Interview: U.D.O.
By Tinu
Mit viel Freude über die neuen Gitarristen.



Das Lager von U.D.O. wurde fast runderneuert. Nachdem sein langjähriger Partner Stefan Kaufmann aus gesundheitlichen Gründen U.D.O. verliess, hatte plötzlich auch Jgor Gianola keine Zeit und/oder Lust mehr für die Band. Aus der Not machte der ehemalige Accept-Sänger eine Tugend und holte sich mit Andrey Smirnow einen Russen und mit Kasperi Heikkinen einen Finnen in die Band. Zusammen mit Schlagzeuger Francesco Jovino und Bassist Fitty Wienhold wurde das neue Werk „Steelhammer“ veröffentlicht. Ein Album, das vielen Fans wieder die fette und warme Produktion brachte, welche sie bei den letzten drei Studioalben vermissten.

Einmal mehr entpuppte sich das Interview als Selbstläufer. Seht Euch nur die Länge der Antworten an und Ihr wisst, was ich meine. Udo ist diesbezüglich ein Phänomen. Du kannst dich als Interviewer mit einem Bogen von 25 Fragen bewaffnen, Udo wird es fertig bringen, dir mindestens 20 davon schon bei der ersten Frage zu beantworten. But here we go…

MF: Was du den Fans schon lange versprochen hattest, konntest du nun mit der „Steelhammer“-Tour umsetzen und mit Ausnahme von vier Accept-Songs, dich voll und ganz auf deine U.D.O.-Historie konzentrieren. Wieso hat dieser Wunsch so lange gedauert, bis du ihn umsetzen konntest?

Udo: Das ist richtig. Ich könnte ganz böse sein, das mache ich jetzt aber nicht (grinst)… Das hing damit zusammen, dass wir mehr als nur drei Tracks vom neuen Album spielen wollten. Dann konnten wir einige U.D.O.-Songs, und das ist jetzt nicht böse gemeint, in der Besetzung zusammen mit Jgor und Stefan gar nicht spielen und dann ergänzten wir die Setliste endlich mit einigen Liedern, die ich schon lange im Programm haben wollte. Es brauchte Mut, eine solche Setliste zusammen zu stellen und dies mit zwei ganz neuen Gitarristen. Aber! Das hat alles funktioniert. Andrey und Kasperi sind schneller von den Fans angenommen worden, als ich zu hoffen wagte. Man darf sagen, wir haben wirklich alles richtig gemacht, denn die „Steelhammer“-Tour war bis anhin die beste Konzertreise seit 1991. Was soll ich sagen… Es läuft alles in die richtige Richtung!

MF: Spielt es noch eine Rolle, wer mit dir zusammen in der Band musiziert?

Udo: Ja, das ist ganz wichtig! Ich kann nicht einfach ein paar Jungs in der Truppe spielen lassen. Dann würde es wie eine Cover-Band aussehen. Die Fans müssen das Gefühl haben, dass die Musiker neben mir auch verstehen was sie spielen und das Gefühl für die Lieder entwickeln können. Da habe ich dieses Mal wieder Riesenglück gehabt! Okay, der Ausstieg von Jgor war nicht geplant. Er hat von selbst seinen Hut genommen. Weil ihm das alles zu viel wurde und er keine Zeit mehr für U.D.O. hatte… Das muss er wissen… Diese Situation war ein bisschen blöd für uns. Dabei hatte ich einmal mehr unheimliches Glück und konnte aus den Gitarristen, die in der engeren Wahl waren, unseren Finnen (lacht) in die Band holen.

