Interview: Scalpel
Juli 2002
by Marco G.

Hier präsentiere ich euch das erste Interview aus einer Reihe von Interviews, in der ich euch verschiedene Metal-Bands aus der Schweiz ein bisschen näher bringen möchte. Gestartet habe ich natürlich in meiner Umgebung hier in Schwyz (ist alles so schön in der Nähe!! *grins*). Also viel Spass beim lesen und freue mich auch über eure Meinungen und Kritiken, einfach schreiben.......

In einem unscheinbaren Stall in Schönenbuch (SZ) liegt der Proberaum der Band Scalpel, so rustikal das Äussere des Stalles anmuten mag, im inneren haben die vier Jungs (Richi/ Vocals, Sanchez/Guitar, Moser/Bass und Reto/Drums) ganze Arbeit geleistet. Ein Proberaum bei dem man neidisch werden könnte, alles mit Schalldämmenden Schaumstoff ausgekleidet, Konzert fähige PA-Anlage vorhanden, Digitale Aufnahmegeräte, Mikrowelle und einfach alles was das Musiker-Herz begehrt wurde reingepackt. Also eine Band die es Ernst meint und wohl fast keine Kosten und Mühen scheut für die Musik.
Seit gut einem Jahrzehnt prügeln Scalpel nun durch den Schweizer Underground. Nach einer gut zweijährigen Konzert-Pause, in der es Line-Up Wechsel und Stil-Wechsel gab, stehen sie nun wieder auf der Bühne, somit ein guter Grund für mich die Band mal zu besuchen um mit ihr über die Zukunft und vergangenes zu sprechen.


MF: Erzählt zuerst mal etwas von eurer Entstehung und von der Zeit bis zum jetzigen Line-Up.

Richi: Im Vollsuff hatten Ich, Chubbi, Mänä und Basi die Idee eine Band zu gründen. Die ersten Proben fanden mit mir an der Gitarre, Mänä am Gesang, Basi am Bass und Marc am Schlagzeug, in der Garage bei mir zu Hause statt. So knüppelten wir eine Zeit lang, bis dann meine Mutter nicht mehr schlafen konnte und wir einen Proberaum suchen mussten. Den fanden wir in Schwyz und gleichzeitig kam Luki an der Gitarre dazu. Ich wechselte von der Gitarre zu den Vocals und Mänä und Basi verliessen die Band. Als nächstes kam dann Reto dazu (derselbe wie heute, aber damals noch an der Gitarre, Anm. d. Verf.) und so blieb es bis Luki die Band wieder verlassen hat.

Moser: Vorher kam aber ich noch dazu. Richi fragte mich in einem Vollsuff ob ich Interesse hätte.

Reto: Mich habt ihr auch in einem Vollsuff gefragt.

Richi: Ja, Alkohohl ist eine wesentliche Treibkraft in unserer Band gewesen, aber heute sind wir natürlich Top solid. Nicht mehr rauchen und trinken alles schlecht für die Stimme und die Musik. (Gelächter) Dann hat uns Luki verlassen und Sanchez ist für Luki eingesprungen, später hat uns dann auch noch Reto verlassen.

Sanchez: Dann waren wir eine Zeit lang zu viert, nachher kam Sager an der zweiten Gitarre dazu.

Moser: Also waren wir wieder zu fünft und nach einer Zeit hatte Marc aus schulischen Gründen keine Zeit mehr für die Band. Wir hatten dann sicher ein ganzes Jahr keinen Schlagzeuger mehr. Und so kam Guido als Drummer dazu.

Richi: Guido befand sich in einer Ausbildung und so verliess er uns nach einer Zeit wieder und wir hatten wieder keinen festen Schlagzeuger mehr. Reto kam dann mehr Session mässig ein paar mal spielen. Als wir ihn dann mit genug Bier bestochen hatten ist er bei uns als fester Drummer geblieben.

Sanchez: Und als letztes hat uns Sager verlassen, somit wären wir beim heutigen Line-Up.

Reto: Gegründet wurde die Band im Jahre 1993 und im 94 hatten wir unser erstes Konzert.

