Interview: Shok Paris

23.06.2020
By Tinu
 
Ausstieg als einziger Ausweg.



Eine weitere Band, die mit drei tollen Veröffentlichungen zwischen 1984 und 1989 auf sich aufmerksam machte und trotzdem blieb Shok Paris der Erfolg verwehrt. Das Wieso und Warum ist eine Frage, auf die es keine plausible Antwort gibt. Mit dem soeben erschienenen vierten Album «Full Metal Jacket» melden sich die beiden Bandleader Ken Erb (Gitarre) und Vic Hix (Gesang) energiegeladen zurück. Ein Werk, das alle US-Metal Freunde begeistert und sie erinnern lässt, wie toll die Zeit damals mit «Go For The Throat» (1984), «Steel And Starlight» (1987) und «Concrete Killers» (1989) war. Meine Güte, wie die Zeit vergeht, liegen zwischen dieser Scheibe und dem neusten Output doch mehr als dreissig Jahre.

MF: Vic, wie lange hat das Songwriting für die neue Scheibe gedauert?

Vic: Wir starteten 2010/2011 und schickten uns die Ideen zu, da wir alle unsere Tagesjobs haben. Ich wohne 200 km von Cleveland entfernt. Es kann manchmal schwierig sein sich zu treffen und gemeinsam an neuem Material zu arbeiten. Das Meiste von «Full Metal Jacket» wurde jedoch in den Jahren 2017/2018 geschrieben. Die Aufnahmen starteten etwa zur gleichen Zeit und wurden 2019 beendet.

MF: Wieso dauerte es so lange von «Concrete Killers» bis zu «Full Metal Jacket»?

Vic: Gute Frage (grinst). Ich war nicht sehr glücklich mit der Unterstützung, die wir für «Concrete Killers» von IRS Records erhielten und bin aus diesem Grund aus dem Deal ausgestiegen. Darum bin ich wohl der Übeltäter und an allem schuld (grinst). Die Band löste sich nach meinem Ausstieg auf und jeder ging seinen eigenen Weg. 2004 wurden wir gebeten, eine Reunion-Show für das «Bang Your Head»-Festival in Deutschland zu spielen. Es war eine grossartige Show, die wir wirklich genossen haben. Nach diesem Auftritt war jedoch niemand daran interessiert, die Band weiter am Leben zu erhalten. Bis wir die Einladung erhielten, auf dem «Headbangers Open Air»-Festival 2010 aufzutreten. Wir stellten eine neue Band zusammen, um dieses Konzert möglich zu machen und erhielten erneut eine grossartige Resonanz von unseren Fans. Danach entschieden wir uns, als Band zusammen zu bleiben, die drei neuen Members Ed Stephens (Bass), Donovan Kenaga (Schlagzeug), John Korzekwa (Gitarre), sowie Ken Erb und ich, als die einzigen ursprünglichen Mitglieder von Shok Paris. Wir machten uns Gedanken neues Material aufzunehmen. In dieser Zeit hatten wir noch kein neues Label an Land gezogen, welches die Support- und Aufnahmekosten übernehmen würde. Trotzdem produzierten wir ein paar Songs, um zu sehen, wie dies in der neuen Konstellation funktioniert. Kurz nachdem wir mit den Aufnahmen fertig waren, wurden wir gebeten auf dem «Up The Hammers»-Festival 2012 in Griechenland zu spielen. Für Werbezwecke veröffentlichten wir vor dieser Show «Those Eyes». Dies war die Initialzündung und der Entscheid stand fest, dass wir uns eigenes Equipment kaufen, damit wir ohne Unterstützung anderer, neues Material aufnehmen können. Es dauerte eine ganze Weile, aber die Bemühungen zahlten sich mit «Full Metal Jacket» aus. Dies auch dank dem Support unseres Labels No Remorse Records.

MF: Nach einer so langen Zeit, ist es nicht gefährlich bei den Fans in Vergessenheit zu geraten?

Vic: Vielleicht wäre uns dies früher passiert, aber nicht im Zeitalter des Internets. Viele Fans sind mit uns in Kontakt geblieben und dank ihrer jahrelangen und loyalen Unterstützung verdienten sie sich neues Material (grinst). «Full Metal Jacket» ist unser Dankeschön an sie.

MF: Was hast du in den letzten dreissig Jahren gemacht?

Vic: Nachdem sich die Band im Jahre 1989 auflöste, zog ich wieder in meine Heimatstadt und begann an einem neuen Projekt zu arbeiten. Daraus entstanden 1996 After Shok. Wir veröffentlichten auf Auburn Records zwei CDs «Unfinished Business» und «Burning Chrome», bevor wir Shok Paris 2009/2010 reformierten. Soweit es die alten Bandmitglieder betraf, hatte ich ausser zu Ken keinen Kontakt mehr. Er arbeitete zu dieser Zeit an mehreren Nebenprojekten, insbesondere an «Zone 11» aus Cleveland.

