Livereview: Agalloch - Velnias - Excruciation
14. April 2012, Dietikon (ZH) - soundDock 14 -
By Natalia N.
Anderthalb Jahre nach der Veröffentlichung des letzten Albums "Marrow Of The Spirit" erhielt die Band Agalloch aus Portland (USA, Oregon), die Atmospheric Dark Folk/Post Metal spielt, die Möglichkeit, auf Europa-Tournee zu gehen. Später Herbst oder Winter wären vielleicht eine passendere Zeit für so einen Besuch, doch trug der kühle nasse Aprilabend auch zur richtigen melancholischen Stimmung bei, mit der ichden Klub Sounddock14 betrat, wo das wunderbare Konzert stattfand. Ausser Agalloch hat noch die interessante amerikanische Underground-Band Velnias gespielt, die dem Blackened Folk/Doom Metal zugeordnet werden kann. Zudem war es sehr erfreulich, dass die vor kurzem wieder ins Leben zurückgerufene schweizerische Band Excruciation aus Zürich an jenem Abend als Anheizer spielte. Diese Band hat einen klassischen Doom-Metal-Klang. Weil alle ihr Bestes gaben, schien der Event aus drei eigenständigen Konzerten zu bestehen, wodurch eine eigenartige Atmosphäre in jedem der Auftritte geschaffen wurde. Das beste Geschenk war aber die Dauer des Auftrittes von Agalloch - diese Band spielte fast zwei Stunden lang! Wie auch immer, ich möchte mich beim Team vom soundDock 14 und bei den Veranstaltern Meh Suff! für eine gute Organisation bedanken, denn kreative Leute lassen sich nur sehr schwer in einen zeitlichen Rahmen setzen!

Excruciation

Um Punkt 20 Uhr erschienen Excruciation auf der Bühne. Und schon mit dem ersten Song "Dignitas" stürzte dichter Gitarrenklang auf das Publikum hinunter; man fühlt es sofort, dass es in der Band drei Gitarristen gibt. Mich persönlich beeindruckte das Gitarrenduo Hannes Reitze, der die weisse Gibson-Gitarre spielte, und Mario "Doombag" Hahn, der eine Dean-Gitarre in seinen Händen hielt. Psychedelische Gibson Partien wechselten sich mit dichten Dean Riffs ab. Ich war sehr überrascht, als ich erfuhr, dass "Doombag" erst seit 2011 dabei ist. Nach solch einer kurzen Zeit in der Band hat er sich auf die anderen Musiker so fein eingespielt! Diesem Duo schloss sich ab und zu Marcel Bosshart, der einen langen schwarzen ledernen Umhang trug, an, indem er sich mit dem artistischen Hannes und dem höchstkonzentrierten "Doombag" in die gleiche Reihe stellte. Am Ende des Auftrittes wollte auch Sänger Eugenio Meccariello nicht hinten anstehen und so konnten die Zuschauer das gemeinsame Headbanging der Vier auf einmal geniessen. Etwas abgesondert hielt sich der grosse, langarmige Bassist D.D. Lowinger, dessen Läufe trotz des starken Wand der drei Gitarren deutlich zu hören waren. Die Set-Liste beinhaltete die Lieder aus den letzten zwei Alben "Angels To Some, Demons To Others" und "[t]horns", die die Band nach ihrem Wiederaufleben seit 2005 veröffentlichte.

Velnias
Darauffolgend betrat die Band Velnias die Bühne. Eine wörtliche Beschreibung der Atmosphäre fällt mir sehr schwer, aber aus einigen Gründen änderte sich die Stimmung in der Halle auf einmal, und es roch nach der Undergound-Freiheit. Vielleicht lag es an den kunstvoll von Hand bemalten Gewebeflaggen mit Schädeln und mittelalterlichen heraldischen Emblemen, die als Bühnendekoration vorhanden waren, oder an der Distanziertheit der Musiker, die fast keinen Kontakt mit dem Publikum zu finden suchten. Sie benahmen sich nicht wirklich wie Musiker, sondern eher wie freie und harte Kämpfer aus dem Altertum. Wahrscheinlich deswegen kann ich ihre Namen nicht nennen - sie haben sich nicht einmal vorgestellt. Einen sehr starken Eindruck auf das Publikum machte der Gitarrist/Sänger: während eine der Kompositionen gespielt wurde, wackelte der Kontakt im Verstärker, weswegen seine Gitarre kaum zu hören war, und dann näherte er sich dem Verstärker an und schlug mit seiner ganzen Kraft darauf! Es hat geklappt, und das Gerät funktionierte wieder. Es sei betont, dass er aber auch eine starke Stimme hat. Obwohl es in der Musik viele Geräusche sowie profilierte Bass- und Schlagpartien gibt, war er während des ganzen Auftrittes deutlich zu hören. Unterstützt wurde er dabei vom zweiten Gitarristen. Auch der Schlagzeuger wusste zu glänzen: Seine Beats klangen so dicht wie es nur möglich war, obwohl er nur eine Basstrommel hatte. Das mag für manchen nicht 'modern' sein, doch schöne archaische Fills rundeten seine Leistung ab. Stark! Bis jetzt hat Velnias nur ein einziges vollständiges Album herausgegeben, das "Sovereign Nocturnal" heisst und aus drei längeren Kompositionen und einigen EPs besteht. Wahrscheinlich spielten die Musiker während ihres 45-minütigen Auftrittes alles, was sie im Repertoire haben. Den Schlusspunkt setzten sie mit "Risen Of The Moor", an dessen Ende ein archaischer Lärmeffekt erklang, der an einen heulenden Wind erinnerte. Unvergesslich!