Das war absolut der richtige Griff, denn Kasperi kann U.D.O. vorwärts und rückwärts spielen und hat nicht viel mit Accept zu tun. Er ist eher auf der U.D.O.-Schiene, genau gleich wie Andrey. Beide sind eher die U.D.O.-Fans und weniger die Accept-Jünger. Das merkt man auch, die können wirklich jede Nummer von uns spielen. Wir hatten knapp 300 Bewerber um die Lücke zu schliessen, welche Stefan Kaufmann hinterliess. 200 fielen gleich mal weg. Das hört sich blöd an, aber es muss ja auch optisch ein bisschen was hergeben und zu uns passen (lacht). Durch die restlichen knapp 100 Bewerber haben wir uns durchgewühlt. Mir reichen 30 Sekunden bei einem Kandidaten und ich höre, was ich hören muss und will. So sind im Endeffekt zehn Leute übrig geblieben. Unter diesen war Andrey schon nicht mehr dabei. Sein Tape habe ich aus Langeweile angehört (lacht). Zudem konnte ich ihn live auf einer Messe in Moskau sehen. Das war, wie damals bei Jgor. Nach drei Minuten Andrey, habe ich unserem Manager angerufen und gesagt, dass ich diesen Russen haben will. Es ist mir egal wie (lachend)! Andrey lag so lange auf Eis, weil ich mir zu viele Gedanken über seine Herkunft machte, wegen all diesen Visumsgeschichten. Aber, das ist alles einfacher, als man denkt. Er flog zu einer Audition, blieb dann vier bis fünf Wochen und hat „Steelhammer“ komplett eingespielt.

Mit diesen Leuten fühle ich mich sehr wohl. Das macht unheimlich Spass und dies war bei U.D.O. etwas abhanden gekommen… Es herrschte eine Zeitlang eine sehr komische Atmosphäre. Ich glaube, da hat Stefan, das darf man auch ganz offen sagen, sehr viel dazu beigetragen. Okay, die Probleme mit dem Rücken waren bekannt, aber dann sollte man selbstkritisch genug sein und das Problem auch offen ansprechen. Muss ich Stefan auf diese Situation aufmerksam machen, ist das mehr als nur ein bisschen blöd. Es war abzusehen, dass er aus diesem Grund irgendwann gehen würde. Die Situation kann nicht erklärt werden, aber man bekommt das Gefühl, dass es in der Band so nicht weitergehen kann, weil die Chemie nicht mehr passte. Ob das alles nun alles nur auf seine Schmerzen zurück zu führen ist, keine Ahnung… Die Trennung entpuppte sich dann als kurz und schmerzlos. Als Stefan seinen Ausstieg bekannt gab, hatte er leider einen Rückfall mit seinem Rücken. Mein Bruder plagt sich mit den gleichen Schmerzen 'rum. Da musst du Pillen einwerfen, die bringen Elefanten um.

Logisch, wenn du dich nicht wohl fühlst und du höllische Schmerzen hast, führt das dazu, dass du nicht gut drauf bist. Um die Stefan Kaufmann-Geschichte abzuschliessen… Ich sagte zu ihm: „Du kannst weiter für uns komponieren und für uns arbeiten, was und wann immer du möchtest“. Songs schreiben wollte er nicht mehr für uns. Keine Ahnung, ob er auf etwas anderes gewartet hat, aber angeblich war zu dem Zeitpunkt diese Mucke nicht sein Ding. Produzieren… Wollte ich nicht mehr mit ihm zusammen, da ich mit den letzten beiden Alben („Dominator“, „Rev-Raptor“) nicht mehr so glücklich war. Seit dem Tag, als er bei uns ausgestiegen ist, habe ich von ihm nichts mehr gehört. So komponierte ich zusammen mit Fitty das neue Werk und fand die richtigen Leute. Dass wir mit „Steelhammer“ alles richtig gemacht haben, zeigen mir die Reaktionen der Fans. Zuerst wollte ich zusammen mit Michael Wagener produzieren (ein alter Freund von Udo und Produzenten-Ikone). Das hätte er auch gerne gemacht, sass aber zu dem Zeitpunkt mit Lordi zusammen im Studio. Da ich die Produktion zeitlich nicht mehr verlegen konnte, hat Michael mich gefragt: „Wieso produzierst du das Album nicht selber?“ Meinen Einwand, dass ich keine Ahnung von der Technik habe, widerlegte er mit dem Argument, dass ich die nicht haben muss, sondern nur wissen, wie das Album klingen soll.