MF: Was hat sich seit dem letzten Album für dich verändert?

Vic: Alles hat sich in diesen dreissig Jahren verändert. Dies begann in den Staaten schon 1989. Grunge übernahm das Zepter und das Problem war, dass der Metal dabei in Ungnade fiel. Irgendwie ist dieser Sound nie wieder auf seinen damaligen Platz zurück gekehrt, aber dank all der Metal-Heads in Europa und dem Rest der Welt wird der Hard Rock und Heavy Metal immer am Leben bleiben und nie sterben. Wir danken jedem einzelnen von Euch, der die Hard Rock- und Metal-Bands immer und überall unterstützt hat. Das war auch der Beweggrund für das neue Album. «Full Metal Jacket» ist der Dank an unsere Fans. Sie verdienen nichts Geringeres als ein neues Shok Paris-Album, da dank ihnen die Truppe immer am Leben gehalten wurde. All die Fans, die auf den Metal-Festivals in Europa und bei allen Shows hier in den Staaten auftauchen, um uns zu sehen und zu unterstützen.

MF: Warum habt ihr nie den Durchbruch erzielt?

Vic: Wie sagt man so schön: "Zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort!". Ich glaube, wir sind zu spät in die Metal-Szene eingestiegen und haben uns mit IRS das falsche Musiklabel ausgesucht. Wenn du mich fragst, war das unser Problem. Das hat uns aber nie enttäuscht. Wir sahen die Veränderungen in den Staaten, die zu diesem Zeitpunkt in der Musikszene auf uns zukamen und akzeptierten sie als das, was sie waren. Trotzdem genossen wir zuvor eine grossartige Reise. Auch wenn sie kurz war, wir hatten eine gute Zeit. Ich würde NICHTS ändern, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte. Vergiss die Vergangenheit und geh deinen Weg. Das ist meine Devise.

MF: Gab es Gründe, warum andere Bands erfolgreicher waren?

Vic: Wenn ich darauf nur eine Antwort hätte… Man weiss nie so recht… Wir werden weiter an uns glauben und Shok Paris am Leben erhalten. Das ist alles, was wir tun können.

MF: Hat dich das Musikgeschäft in all den Jahren enttäuscht?

Vic: In gewisser Weise ja, da der geschäftliche Teil davon scheisse ist. Jedenfalls war dies früher so. Das Label hat das ganze Geld durch und mit dem Talent von uns Musikern verdient. Am Schluss behalten sie auch noch deine Musik. Darum, sei einfach froh, wenn du auf Tour gehen kannst und eine gute Zeit dabei verbringst. Es tut wirklich weh, wenn man auf solche Dinge zurück blickt. Auf der anderen Seite hat man wunderbare Erinnerungen an grossartige Freunde und Fans, die uns damals und heute unterstützen. Für diese Leute stecken wir gerne ein. Sie verdienen es, dass wir ihnen alles zurück geben und noch vieles mehr.

MF: Ist Shok Paris für dich heute eher ein Hobby oder der Beruf, mit dem du dein Geld verdienen kannst?

Vic: Ich würde es nicht als Hobby bezeichnen, auch wenn andere Künstler das vielleicht so sagen würden (grinst). Da wir alle unsere Tagesjobs haben, verdienen wir nicht mit der Band den Lebensunterhalt. Alleine aus diesem Grund kann es nicht unser Beruf sein. Persönlich sehe ich es als eine besondere Kunst, die uns immer noch die Seele anderer Menschen durch unsere Musik berühren lässt. Das ist etwas ganz Besonderes für uns und unsere Fans. Ich würde niemals mit der Musik aufhören, nur weil ich kein Geld damit verdiene oder nicht berühmt werde. Das war nie meine Antriebsfeder und wird es auch nie sein. Für uns dreht sich alles um unsere Fans und unser Vermächtnis als Band.

MF: Gibt es eine Geschichte hinter dem Bandnamen?

Vic: Klar (grinst). Bill Sabo und Ken Erb dachten sich den Namen aus. Der Name sollte verkörpern, was die Musik von Shok Paris darstellt. «Power und Anmut». Wenn man an «Power» denkt, denkt man an Elektrizität, wie bei «Shok». Denkt man an «Anmut», denkt man an «Paris». Die Bedeutung ist die eines zweischneidigen Schwertes, aber beides repräsentiert die Band perfekt!

MF: Wie fing alles bei Shok Paris an?

