ohne Ende und lieferte den Teppich für die Llanos-Sisters. Das Publikum schien überraschenderweise gut mit dem Material vertraut zu sein und sang quasi bei jedem Song (!) lauthals mit. Und da wären wir beim zentralen Punkt angelangt, was das Spezielle von Dover ausmacht. Die Ohrwurmqualität des Songwritings ist beängstigend! Der Lärmpegel am Ende der Songs steigerte sich ständig und nahm in der Folge gigantische Ausmasse an. Nach kurzer Zeit wirbelten ausserdem pausenlos zuckende Körper (zuerst nur Jungs und später folgten auch einige Mädels!! *sic*), getragen von dutzenden von Händepaaren über den Köpfen der Menge umher und die wirklich fanfreundliche Security (!) betrieb lediglich Schadensbegrenzung und spedierte solche, die der Bühne zu nahe kamen, wieder ins Gewühl zurück. Allerdings gestaltete sich dieses Crowd-Surfen nicht ungefährlich, da die an der wirklich niederen Decke befestigten Scheinwerfer etliche Male von Füssen getroffen wurden und deswegen vereinzelt gar ihren Dienst aufgaben. Glücklicherweise kam aber niemand zu Schaden und dieser Killer-Gig konnte ungehindert seinen Fortgang nehmen.

Die Temperatur, geschwängert von einem pervers dicken Zigarettenqualm, hatte längst Fieberwerte erreicht und mein mehrmaliger Blick nach oben bestätigte meine Vermutung: es tropfte mittlerweile wirklich von der Decke runter!! Sowas hatte ich in der letzten Zeit nun wirklich nicht erlebt, der helle Wahnsinn! Die Setliste beeinhaltete alle Schaffensperioden und das neue Material von "I was dead for 7 Weeks in the City of Angels" wurde ebenso frenetisch bejubelt wie die älteren Klassiker der Währung "Devil came to me" oder "Flashback". "Dj" und allem voran "Cherry Lee" verwandelten das Abart in einen wahren Hexenkessel. Diese Reaktionen beflügelten auch die Band, die wie aus einem Guss spielte. Nach knappen 75 Minuten verabschiedeten sich Dover schweissgebadet und ziemlich groggy von der Bühne und hinterliessen ebenso ausgepowerte Fans. Eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche: diese Truppe hat, falls nicht Unvorhergesehenes geschieht, mehr als eine rosige Zukunft. Wenn ich mir vorstelle, wie das in einem ausverkauften Volkshaus (in Zürich) abgehen würde, dann sträuben sich mir die Nackenhaare schon jetzt, obwohl gerade Club-Konzerte in kleinen Rahmen wie hier im Abart immer einen besonderen Reiz ausüben und gerade deswegen noch lange in Erinnerung bleiben werden.

Setlist: "My secret People", "Better Day", "Four Graves", "Devil came to me", "Lady Barbuda", "As I said", "Flashback", "Rooster", "Recluser", "King George", "Astroman", "Serenade", "Witness", "Dj", "Cherry Lee", "Seawitch", "Far", "Loli Jackson".