Livereview: Agrypnie - Der Weg einer Freiheit - Heretoir

10. März 2013, Zürich - Dynamo
By Natalia N.
Ihr kennt das sicher alle, dass man mal mit seinen Gedanken allein sein will, oder? Und dazu passt am besten eine ganz besondere Atmosphäre, die mit den alltäglichen Problemen möglichst wenig zu tun haben sollte. Um eine solche Atmosphäre zu erschaffen, muss man bloss Post-Black Metal/Shoegaze hören, Musik von Bands wie Alcest, Lantlôs, Les Discrets oder Agalloch, um nur die bedeutendsten Vertreter der französischen und amerikanischen Schule dieses Genres zu nennen.

Viele Fans dieser Musikrichtung kennen und schätzen auch das Schaffen des hochtalentierten Torsten Hirsch des deutschen Avant-Garde Black-Metal-Projektes Nocte Obducta. Der Multiinstrumentalist und Sänger ist auch der Gründer der Gruppe Agrypnie, die im Vergleich zu den anderen genannten Bands eine melodischere und philosophiereichere Form von Post-Black Metal spielen. Am 10. März trat Agrypnie als Headliner in Zürich auf. Es war das Abschlusskonzert der kurzen Europatournee, die die Band zur Promotion ihres neuen, erst im Februar herausgegebenen Albums Aetas Cineris veranstaltet hatte. Als Vorgruppe waren die progressive Black-Metaller Der Weg einer Freiheit und die Post-Black-Metal/Shoegaze-Gruppe Heretoir mit auf der Tour. Die beiden Bands sind ebenso wie Torsten deutscher Herkunft und haben schon treue Fans in ganz Europa für sich gewinnen können. Zwei Mitglieder von Heretoir sind übrigens als Tourneemusiker in Agrypnie tätig und alle Musiker kennen einander sehr gut, weswegen auch eine freundliche und angenehme Atmosphäre am Event herrschte. Man kann mit Sicherheit behaupten, dass Deutschland auch eine ganz starke Post-Black-Metal-Schule besitzt und das bekamen die Zuschauer am eigenen Leib zu spüren!

Heretoir
Das Konzert begann um acht Uhr. Die Zuschauer warteten schon ungeduldig auf die erste Band, deren Leader David „Eklatanz“ einige der Leute dann auch persönlich begrüsste. Wahrscheinlich die treuesten Fans, die der Gruppe auf der Tournee von Stadt zu Stadt folgen. Da war es klar, dass man der Band auch die Zeitverzögerung wegen technischer Probleme nicht übel nahm. Während der Zwangspause bedankte sich David «Eklatanz» herzlich beim Technikpersonal, das die Gruppe auf dieser Reise begleitete, und bei dem Roadie, der den Auftritt aufnahm. Ich finde, alle drei Gruppen hatten es verdient, aufgenommen zu werden, denn jede Band spielt tolle düstere Musik mit einprägsamen Melodien, aber der Sound von Heretoir wirkte noch ein wenig raffinierter der der anderen Bands. Die Melodie war so fein, dass sie an die klare Luft des noch nicht belaubten Waldes zu Frühlingszeiten erinnerte. In dieses Bild und die Atmosphäre konnte man sich ganz einfach hinein versetzen, denn das Konzert fand im „Werk 21“ statt, wo die Bühne sehr niedrig ist und man so als Zuschauer das Gefühl hat, als stünde man zwischen den Musikern und mittendrin in der Zauberwelt der Klänge. Die Stimme stand beim Gesamtklang eher im Hintergrund, das Instrumentale dagegen im Vordergrund, was wohl auch durch die misanthropische Grundstimmung des Bandleaders zu erklären ist. Besonders hervorheben muss man das grossartige Tapping von David und die auffälligen Basspartien, die der Bassist Matthias «Nathanael» im Wechselspiel mit den Geräusch-Gitarren-Effekten darbot. Die Band spielte Stücke aus verschiedenen Zeiten ihres Schaffens, darunter auch vom einzigen Full-Length-Album „Heretoir“ aus dem Jahre 2011. Ungefähr in der Mitte ihres Auftritts kündigte David «Eklatanz» das Lied „Wiedersehen...unsere Hoffnung“ an, das er zusammen mit dem Depressive-Black-Metal-Projekt „Thränenkind“, dessen Leader der Bassist Matthias «Nathanael» ist, auf einer Split-EP veröffentlichte. Dieser Track bildete zweifellos den Höhepunkt des 50-minutigen Auftrittes, der dann mit dem Song „Inhale“ beendet wurde.