Agalloch
Nach einer kleinen Umbaupause kam Agalloch-Sänger/Gitarrist und Frontman John Haughm auf die Bühne. Er hatte keine Gitarre in seinen Händen, sondern zwei eiserne Tassen, die er auf zwei hölzerne Baumstümpfe stellte, die vorher auf die Bühne getragen worden waren. Ohne das Publikum zu begrüssen, begann er auf der Bühne zu "hexen", was die ersten Reihen besonders überraschte. Vor einer der Tassen legte er kreuzweise trockene Hufe mit Fellresten von irgendeinem Tier, und in der Tasse liess er Wohlgerüche brennen. Es verbreitete sich in der Halle ein Aroma von stark riechenden brennenden Ästen mit Harztropfen. Dann nahm John seine Gitarre, und es erklangen gedehnte, in der Luft "schwebende" Töne. Was für ein Intro! Dann erklangen die Riffs, und die anderen Musiker betraten die Bühne zu "Limbs". Agalloch sind echte Meister auf dem Gebiet Dark Folk Metal - es ist ihnen gelungen, einen schönen psychedelischen Klang zu erzeugen, der die Zuhörer sofort fesselte und bis zum Ende des Konzertes nicht entliess. Vorallem die Gitarristen trugen dazu bei mit Tapping, Picking, Slide Guitar. Ausserdem arbeitet die Band mit vielen Fotografen und Malern eng zusammen, die von der Musik von Agalloch inspiriert werden und ihren Beitrag an die CD-Cover leisten. Dass die Musiker stolz darauf sind, wurde klar, als John dem Maler Mark Thompson, der das Design des letzten Albums der Band "Marrow Of The Spirit" entwarf, nach "Ghosts Of The Midwinter Fires" seine Dankbarkeit äusserte. Das erste Set war geprägt von Kompositionen aus ihrem letzten Album, gespickt mit Songs aus früheren Werken wie "Ashes Against The Grain" (2006), zum Beispiel "Falling Snow" und "Limbs". Nach "Our Fortress is Burning... II: Bloodbirds" verliessen alle Musiker die Bühne so schnell wie möglich. Doch der Bassist liess seine Basstrommel nicht sofort schweigen, sondern hob sie auf, schüttelte sie demonstrativ über seinem Kopf und verliess die Bühne, während die Trommel noch klang. Es wirkt zauberhaft wenn ein Instrument ohne den Musiker klingt - als ob ein unsichtbarer körperloser Waldgeist auf der Bühne schwebt. Nach einer kurzen Pause erschienen die Musiker wieder auf der Bühne - begleitet von Zustimmungsrufen aus dem Publikum - und spielten den zweiten Teil, indem das frühere Material dominierte. Es wurden solche unverwesliche Meisterwerke wie "Hallways Of Enchanted Ebony" und ?Dead Winter Days" gespielt. Die Zuschauer unterstützten diese Rückkehr in die Vergangenheit leidenschaftlich, indem sie mit dem Sänger mitsangen. Wir danken Agalloch für den märchenhaften Abend!


Setliste: «Limbs» - «Ghosts Of The Midwinter Fires» - «Falling Snow» - «The Watcher's Monolith» - «Of Stone, Wind And Pillor» - «Into The Painted Grey» - «Our Fortress Is Burning... II: Bloodbirds» -- Encores: «Hallways Of Enchanted Ebony» - «Dead Winter Days» - «In The Shadow Of Our Pale Companion» - «Kneel To The Cross» (Sol Invictus Cover).