Livereview: Die Apokalyptischen Reiter
                      Mustasch - Honigdieb - Marionette
15.11.08, Z7 Pratteln
By Roger W.
Ein Reiterkonzert ist immer etwas Spezielles. Wird das letztjährige Gastspiel der Weimarer noch heute in hohen Tönen gelobt, weil die Vorband Saltatio Mortis nach dem Konzert spontan eineinhalb Stunden(!) im Publikum gespielt hat, so werden dieses Jahr vor allem die Faxen auf der Bühne in Erinnerung bleiben. Der Auftritt im Z7 bildete das Tourende. Und wie üblich, wurde auch dieses Finish mit vielen lustigen Aktionen der nicht spielenden Bands gefeiert. Dabei fielen zwei Sachen auf: 1.: Das musikalische Niveau und die Bühnenpräsenz sämtlicher Bands ist beachtlich. 2.: Die Bands schienen eine super Zeit miteinander verbracht zu haben. Dazu kommt, dass die von den Reitern selbst ausgesuchten Bands einen musikalischen bunten Strauss bildeten. Die Gastreise bestätigte aber auch, dass es gut kommt, wenn zwei schwedische und zwei deutsche Bands miteinander unterwegs sind.

Marionette
Aus Schweden kommen die noch ziemlich grünäugigen Jungs von Marionette. Grünäugig gilt zwar nur für das Alter, denn musikalisch hat die Band ziemlich was drauf. Mit Krawatten und Smoking gekleidet schmetterte die Truppe ihren schwierig einzuordnenden Mix zwischen Death und Heavy Metal in die Meute. Immer aggressiv keifte der Gesang, zu der Gitarre und Keyboard schöne Melodieteppiche webten. Dazu gab es eine wilde Rhythmus-Gitarre, donnernde Bassläufe und gewaltige Drums. Marionette kosteten ihre 25 Minuten Spielzeit voll aus, dass es eine wahre Freude war. Das Publikum blieb zwar vorwiegend passiv, schien aber trotzdem Gefallen daran zu finden. Dazu kamen die Spässe der Reiter, die als Abwarte verkleidet mitten in einem Song begannen, diese zu wischen. Wenn Marionette auf der ganzen Tour mit derselben Leidenschaft wie im Z7 die Bühnen gestürmt haben, dann dürfte es mit den Jungspunden wohl demnächst steil nach oben gehen.

Honigdieb
Schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel haben dagegen Honigdieb. Allen voran deren Boss Sir Hannes, der mit Bands wie The Idiots oder Phantoms Of Future sowohl die Punk- als auch die Hardcore-Szene in Deutschland prägen durfte. Zum kruden Stilmix aus Krautrock, NDW und Folk zieht dieser dabei eine burleske One-Man-Show ab, die mit einem etwas peinlichen Beigeschmack durchaus auch mal zu verstören oder belustigen weiss. So äussert sich der Geltungsdrang von Sir Hannes unter anderem in hübschen Accessoires wie Leopardenmantel, Leuchtohrringe, schräge Masken oder in Form einer an einer Schnur befestigten, um seinen Kopf fliegenden Kuh. Dass dabei die Begleitmusiker durch die Bank, sei es Drummer Mathias Bonheger-Kadel, Gitarrist Stefan Göbel oder Raimund Gitsels an der Geige, verdammt tight und versiert spielen fällt somit wohl den Wenigsten im Publikum auf, welches meist zwischen Irritierung und Lachanfällen schwankend überfordert wirkt. Die Refrains von fröhlich kranken Songs wie «Mädchen», «Auf der Suche nach dem Glück» oder «Ich Gott» gehen dabei zwar blitzschnell ins Ohr, der an sich aber doch nahe am Schlager kratzende Sound macht Honigdieb aber zu einem Ensemble, mit welchem man sich eingehender beschäftigen muss. Als Anheizer der Reiter geht das aber durchaus klar, erst recht, wenn die Herren Fuchs und Co. zu «Pornostar» die Bühne entern und leicht bekleidet und mit Wunsch-gemächten ausgestattet (Klebeband-prothesen) zusammen mit einem in pinkiges Negligee gekleideten Sir Hannes eine eher anekelnde als prikelnde Sex-Show liefern.

Mustasch
Mustasch hatten leichtes Spiel ihre Fans an sich zu binden und neue zu gewinnen. Bereits während dem Soundcheck prostete Sänger und Gitarrero Ralph Gyllenhammer der vordersten Reihe zu und provozierte sie mit einem kräftigen „Prost ihr Säcke!“ zu einem noch lauteren „Prost du Sack!“. Diese Rufe sollten in der Folge auch immer wieder während dem Mustasch-Konzert und nach dem Reiter-Gig erschallen. Natürlich konnte die Band mehr, als nur Sprüche zu klopfen. So hauten sie einem ihren gewaltigen Stoner-Metal um die Ohren, der zwar mit der Zeit ein wenig eintönig wurde, aber prima Party-Stimmung verursachte. Dazu kam, dass der erwähnte schwedische Sänger noch andere Sätze auf Deutsch drauf hatte, und sich nicht schämte, diese auszusprechen. Natürlich durften auch hier die Spässe der anderen Bands nicht fehlen, und so überraschte Honigdieb-Sänger Sir Hannes die Band mit einem Leuchtstab in der Hand und die neue Reiter-Gitarristin Lady Cat-Man verteilte plötzlich Süssigkeiten. Zur Zugabe schnallten sich der Reiter-Gitarren-Techniker und die Merchandiserin die Klampfen und den Hals und zockten den Song zusammen mit Mustasch und dem Marionette-Sänger am Bass. Mustasch zeigten aber, dass sie auch ohne diese einmaligen Spässe eine Macht sind, und machten hungrig auf mehr.