Vic: Shok Paris wurden 1982 von Leadgitarrist Ken Erb, Schlagzeuger Bill Sabo und Rhythmusgitarrist Eric Marderwald gegründet. Die Band fand in Kelly Berkshire den passenden Bassisten. In dieser Formation testeten sie mehrere Sänger an. Für das «Cleveland Metal»-Album und den Song «Go Down Fighting», suchten sie nach einem anderen Sänger. Ich traf Kelly in einem Club. Er mochte meinen Gesangsstil und arrangierte eine Probe mit der Band. Da wir beide etwa 200 km von Cleveland entfernt lebten, trafen wir uns und fuhren zusammen los. Er erzählte mir von dem Proberaum und wie cool alles sei, mit dieser grossen Bühnen-PA und dem Bühnenlicht. Ich war völlig aufgeregt. Schliesslich kam ich aus einer Kleinstadt und fuhr nach Cleveland, um mit einer Metal-Band zu proben. Wir trafen bei diesem grossen Lagerhaus ein, ich schnappte mir mein SM58-Mikrofon und Kelly seinen Bass, wir fuhren mit dem Aufzug in den 5. Stock und betraten diesen riesigen Raum. Der entsprach genau dem, was mir Kelly erzählte. Eine grosse Bühne mit viel Beleuchtung, einem riesigen PA-System und Monitoren, einfach alles. Ich dachte, ich werde gleich verrückt, weil ich überzeugt war den grossen Wurf gelandet zu haben. Wir spielten ein paar Covers, die wir alle kannten und ich sang «Go Down Fighting». Es lief fantastisch. Sie baten mich mitzumachen, ich stimmte zu, nahm alle Songs mit nach Hause, um an ihnen zu arbeiten und war bereit für Shok Paris. Nachdem ich die Texte fertig komponierte, traf ich Kelly, um erneut nach Cleveland zur Probe zu fahren. Nur trafen wir diesmal nicht bei der gleichen Halle ein, sondern bei einem Keller. Es brach mir irgendwie das Herz. «Warum nur? Was war gerade los?», fragte ich mich. Als sie sagten, sie hätten den grossen Proberaum nur angemietet, um mich zu beeindrucken, musste ich lachen. Sie wollten mich als Sänger und nahmen diese Kosten auf sich. Nachdem ich darüber nachdachte wusste ich, dass dies die Band ist, in der ich immer sein wollte.

MF: Wer waren eure musikalischen Einflüsse?

Vic: Die Haupteinflüsse von Shok Paris liegen bei allen von uns, bei den europäischen Hard Rock/Metal-Bands, wie Deep Purple, Rainbow, MSG, Scorpions, Gary Moore, Thin Lizzy, Judas Priest, Accept oder UFO. Das sind die Combos, mit denen wir aufgewachsen sind und die uns zu Shok Paris gemacht haben.

MF: Welche Erinnerungen hast du an die achtziger Jahre?

Vic: Nur spannende und schöne Erinnerungen. Metal wurde auf jedem Radiosender gespielt. Bei MTV drehte sich alles um Metal. In jedem Club traten Metal-Bands auf und grössere Rock-Festivals und Konzerte gab es an jedem Wochenende. Es war eine grossartige Zeit, den Metal zu erleben und alles hautnah zu spüren.

MF: Besonders mit «Steel And Starlight» habt ihr in meinen Augen einen Meilenstein gesetzt. Wie siehst du das?

Vic: Wenn du so über «Steel And Starlight» denkst, fühle ich mich mit deinem Kompliment geehrt, fast ein bisschen geschmeichelt. Damals haben wir genau das getan, was wir tun wollten. Nämlich die Leute oder dich, mit unserer Musik zu berühren. Herzlichen Dank, dass du so über dieses Album denkst. Das ist etwas ganz Besonderes für uns und bedeutet uns sehr viel. Als Band verbinden uns sehr starke Gefühle mit jedem einzelnen Album. In allen vieren, und somit auch beim Neuen, stecken zu 100% Shok Paris drin.

MF: Gibt es Pläne zur Wiederveröffentlichung der ersten drei Alben?

Vic: Auburn Records hat «Go For The Throat» vor ein paar Jahren auf CD veröffentlicht, wie auch «Steel And Starlight - The Auburn Sessions», weil wir die Version, die IRS Records gehört, nicht veröffentlichen dürfen. Sie werden für IMMER die Rechte an «Steel And Starlight» und «Concrete Killers» besitzen und diese NIEMALS an die Band heraus geben.

MF: Dann waren IRS und Auburn die falschen Labels zur falschen Zeit?

