Interview: Vandenberg

By Tinu
 
Die meisten sind heute noch immer da, im Gegensatz zu Grunge.



Adrian Vandenberg hat mit Whitesnake und den Alben «1987» (nur die Tour mitspielt) und «Slip Of The Tongue» gutes Geld verdient. Die damaligen Zeiten mit MTV und der Dauerrotation von «Still Of The Night», «Give Me All Your Love», «Here I Go Again», «Fool For Your Lovin'» und «Now You're Gone» füllten den Geldbeutel des Holländers. Vorher veröffentlichte der Gitarrist drei Alben unter seinem Namen und konnte so die Aufmerksamkeit von Whitesnake-Mastermind David Coverdale auf sich lenken. Es war einen Moment still um den «flying dutchman», bis er 2014 mit Vandenberg's MoonKings wieder ans Tageslicht trat und soeben mit «2020» unter dem Vandenberg Bandlogo ein Werk veröffentlicht hat, das zu den besten Rock-Alben der letzten zehn Jahre gehört. Wieso der Namenswechsel, wie er seine neue Truppe rekrutierte und wie er seine Zeit bei Whitesnake heute sieht, das berichtet der äusserst freundliche, bestens aufgelegte und auskunftsfreudige Gitarrist im folgenden Interview. Und so ganz nebenbei bemerkt, er gehört zu den bodenständigsten Musikern, dem die Erfolge in den achtziger Jahren nie in den Kopf gestiegen sind und dadurch noch um einiges sympathischer wirkt.

MF: Wieso hast du Vandenberg's MoonKings aufgelöst und bist wieder mit Vandenberg am Start?

Adrian: Das hat zwei Gründe. Der erste ist oder der Hauptgrund ist, dass Jan (Hoving, Gesang) eine richtig grosse Firma gegründet hat. Aus diesem Grund konnte er das Land nicht länger als für ein bis zwei Tage verlassen. Zu Beginn war dies kein Problem, da er einen Kumpel hatte, der ihn vertrat. Aber selbiger gründete vor ein paar Jahren seine eigene Firma. Das machte es Jan unmöglich zu touren. Seit Beginn meiner Karriere liebe ich es auf Tour zu sein, und wir wollten mit Vandenberg's MoonKings auf der ganzen Welt spielen. Mit dem zweiten Album bemerkte ich, dass Lieder wie «The Fire» und «Tightrope» sich in eine "heaviere" Richtung entwickelten. Aus diesem Grund war es das Beste, die MoonKings auf Eis zu legen. Vielleicht wird es in ein paar Jahren einige Shows zusammen mit Jan geben. Dabei könnte er nach jedem Konzert nach Hause fahren, da Holland sehr klein ist (lacht). Der Bonus und der zweite Grund ist… Vielleicht weisst du, dass vor fünf bis sechs Jahren meine ehemaligen Vandenberg-Bandmitglieder aus den achtziger Jahren (Bert und Dick) vor Gericht gingen, weil sie meinen Namen für sich beanspruchen wollten. Sie wollten mir verbieten, meinen eigenen Namen zu verwenden. Adrian Vandenberg ist mein Name und den wollten sie mit streitig machen (lacht). In diesen Jahren gab es einige negative Energien. Dies, obschon ich gerne an die alten Vandenberg-Tage zurück dachte. So ist es ein netter Bonus, dass ich wieder unter meinem alten Bandnamen am Start bin.

MF: Wo hast du deine neuen Bandmitglieder gefunden?