Die Apokalyptischen Reiter
Was nun folgte, war irgendwie absehbar, das Ausmass dessen überraschte dann aber doch. Denn was die anderen Bands während der 1½ Stunden der Reiter einstreuten, war meist lustig, zum Teil aber auch grotesk. Für die Fans ging es in erster Linie um die Musik, und diese bot in Form vieler neuer Liedern, gestreut mit einigen alten Songs eine Setliste, die natürlich Wünsche offen liess, aber trotzdem ausschliesslich zufriedene Gesichter hervorrief. Der Titelsong des neuen Albums „Licht“ eröffnete den Wahnsinn und ging über in „Revolution“, bei welchem Sänger Fuchs Iron Maiden-Artig eine Fahne schwang. Auch den Reitern sah man die Freude an der Tour und am Auftritt deutlich an. War Keyboarder Dr. Pest auf der letzten Tour in einem grossen Vogelkäfig eingesperrt, hatte er heuer eine Schaukel um sich auszutoben. Bei „Es wird schlimmer“ stand plötzlich wieder der Honigdieb-Sänger auf der Bühne, hielt sich aber vorerst brav im Hintergrund. Ganz neu gibt es bei den Reitern die Wall of Death. Sänger Fuchs verlangte diese zu „Adrenaline“ ohne zu wissen, dass er mit diesem Song noch ziemlich verwirrt werden sollte. Denn plötzlich stürmte die Schwedenfraktion (Marrionette und Mustasch) auf die Bühne um ebenfalls zu bangen, „unten ohne“ versteht sich und nur mit schwarzen Jacken bekleitet. Kommentar vom völlig aus dem Häuschen geratenen Fuchs: „Es gibt wohl immer noch eine Steigerung!“ Es fiel ihm danach sichtlich schwer, auf das ernsthafte „Der Elende“ umzusteigen. Und bevor ich’s vergesse, die Reiter haben eine neue Gitarristin. Diese hört auf den Namen Lady Cat-Man und hat sich wohl auf der Tour schwer in den Tourmanager verliebt. Vor „Auf die Liebe“ brachte er ihr einen riesigen Strauss roter Rosen auf die Bühne. Leider war diese Szene für die Fans ziemlich verwirrend, so dass erst ein Blick auf der offiziellen Reiterhomepage Klarheit schaffte, ob es sich hier um einen Heiratsantrag handelte oder nicht. Die Hochzeitsglocken klingen aber vorerst noch nicht. Verliebt hätte sich auch gerne der bereits mehrmals erwähnte Mustasch-Sänger. „Der Seemann“ lockte 9 weibliche Geschöpfe aus dem Publikum auf die Bühne, welche gleich spasseshalber zwischen Fuchs und Ralph aufgeteilt wurden (Fuchs eine, Ralph acht). Dazu gesellte sich der Honigdieb Geiger. Alles muss ein Ende haben, und so auch dieses Konzert. Vor der Zugabe wurden die Boote aufgetrieben und zu „Reitermania“ durchs Publikum getragen. Ein Spass eher übler Sorte gab es anschliessend im Zugabenteil mit Sonne. Nein, auch wenn der Tourmanager verliebt ist, sollte er nicht den Refrain von „Die Sonne“ ins Mikrofon singen, das klingt nämlich schauerlich, aber, zugegeben, auch lustig. Auf den Bandklassiker „Dschingis Khan“ wurde im Z7 verzichtet, dafür erklang „Unter Asche“, welches sich der Lichtmann sehnlich gewünscht hatte, aber bisher auf Tour nicht kriegte. Mit „Metal Will Never Die“ verabschiedeten sich die Reiter zusammen mit allen anderen Bands. Wehmut war zwar zu spüren, aber auch Dankbarkeit für eine Konzertreise, die, falls sie nur halb so gut wie im Z7 angekommen ist, immer hochklassig war.

Setlist: Wir sind das Licht, Revolution, Gone, Riders on the Storm, Friede sei mit dir, es wird schlimmer, Der Weg, Adrenalin, der Elende, Nach der Ebbe, Uralt-Lied, Auf die Liebe, Der Seemann, Die Erde ist sehr stark erregt, Reitermania, We will never die, Die Sonne, Unter Asche, Metal will never die.