Vic: Ich denke, IRS war ein grosser Fehler, da sie kein Metal-Label waren. Wir sind auf das erste Label aufgesprungen, das uns einen Vertrag anbot, um endlich unsere Musik veröffentlichen zu können. Aber ohne die Hilfe von Bill Peters und Auburn Records wäre vieles anders gekommen. Auburn war für uns das richtige Label zur richtigen Zeit. Wir sind noch immer gute Freunde von Bill. Er half uns bei No Remorse Records unter zu kommen, damit «Full Metal Jacket» veröffentlichen werden konnte.

MF: Könnten Shok Paris ohne dich oder Ken existieren?

Vic: Das glaube ich eher nicht. Ken und ich waren damals, wie auch heute, die Haupt-Songschreiber der Band. Das bedeutet aber nicht, dass wir die Ideen unserer Bandmitglieder ignorieren. Speziell wenn es um ihre Parts geht. Wir lieben es, wenn sie ihre Gedankengänge und Ideen einbringen, denn das trägt viel zum Gesamtbild und dem Gefühl der Songs bei.

MF: Sex, Drogen und Rock'n'Roll. Ein Klischee oder die pure Wahrheit?

Vic: Das war sehr REAL! Vielleicht nicht unbedingt für Shok Paris, aber wir verbrachten auf Tourneen, bei Shows und in L.A. im Studio genügend Zeit mit grösseren Bands, um sagen zu können, dass zu der Zeit "Sodom und Gomorrah" lebte und sehr real war (grinst). Es war ein völlig verrückter Moment.

MF: Welches war für dich die erfolgreichste Zeit?

Vic: Ich würde sagen, damals als wir mit Savatage und danach mit Lizzy Borden auf Tour gingen, eine tolle Zeit. Wir hatten jede Menge Spass mit den Jungs. Als nächstes gingen wir nach L.A. für die Aufnahmen zu «Concrete Killers», sind mit anderen Bands in Clubs und Bars rumgehangen und zum «MTV Rock n' Bow» gegangen. Jeder der Metal war, besuchte diese Veranstaltung, um mit Musikern und Bands abzuhängen, mit denen man aufgewachsen war und die wissen mussten, dass du und deine Band sehr cool ist! Lizzy stellte mir dort Don Dokken vor. Don sagte, dass er Shok Paris und meine Stimme liebte und er uns geholfen hat, bei IRS unter Vertrag zu kommen. Und NEIN, ich nehme ihm das nicht übel (lacht).

MF: Was waren die schwierigsten Momente für dich?

Vic: Ich würde sagen, als wir damals von der Lizzy Borden-Tournee kamen. Ich ging zurück nach Cleveland und versuchte einen neuen Tagesjob zu finden. Das war an und für sich schon schwer. Niemand wollte mich einstellen, weil sie wussten, dass ich jederzeit aufstehen und verschwinden würde, um auf die nächste Tournee aufzuspringen. Das Warten, die Langweile zwischen den Konzertreisen war sehr hart. Zudem wollte IRS eine Tour mit Black Sabbath arrangieren, was aber nie passierte. Der schwerste Rückschlag für mich war, die Band zu verlassen. Das tat unglaublich weh. Aber ich hatte es satt, dass das Label die Band nicht unterstützte, an dem Zeitpunkt, in welchem wir sie am meisten gebraucht hätten. Die anderen Bandmitglieder waren mit mir nicht einverstanden, ein anderes Label zu suchen. Darum stieg ich aus.

MF: Was war für dich in der Vergangenheit wichtig, und was ist es heute?

Vic: Da hat sich nicht viel verändert. Es war immer mein Anliegen grossartige Musik für unsere Fans zu komponieren. Das war der Ansporn vom ersten Tag an. Unsere Fans unterstützen uns seit über dreissig Jahren, und sie verdienen nur das Beste von uns. Ohne sie sind wir nichts.

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Vic: Wir planen nach «Full Metal Jacket» eine weitere Veröffentlichung in Angriff zu nehmen, arbeiten gerade an neuen Ideen und haben genügend Material für zwei weitere Veröffentlichungen. Wir wollen das Ganze am Laufen halten, nach dem «Shok Paris style».

MF: Hast du schon einmal in der Schweiz gespielt?

Vic: Nein, haben wir nicht, aber wir würden uns sehr freuen, bei euch spielen zu können. Ich bin sicher, eines Tages wird das klappen. Also drück uns die Daumen.

MF: Vic, ich danke dir, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten. Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft und hoffe, dich sehr bald wieder auf der Bühne zu sehen.

Vic: Shok Paris dankt dir für deine netten Worte und all deine Unterstützung. Du und all die Metal-Fans auf der ganzen Welt sind der Grund, warum wir immer noch da sind. Danke dir und Metal Factory, dass ihr den Metal am Leben erhält. "Horns up, my metal brother!".