Adrian: Eine interessante Geschichte. Es war nicht schwer Ronnie (Romero, Sänger bei Rainbow und ehemals bei CoreLeoni) zu finden (lacht). Vor einigen Jahren las ich, dass Ritchie Blackmore einige Rainbow-Shows spielen wollte. Ich fragte mich, wer das Material singen sollte, da Ritchie immer unglaubliche Sänger hatte, wie Ronnie James Dio oder Joe Lynn Turner. Als ich Ronnie auf der Bühne sah, war dies ein unglaublicher Moment, und er hat mich förmlich umgeblasen. Als mich mein Management fragt, wer bei mir mitspielen soll, sagte ich, dass mir nicht ein nostalgisches Ding vorschwebt. Ich wollte nach vorne schauen. Ich flog nach Madrid zu Ronnie. Er war sehr enthusiastisch und sagte, dass bei ihm, durch das Anhören von Whitesnake's «Starkers In Tokyo», der Wunsch Sänger zu werden hoch kam. Mit diesem akustischen Werk, von David Coverdale und mir. Als ich zurück in Holland war und anfing neue Lieder zu komponieren, hatte ich die Stimme von Ronnie in meinem Kopf. Zu dem Zeitpunkt stand ich noch ohne Line-up da. Ich bevorzugte einen holländischen Trommler und Bassisten. Aus dem einfachen Grund, weil ich zu den Proben nicht immer alle Musiker einfliegen lassen wollte. Holland ist leider nicht gerade dafür bekannt, eines der grössten Länder für Hardrock zu sein (lacht). Ich las in einem Schlagzeug-Magazin aus Holland… Sie haben eine Top-Ten, die jedes Jahr von Trommlern gewählt wird. Ich sah die besten Zehn und kannte keinen von ihnen (grinst). Auf dem ersten Platz war Koen Herfst. Es kann sein, dass ich seinen Namen irgendwann in der Vergangenheit hörte. Sieben Jahre am Stück, immer auf den ersten Platz gewählt zu werden, das bedeutet was! Da musst du definitiv den Handwerk beherrschen (lacht). Ich schaute mir auf YouTube einige seiner Videos an und er blies mich weg. Koen ist ein unglaublicher Schlagzeuger. Ich trat mit ihm in Kontakt und er sagte mir, dass er genau auf so eine Band gewartet hat, die sich international zeigen will. Ein Freund meines Managers kannte einen Bassisten, der an einer Rock-Akademie unterrichtet. Er empfahl uns Randy (van der Elsen). Es ist lustig… Er ist erst 27 Jahre jung, aber hört die gleichen Bands wie ich, nämlich Deep Purple, Rainbow, Led Zeppelin und Whitesnake.

MF: Wo siehst du die Unterschiede zwischen Vandenberg früher und heute, respektive Vandenberg's MoonKings?

Adrian: Als ich mit den MoonKings begann, wollte ich eine Heavy Blues Rock basierte Band aufbauen, die sich durch viele Melodien auszeichnet. Nicht zu hart, eher in der Blues Rock Richtung. So eine Art Blues Metal (grinst). Wow, das ist ein gutes neues Genre (lacht). Die MoonKings erinnerten an die härteren Tracks der früheren Vandenberg. Wie «This Is War» und «Waiting For The Night» vom zweiten Album «Heading For A Storm» oder den Tracks vom dritten Album «Alibi» wie «Fighting Against The World». All diese Lieder haben auch eine Verbindung zu dem, was wir heute komponieren und ist eine Art Vandenberg Reinkarnation, so wie «2020», unsere neuste Scheibe, klingt. Alles ist «straight in your face» und beinhaltet die Wurzeln aus den achtziger Jahren. Logisch ist der Sound ein anderer. Aus dem einfachen Grund, weil der alte Vandenberg-Sänger (Bert Heerick) ein guter Shouter war, aber Ronnie einfach ein Weltklasse-Sänger ist. Wenn er gut genug für Ritchie Blackmore's Rainbow ist, dann wird er es auch für Vandenberg sein (lacht).

MF: Wieso hast «Burning Heart» nochmals aufgenommen?

Adrian: Es war nicht geplant (lacht). Meine Plattenfirma Mascot Records wollte einen Appetit-Anheizer, bevor das Album veröffentlicht wurde. Dabei waren wir noch nicht im Studio. Ich erinnerte mich, dass der Bassist, der Trommler und ich für das zweite MoonKings-Album die Basic-Tracks für «Burning Heart» aufgenommen hatten. Dies sollte der Bonustrack für die japanische Version sein. Die Japaner wollen immer eine Zusatz-Nummer für ihre Versionen, die sonst niemand hat. Die CDs sind dort sehr teuer und die Import-Exemplare um einiges billiger. Darum sind diese Bonus-Geschichten so wichtig für sie. Aus diesem Grund nahmen wir damals «Burning Heart» nochmals auf, haben ihn aber nie fertig gestellt. Ich sagte zu meinem Manager, lass uns doch diese Nummer nehmen mit der Stimme von Ronnie. Als wir mit dem Album fertig waren, fragte mich die Plattenfirma, wieso wir «Burning Heart» nicht auf die Scheibe gepackt haben. Für mich war es zu nostalgisch, mit einem neuen Album ans Tageslicht zu treten und nochmals «Burning Heart» von der ersten Vandenberg-Scheibe drauf zu packen. Aber der Track passt bestens zu den anderen Liedern und fällt inmitten ihnen kaum ab. Er klingt weder old-fashion, noch fehlt das Feuer. Zudem ergibt er eine tolle Symbolik, zwischen 2020 und 1982. Ich liebe die Art, wie Ronnie das Stück singt. Er ist ein sehr emotionaler und ausdrucksvoller Sänger. Bert hat für die damalige Zeit die Nummer gut eingesungen (lacht). Er hat nie wirklich englisch gesprochen. Aus diesem Grund fehlten die nötigen Emotionen. Persönlich finde ich, dass Ronnie das Lied nochmals aufgewertet hat. Als wir die Nummer im Studio einspielten, hatte ich eine richtige Gänsehaut (grinst).