Der Weg einer Freiheit
15 Minuten später war die Bühne bereit für den Auftritt von Der Weg einer Freiheit, die 2012 ihr zweites Full Length-Album „Unstille“ herausgegeben hatte. Bei ihrem Auftritt wurden aber nicht nur Songs von „Unstille“, sondern auch Stücke ihres vorherigen Schaffens dargeboten. In diesem Zusammenhang ist es wohl passend, die Meinung von Mille Petrozza (Kreator) über die Band in Spiegel Online zu erwähnen: „Der Weg einer Freiheit sind die Zukunft des deutschen Extrem-Metal. Überdeutlicher geht's nicht!“. Und wirklich hörte man schon bei den ersten Riffs, was hier alles geboten werden würde, und das Publikum kam sofort in Fahrt. Die Band begann ihren Auftritt mit den ziemlich aggressiven Riffs eines Songs von dem ersten Album „Ewigkeit“. Der Sänger Tobias Jaschinsky wartete mit sicheren Screams auf, die einen blechernen Klang haben, später wurde er von David «Eklatanz» von Heretoir verstärkt, der nochmals die volle Wucht seines Schrei-Gesangs einsetzte. So waren zwei Sänger gleichzeitig auf der Bühne. Dem Technikteam muss man für den tollen Sound danken, die Gitarre klang sehr rein, so dass besonders in der Nähe der Bühne die schönen melodischen Gitarrenpassagen sehr gut hörbar waren. Es ist aussergewöhnlich, dass solche Melodien eingesetzt werden können, ohne dass die Extremität der Musik dadurch verlieren würde. Die Rhythmus-Fraktion hörte man dagegen besser ganz hinten im Saal. Die Band wurde von den Zuschauern gefeiert, was wahrscheinlich auch der Grund dafür war, dass man den Auftritt mit einer Zugabe beendete, was für Vorbands ja nicht so typisch ist. Nach den letzten Riffs des Old-School-Songs „Neubeginn“ glaubte man erst, die Band hätte den Auftritt schon beendet, dann kam sie aber nochmals auf die Bühne und spielte noch zum Abschluss das Lied „Ruhe“.

Agrypnie
Gegen halb elf begannen die Headliner Agrypnie ihren Auftritt. Obwohl diese Tournee zur Promotion des neuen Albums durchgeführt wurde, benutzte man das orchestrale Geräuschintro des vorherigen Albums „Figur 109-3“. Schon während des Intros kam der Bandleader Torsten Hirsch auf die Bühne und überzeugte sofort durch seinen sehr sicheren Harsch-Gesang. Alles, was die Deutschen machen und schaffen, wirkt irgendwie sicher und fundamental. Agrypnies Musik handelt von einem düsteren Jenseits, das von starken, körperlosen Geistern bewohnt wird. Die von dieser Idee inspirierte unheimliche Stimmung strahlte Torsten aus, und alle Musiker und das Publikum wurden davon in den Bann gezogen. Der Platz vor der Bühne wurde dann auch immer knapper. Torsten war bemalt, die Farbe seiner Haut war die von Asche und er hatte weiße Kontaktlinsen an, so dass er an einen mysteriösen blinden Prophet erinnerte. Die Gesichter der anderen Musiker waren unter ihrem Corpsepaint auch kaum zu erkennen. Besonders auffällig wirkte das bei David «Eklatanz», der eigentlich schwarz ist, und sich nun scheinbar in einen greisen Schamanen verwandelt hatte. Nach dem ersten Lied stellte Torsten jeden Musiker vor und bedankte sich bei jedem. Er vergaß auch nicht den neuen Gitarristen Martin, der seine Solopartien wegen gesundheitlicher Probleme im Sitzen spielte.

Zu Beginn des Sets nahm Torsten nur den Platz hinter dem Mikrophon ein, aber nachdem er den Song „„Trümmer/Aetas Cineris“ vom neuen Album „Cineris“ angekündigt hatte, nahm er eine Gitarre zur Hand und begann zu spielen, so dass dann drei Gitarristen auf der Bühne standen. Dadurch ergab sich natürlich ein sehr wuchtiges Riffing. Die Band spielte noch drei einprägsame Songs vom neuen Album: «Zurück», «Asche»; als Zugabe wurde der starke und düstere Track „Gnosis“ ausgewählt. Aber trotz allem spielte man als weitere Zugabe den bekannten Hit „Augenblick“. Dadurch schaffte es Torsten alle Fans glücklich zu machen: diejenige, die schon lange Fan der Gruppe sind und ihr Schaffen seit Jahren verfolgen, aber auch diejenigen, die Agrypnie erst gerade entdeckt haben. Wie jedem talentierten Menschen ist es auch Torsten Hirsch gelungen, interesssante und individuelle Musiker um sich zu versammeln. So war diese kleine Tournee auch vor allem für diejenigen Leute interessant, die aktuelle Entwicklungen in der europäischen Metal-Szene verfolgen. Vielen Dank an die „Meh Suff!”-Leute, dass sie dieses Konzert veranstaltet haben!

Setlist: „Figur 109-3“;„Der Tote Trakt“;„Kadavergehorsam“;„Trümmer/Aetas Cineris“;„0545“;„Zurück“;„Morgen“; „Gnosis“; „Augenblick“