Aus diesem Grund suchte ich mir einem Mann, der tontechnisch alles umsetzen konnte. Diesen haben wir durch meinen Bruder gefunden. So kamen viele Sachen zusammen. Durch Zufall, Glück, oder wie man dem auch immer sagen will. Daraus hat sich ein Team gebildet, das hervorragend zusammen arbeitet. Auch die Drums wurden für einmal live eingespielt… Das sage ich ganz bewusst, weil da auch immer sehr viele Gerüchte im Umlauf waren, die zum grössten Teil auch stimmten. Hätte Stefan Kaufmann das Album produziert, hätte es mit Sicherheit ganz viele Diskussionen zwischen uns gegeben. Da bin ich mir nicht sicher, ob er sich auf diese eingelassen hätte. Wir haben eine Truppe zusammen, die einen Höllenspass hat. Da fühle ich mich zurückversetzt zu der alten U.D.O-Besetzung… Mathias Dieth (langjähriger Gitarrist bei U.D.O.) besuchte uns bei einem Konzert meinte nur: „Das ist die Hölle, die du da zusammengestellt hast! So könnte ich gar nicht spielen, wie deine beiden neuen Gitarristen.“ Andrey und Kasperi haben sich mit Mathias zusammengesetzt und wollten wissen, wie sie einzelne Parts der alten U.D.O.-Tracks spielen sollten. Die haben zu dritt rumgejammt, das war eine richtige Freude. Die beiden sind sehr jung. Andrey wurde gerade 30 Jahre und Kasperi wird 32. Das ist eine ganz andere Generation.

Was Stefan Kaufmann immer meinte mit modernem Spielen, das findet mit den beiden Neuen statt. Die spielen die U.D.O.- und Accept-Nummern anders. Nicht, dass sie andere Noten spielen, sondern sie schlagen die Saiten anders an und da liegt dieses Moderne drin. Genau das macht die ganze Geschichte bei U.D.O sehr frisch. Jetzt haben wir mit dem zweiten Teil der Europa-Tournee gestartet, dann spielen wir unser Klassik-Ding, an dem wir schon seit einem Jahr arbeiten. Das Marineorchester spielt nur mit Blechinstrumenten. Keine Geigen! Das klingt sehr heavy! Die Idee dazu kam uns, als wir in Wilhelmshafen logierten und am neuen Album arbeiteten. Martin, der für uns mixt und für die Arrangements verantwortlich ist, ist beim Militär. So besuchten wir ein Konzert dieses Korps, das in einer Kirche spielte. Da sagte ich plötzlich zu Fitty: „Das ist es!“ Was meinst du damit, wollte er wissen. Das Klassik-Programm machen U.D.O. mit diesen Leuten zusammen. So kamen wir mit dem Korps ins Gespräch und mussten uns tausend Sachen von der Bundeswehr genehmigen lassen (lachend). Viele Teile unserer Musik musste umarrangiert werden und so vergingen fast 12 Monate. Das Konzert am 20. Februar 2014, zusammen mit dem Marinemusikkorps Nordsee in Tuttlingen, wird etwas ganz Besonderes werden. Das hat so sicher noch niemand gemacht und schon gar nicht mit der Bundeswehr. Da freue ich mich drauf und alle sind unheimlich nervös.

MF: Bleibt es bei diesem Konzert oder werden noch mehrere folgen?

Udo: Das wird mal ein Einzelkonzert sein. Weitere Shows sind nicht geplant. Zuerst erscheint im Mai die neue DVD „Live In Moskau“. Das passierte alles mehr oder weniger zufällig. Ein Freund von Andrey wollte die Show für sich filmen und war dann mit 14 Kameras am Start, alles sehr professionell. Das Material war so gut, dass wir nun eine DVD veröffentlichen werden. Die DVD zu diesem Klassik-Konzert wird sehr wahrscheinlich erst 2015 veröffentlicht. Zwischendurch sollte noch die neue Studio-Scheibe produziert und auf die Leute los gelassen werden. Jede Menge Material liegt schon bereit, um verarbeitet zu werden. Die Ideen, welche von den neuen Gitarristen angeflogen kommen, mag ich sehr.