MF: Dann habt ihr ja bald Jubiläum.

Richi: Ja bald mal. Ähm... unser erster Text hat natürlich übers Trinken gehandelt, Vodka hiess dieses Stück und ist so eine Art Rausch-Philosophie gewesen. (Gelächter)

MF: Seid ihr mit dem jetzigen Line-Up zufrieden oder sucht ihr noch Mitglieder?

Reto: Wir sind eigentlich zufrieden so wie wir jetzt sind. Ein zweiter Gitarrist wäre vielleicht nicht schlecht, aber es wäre auch schwierig ihn wieder einzubinden. Mit der heutigen Technik kann man ja auch mit einem Gitarristen vieles machen, indem man ja die Gitarre zweimal abnimmt und zwei Boxen benutzt. Wir sind jetzt auch voll am Proben und es ist alles ein bisschen besser als früher; schneller, genauer und härter.

Richi: Ja, das Set ist jetzt doch relativ fest.

MF: Wie seid ihr eigentlich auf den Namen Scalpel gekommen? Ist der auch im Suff entstanden?

Richi: Ja, der ist auch im Rausch entstanden. (Gelächter) Wir wollten etwas das sich irgendwie schnittig und giftig anhört. Scalpel, Messerscharf und gnadenlos!

MF: Wie ist es eigentlich zu euerer Stiländerung gekommen? Im Gegensatz zu früher seid ihr heute mehr Ami-Death als Schweden-Death orientiert.

Reto: Das ist wahrscheinlich dadurch gekommen, dass Sanchez zu uns gestossen ist und er seine Einflüsse mit Reingebrungen hat. Es liegt aber auch daran das wir unsere Instrumente besser beherrschen als früher und wir technischere und kompliziertere Musik machen wollten.

MF: Wie bezeichnet ihr eure Musik?

Sanchez: Natur-Death-Core-Alpenrock. Nein, einfach Death Metal.

Richi: Mundartrock, denn wir haben jetzt auch einen Text auf Schweizer-Deutsch der „Dr Närchtlig“ heisst, ist gerade fertig geworden.

Reto: Ich würde sagen technischen Death Metal.

MF: Ihr seid eigentlich früher die härteste Innerschweizer Band gewesen. Wie ist das heute, da es ja neue Death-Metal Bands hier in der Region gibt? Habt ihr irgendwie Konkurrenzgefühle?

Richi: Also, im Saufen kann uns niemand schlagen. (Lacht)

Reto: Konkurrenz gibt es keine, denn wir sind mit all diesen Bands gut befreundet und es ist auch ein grosser Zusammenhalt da.

Richi: Ja, wir sind alles Kollegen und es ist nicht so das ein Neid entsteht. Die härte einer Band ist sowieso immer Ansichtsache, für den einen ist die Geschwindigkeit hart und für den anderen ist der Groove etwas hartes. Wir sind sicher nicht Softie von dem her, ich denke mal wir sind wahrscheinlich härter als 80% der Bands die wir sonst von hier kennen.

MF: Wie ist es eigentlich in euren Anfängen gewesen als die härtere Sparte des Metals noch nicht so Anklang gefunden hat in der Region? Seid ihr auf viel negative Reaktionen gestossen?

Richi: Manchmal sind die Leute etwas böse geworden wenn man auf der Bühne Feuerspeien ausgeübt hat.

Reto: Sehr viele Leute sind überrascht darüber gewesen dass wir so hart waren. Da wir früher wirklich die härteste Band in der Region gewesen sind.

Moser: Es ist eigentlich mehr positiv als negativ von den Leuten aufgefasst worden.

Richi: Es hat hier früher praktisch keinen Death-Metal gegeben. Das gröbste was es damals hier gegeben hat sind Bands wie Verwaint und Rap’s Death gewesen. Doch sind diese Bands wieder in anderen Bereichen der Musik angesiedelt gewesen und wir waren damals wirklich schon Death-Metal, einfach noch etwas Nordisch angehaucht.