MF: Ist es denn einfacher geworden neue Songs zu schreiben?

Adrian: Ja, absolut (grinst). Das ist lustig… Ich war zwölf Jahre weg vom Musikbusiness, bevor ich die MoonKings gründete. Ich wollte meine Tochter aufwachsen sehen. Sie war damals drei Jahre alt, lebte bei ihrer Mutter und ich wollte keiner dieser Daddys sein, der sich nur für kurze Zeit zeigt und dann wieder auf Tour oder ins Studio verschwindet. Als ich mit den MoonKings wieder begann Musik zu komponieren, war das Komponieren zu meiner Überraschung völlig einfach und natürlich. In der Frühzeit, als ich die ersten Lieder für Vandenberg schrieb, war ich in einer sehr spezifischen Richtung. Beim zweiten Werk lag ein grosser Druck auf mir, da wir mit «Burning Heart» eine Hitsingle auf der ganzen Welt hatten. Die Plattenfirma wollte, dass ich in diese und jene Richtung komponierte. Damals hörte ich zu sehr auf die Meinung anderer Leute, die sich in meinem Umfeld befanden. Das ging bei Whitesnake weiter. Die Truppe war etabliert, aber niemand konnte wissen, dass «1987» dermassen durch die Decke gehen und erfolgreich werden würde. Als ich David (Coverdale) traf, bestand die Band nur aus uns beiden. Er lag bei der Plattenfirma mit zwei Millionen in der Kreide und hatte kein Geld. Ich meinte nur: "Komm, lass uns sehen, wie sich die Platte verkaufen wird". Da die Scheibe völlig durch die Decke ging, lag beim Nachfolger («Slip Of The Tongue»), aus geschäftlichen Gründen, ein Riesendruck. Es war nicht meine Band, sondern diejenige von David. Ich war aber so eine Art rechte Hand von ihm.

David hörte auf mich und zählte auf meine Meinung. Auch wenn es am Schluss seine Entscheidung war. Steve Vai (spielte auf «Slip Of The Tongue») ist ein unglaublicher Gitarrist, der aber auch den Sound massgeblich beeinflusste und somit die Songs in eine andere Richtung gingen, als David und ich sie schrieben. Vergleiche ich «2020» mit «Slip Of The Tongue», geht «2020» direkter ins Gesicht. Das Grundelement ist die Gitarre, nicht zu viele Keyboards oder Backing Vocals. Ich liebe es pur. Bei «Restless Heart» (Nachfolger von «Slip Of The Tongue») war der Druck um einiges minimer, da die Scheibe inmitten der Grunge-Zeit veröffentlicht wurde. So konnten wir uns wieder mehr zu den Wurzeln von Whitesnake zurück bewegen. Heute, nach dreissig Jahren, hat sich für mich nichts verändert beim Komponieren. Ich nehme die Gitarre in die Hand, beginne zu spielen und zu komponieren. Ich realisierte auch, dass ich nur meinem Herzen folgen muss. So ist «2020» entstanden. Ich bin freier und lasse meine Einflüsse wie Free, Bad Company, Led Zeppelin, Cream, Rainbow, Deep Purple, Whitesnake oder AC/DC einfliessen. Es kümmert mich heute nicht mehr, ob ein Stück nun mehr nach AC/DC oder Rainbow klingt. Ich schreibe, was ich liebe und fühle. Darum kann man auf Vandenberg «2020» all meine Einflüsse hören. Das Coole ist, das selbst Koen, der ein Highspeed Metal-Trommler ist, auf unserem Album seine Einflüsse mit John Bonham oder Ian Paice ausleben kann. Die Kombination der Musiker auf diesem Album machte es mir sehr leicht, das neue Material zu schreiben. Da es für mich keine Limits gab.

MF: Vor zwei Jahren sprach ich mit Vivian Campbell, mit dem du zusammen bei Whitesnake gespielt hast. Er hat mir gesagt, dass er bei Whitesnake das Bandfeeling vermisste. Musikalisch sei die Band super gewesen, aber es fehlte an Zeit, sich gegenseitig kennen zu lernen. Wie siehst du das?

