Livereview: Crystal Ball
16. November 2007, Zürich-Kloten AlpenRock House
By Roger W. - All Pics by Rockslave
Dieses Weekend wird bei mir als DAS Taufwochenende in Erinnerung bleiben. Durfte ich am Sonntag im engsten Familienkreis miterleben, wie sich gesegnet Wasser seinen Weg über die Stirne meiner jüngsten Nichte suchte, war es am Freitag zuvor Bier, welches sich über die neuste Crystal Ball-Scheibe "Secrets" ergoss. Damit hatte es sich aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Denn erstens kann schnödes Kirchengeorgel echtem Schweizer Heavy Metal niemals das geheiligte Wasser reichen, zweitens schafft das liebevoll kitschig eingerichtete AlpenRock House eine entspanntere Atmosphäre als die kalten Kirchenmauern und drittens war der familiäre Rahmen in Kloten mit den ziemlich spärlich anwesenden Besuchern fast intensiver als am Sonntag darauf.

Über den Grund für diese geringe Besucherzahl kann man nur spekulieren. Sicher war der Eintrittspreis kein Argument fernzubleiben, denn dieser existierte an dem Abend nicht. Vielleicht hatten zu viele Angst vor Mark Sweeney's berüchtigten Ansagen, welche den schmalen Grat zwischen charmant und beleidigend oft zu letzterem überschritten (Beispiele später). Aber abgesehen davon war der Abend mehr als gelungen. Um etwa 21.30 Uhr kündigte eine nette Dame Crystal Ball an, interviewte sie kurz und liess danach den brandneuen Video-Clip zu "Its Not Love" laufen. Dieser wirkte über die Soundanlage des AlpenRock House schlicht gigantisch. Eine halbe Stunde später war es dann Zeit für das eigentliche Konzert von Crystal Ball. Trotz neuer Besetzung und neuen Songs schafften sie es, das Eis bereits mit dem zweiten Song "Powerflight" zu brechen, so dass sich die Fans aus den aufgestellten Chalets vor die Bühne wagten und mitklatschten. Mark Sweeney kündete bald einen Abend an, bei dem alle bisherigen Alben berücksichtigt werden, was der Euphorie zusätzlich gut tat. Relativ früh im Set suchte der Sänger ein weibliches Wesen, welches der neuen Platte eine heitere Zukunft bescheren sollte. Eine deutsche Bekannte von mir durfte zur Tat schreiten und half, das neue Album "Secrets" mit Bier zu überschwemmen. Weibliche Unterstützung gab es anschliessend auch für den Song "It's Not Love" durch Leviathane Sängerin Vanessa Angela, welche Mark Sweeney als "geile Schnitte" ankündigte. Darüber konnte die Dame nur lachen und sang das Grossmaul trotz Erkältung gleich mal in Grund und Boden. Beim darauf folgenden "My Life" wurde die aktuelle Besetzung vorgestellt, die neben den langjährigen Crystal Ballern Mark Sweeney, Scott Leach (g) und Marcel Sardella (d) aus dem Kharma Bassisten Sven Sieber und den beiden Crown Of Glory Recken Hungi Berglas (g) und Philipp Meier (keys) besteht. Letzterer musste an diesem Abend bereits wieder seinen Ausstieg bekannt geben. Beruf, Weiterbildung und Musik wollen nicht richtig miteinander harmonieren. Dafür waren auf der Bühne schon sehr positive Anreize festzustellen. Klar ist, dass man eine Band, die 12 Jahre in der gleichen Besetzung unzählige Shows gespielt hat und untereinander blind agierte, nicht sofort ersetzen kann. Die neuen Crystal Ball müssen sich diesbezüglich erst noch finden, was aber mit der Zeit kommen sollte. Gelegenheit hatten sie an diesem Abend während ihrem 105-minütigen Konzert genug. Wobei vor allem "Dance With The Devil", das neue Titelstück "Secrets" und der Rausschmeisser "Hellvetia" für Furore sorgen konnten. Bei Letzterem stapfte Mark Sweeney dann nochmals ins berühmte Fettnäpfchen, als er zu seinen neuen Bandmates meinte, dass sie sich Zugaberufe nicht gewohnt seien. Gegen den Orkan, den Crown Of Glory knapp zwei Monate vorher am gleichen Ort ausgelöst hatten, waren die Forderungen nach mehr bei Crystal Ball jedoch nur ein warmes Sommerlüftchen. Für mich bestätigte der Abend etwas, was ich bereits auf der neuen CD feststellen durfte: Crystal Ball überzeugen mich vor allem mit ihren harten Tracks. Bauen sie diese noch aus und verzichtet Mark Sweeney künftig auf billige, nicht lustige Beleidigungen gegenüber Publikum und Bands, sollte es mit der Kristall-Kugel weiterhin schnell vorwärts gehen.


Setlist: "Moondance" - "Powerflight" - "I Will Drag You Down" - "He Came To Change The World" - "I'll Be Waiting" - "It's Not Love" - "My Life" - "Queen Of The Night" - "Dance With The Devil" - "Won't Bite" - "Am I Free?" - "Walk Through Time" - "Dreaming Of You" - "Secrets" - "Shine On" - "Digital World" - "Tear Down The Wall" -- "Soul Mate" - "Hellvetia".