MF: Musst du Andrey und Kasperi beim Songschreiben noch in eine U.D.O. konforme Richtung lenken, oder passt das alles?

Udo: Lenken muss ich nicht. Das höre ich daran, wie sie komponieren. Da sind ein paar sehr interessante Sachen dabei, welche U.D.O. noch ein bisschen anders und interessanter klingen lassen werden. Musikalisch muss ich die nicht hinbiegen. Höchstens auf der Bühne (lachend). Kasperi war so gut wie noch nie auf Tour. Er hat bei Gamma Ray bei ein paar Shows ausgeholfen. Dann spielte er ein paar Gigs mit seiner Band. Ansonsten ist er Musiklehrer. Der Einzige, der Noten lesen kann bei uns (lacht). Da war die Tour schon ein bisschen Neuland für unseren Finnen. Andrey hat mehr Erfahrung. Er war unter anderem mit Paul Di’Anno in Russland auf Tour.

MF: Du hast vorhin die eher moderneren Produktionen angesprochen von Stefan. Du hast dich in früheren Interviews nie darüber geäussert. Wie stark war dir dies aber ein Dorn im Auge?

Udo: Der Dorn im Auge war, dass Stefan da sehr eigensinnig war. Wir haben oft darüber diskutiert, weil mir das zu steril war. Das lebte nicht und war zu krankenhausmässig. Nichts gegen die Songs, das sind alles gute Kompositionen. Die hätten man aber mehr zum Leben bringen können. Das war mir zu sehr… Kühlschrank. „Dominator“ und „Rev-Raptor“ wurden zu einem Zeitpunkt produziert, als ich nicht auf Sendung war. Die Trennung von meiner Frau nagte an mir. Stefan hat dann alles selber sortiert und gemacht. Ich war involviert, aber nicht mit dem Kopf bei der Sache. Kann sein, dass wir uns auch gestritten hätten, wäre ich mit meinen Worten nicht so im Hintergrund geblieben. Bei „Rev-Raptor“ gab es aber schon die etwas grösseren Diskussionen. Wie das geendet hätte bei „Steelhammer“ kann ich dir nicht sagen. Da muss ich mir aber auch keine Gedanken mehr darüber machen. Das Thema hat sich erledigt. Und! Es macht einfach Spass, endlich wieder Lieder wie „Timebomb“, „Go Back To Hell“ oder „Mean Machine“ spielen zu können. Das wäre in der alten Besetzung nicht möglich gewesen. Heute funktioniert das! Speziell Fitty und ich waren nervös, aber es hat alles funktioniert. Wir wollten bewusst dieses Mal ein komplett anderes Set spielen. Was wir bei der nächsten Tour spielen… Das weiss ich jetzt auch noch nicht (lachend). Da packen wir ein paar andere alten Kamellen aus.

MF: Du bist momentan viel mehr auf Tour, spielt jetzt den zweiten Teil der „Steelhammer“-Konzertreise, warst mit einigen anderen Sängern an den Christmas Metal Shows unterwegs, arbeitest an der Orchester-Geschichte… Ist Udo heute glücklicher als auch schon und hat mehr Freude an der Musik?

Udo: Ja, da ist schon wieder mehr Spass dabei. Zum Schluss mit Stefan war sehr viel Routine im Spiel. Uns behinderte so eine Art Riegel. Der ist nun weg. Ich will niemanden mies machen… Das Ende mit Stefan musste sein und war die logische Schlussfolgerung. Ich schiebe da Vieles auf den gesundheitlichen Zustand von Stefan. Dass du bei all den Schmerzen nicht gut drauf bist, kann ich sehr gut nachvollziehen. Dann sollte man aber von selber sagen… Es ist okay und wir beenden das Ganze besser.

Udo, herzlichen Dank für das Interview…

Udo: …Martin, ich danke dir. Schau dir heute Abend die beiden neuen Gitarristen an, dann wirst du verstehen, wieso ich so glücklich mit den Beiden bin.