Adrian: Nein, das sehe ich ein bisschen anders. Wir waren mit dem Bus unterwegs und hatten so die Möglichkeit, uns besser kennen zu lernen. Die Tour dauerte über achtzehn Monate. Heute kann ich es sagen (grinst)… Am schlimmsten war… Seine damalige Frau war eine sehr, sehr schwierige Person, für alle. Den Tourmanager, den Manager, die Crew… Sie stellte sich ein bisschen zwischen Vivian und die Band. An ihn habe ich nur wundervolle Erinnerungen. Was passierte war, dass David es bevorzugte, Songs mit mir zu schreiben. Das war der Hauptgrund, wieso er mich fragte bei Whitesnake einzusteigen. David sah keine Verbindung beim Schreiben zwischen ihm und Vivian. Er ist ein hervorragender Gitarrist und hatte mit Dio die gleiche Situation, wie mit Whitesnake. Bei Dio war es Ronnies und bei Whitesnake ist es Davids Band. Hoffentlich sehe ich ihn nächstes Jahr, wenn alle auf Tour sind. Es war eine unglaubliche Zeit und in diesem Moment war Whitesnake die grösste Rockband.

MF: Wie schwer war es für dich, nicht den Boden unter den Füssen zu verlieren bei all dem Erfolg, welchen Whitesnake feierten?

Adrian: Das war für mich nie schwierig. Aus dem einfachen Grund, weil ich Holländer bin und die grundsätzlich sehr bodenständig sind. Meine Eltern lernten mich und meine Geschwister niemals abzuheben. Es kam für mich nie in Frage, bei diesem Hollywood-Erfolg durch zu drehen, mir ein grossen Haus mit einem Pool zu kaufen und unzählige Autos. Hatten wir zwischen den Konzerten mehr als eine Woche frei, flog ich nach Hause zu meinem Eltern, Freunden und meiner Familie. Das hat mich auf dem Boden gehalten und liess mich dieses Hollywood-Ding aus einer anderen Perspektive sehen. Unsere Auftritte bei MTV, wenn wir in der Dauerrotation waren, oder diese L.A.-Typen und ihre Bands, die in ihren grossen Autos herumfuhren und angeben wollten, das interessierte mich nicht. All die Mädels mit ihren Silikon-Brüsten (lacht), das war mir alles zu abgedreht. Für mich war dieses Gehabe nie seriös, sondern die Musik stand immer im Zentrum. Ich genoss den Showbusiness-Aspekt mit diesen übertriebenen Bühnenklamotten und den Haaren, die wie ein Baum frisiert wurden (lacht). Wenn mir Leute sagen, dass ich nur wegen des Geldes bei Whitesnake eingestiegen bin, muss ich mit einem klaren NEIN antworten. Es war kein Geld da, sondern nur Schulden. Das hat mich nicht gekümmert, und keiner konnte mit diesem immensen Erfolg rechnen. Niemand kann mir die Erinnerungen an diese Dinge nehmen. Ich genoss und blieb dabei immer bodenständig. Keiner konnte wissen, wie lang der Erfolg andauern würde, und noch weniger konnte man ahnen, dass der Grunge all dem ein brutales und schnelles Ende setzen würde. Da schlug die L.A.-Szene sehr schnell auf dem Boden auf. Aber viele der achtziger Jahre Gitarristen, Bassisten, Schlagzeuger und Sänger sind grossartige Musiker. Die meisten sind heute noch immer da, im Gegensatz zum Grunge (lacht).

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Adrian: Vor einigen Tagen hätten wir mit der Europa-Tour starten sollen. Alles ist nun auf November/Dezember 2020 verschoben worden. Nach diesen England-Shows sieht es gut aus, dass wir im Mai 2021 den Rest von Europa betouren können. In Japan waren wir in den Amazon-Charts auf dem ersten Platz. Somit sollten wir auch dort auftreten können. Ich kann es kaum abwarten, wieder auf der Bühne zu stehen. Mit Ronnie habe ich die Möglichkeit, auch Nummern von Rainbow oder Whitesnake zu spielen. Ich hoffe, dass wir auch in der Schweiz auftreten können. Dabei möchten wir nicht nur eine Show spielen. Ronnie spricht sehr gut über euer Land, dass es schöne Clubs gibt und die Fans toll sind. Ich war ein paar Mal in der Schweiz zum Skifahren. Aber das ist immer sehr gefährlich, um sich etwas zu brechen (lacht), wie damals in St. Moritz.

MF: Herzlichen Dank für das tolle und ehrliche Interview, es hat sehr viel Spass bereitet.

Adrian: Danke dir Martin. Wenn wir in der Schweiz spielen, komm zu uns, dann trinken wir ein Bier oder einen Schluck Rotwein, das ist doch ein toller Plan.

MF: Sehr gerne! Bis dahin, bleib gesund und auf hoffentlich bald.

Adrian: Du auch, "it was a pleasure" und auf bald in der Schweiz. Pass auf dich auf!