MF: Ihr habt nach längerer Pause am Undergrind Freak Fest in Sursee das erste Konzert gehabt. Wie waren die Kritiken über das Konzert?

Richi: Das Konzert war gut, es hätte schlimmer kommen können. Ich bin eigentlich zufrieden gewesen.

Moser: Wir sind sicher ein bisschen untergegangen neben den grossen Bands wie Deeds of Flesh oder Pyaemia. Es ist natürlich sehr schwierig solche Bands zu topen. Und gleich beim ersten Konzert mit solchen Bands zu spielen ist natürlich mit grosser Nervosität verbunden.

Reto: Es war aber sicher ein super Erlebnis!

Sanchez: Die meiste Kritik bekamen wir von unseren Kollegen und von den Leuten die wir gut kennen, sonst eigentlich weniger. Die Kritik war eigentlich durchaus Positiv.

Richi: Ich denke mal wir haben uns sicher nicht schlecht geschlagen. Wir haben schon miesere Konzerte erlebt.

Reto: Es ist sicher eines der besten gewesen die wir bis jetzt hatten.

Richi: Es sind natürlich auch alle mehr motiviert gewesen, da dieses Konzert wirklich mit Death-Metal Bands gewesen ist. Früher haben wir zwischendurch auch Konzerte mit Rockbands gehabt und dann ist es einfach so gewesen dass dich das Publikum ein bisschen schräg angeschaut hat, wenn du als Death-Metal Band aufgetreten bist; da sie diese Musik ja gar nicht gekannt haben.

MF: Dann habt ihr ja sicher auch ein Paar dazu bewegen können Death-Metal zu hören?

Richi: Ja ja,... Viele dachten aber auch das Mikro sei wohl kaputt. (Lacht)

MF: Ihr investiert ja ziemlich viel Zeit und auch Geld in die Musik. Was gefällt und fasziniert auch denn so an der Metal-Musik?

Reto: Es ist einfach etwas spezielles, es ist ein Lebensstil. Es ist nicht nur die Musik selber, sondern es sind auch die Kollegen, das ganze Umfeld und die vielen netten Leute, die das Ganze ausmachen. Es gibt einem auch einfach Kraft.

Moser: Es füllt mich aus, sinnvoll eigentlich. Man lehrt immer dazu und man kann nur besser werden.

Richi: Death-Metal ist wie eine Droge, wenn du einmal anfängst auf der Bühne zu spielen, möchtest du am liebsten nicht mehr runter. Es gibt dir wirklich eine gewisse Kraft, einen Kick, wie Reto gesagt hat.

Moser: Es ist irgendwie wie das Feeling „Sex, Drug’s and Rock’n’Roll“: (wobei es wohl eher „Death’n’Metal“ heissen müsste, Anm. d. Verf.) Musik machen, Trinken und Weiber! (Gelächter)

Richi: Andere saufen sich voll und schlagen dann drein und bei uns geht die ganze Aggression und Brutalität in der Musik raus; von dem her ist es von mir aus gesehen auch ein Ventil und somit sind alles relativ friedliche Menschen in der Szene. Aber trotzdem wird uns ja auch vorgeworfen wir seien irgendwelche Blutrünstige weiss nicht was. Die Leute müssen nun mal einfach etwas dummes herumreden. Wenn natürlich irgendwo ein Kreuz umgeworfen wird oder so, ist das für die Medien ein gefundenes Fressen.

MF: Seid ihr eher eine Band die weit vorausschaut und sich die Ziele hoch steckt oder nehmt ihr das Ganze nach und nach?

Reto: Ähm... also vor allem im letzten Jahr als wir mit diesem Line-Up einen Neuanfang gehabt haben, haben wir unsere Ziele schon gesetzt und wollen recht weit kommen; sicher viele Konzerte machen und eine CD ist sicher auch in Planung. Wir wollen auch vermehrt nicht nur in der Schweiz spielen, sondern auch im Ausland Konzerte geben und nehmen dafür auch gerne mal 12 Stunden Fahrzeit auf uns.

MF: Wenn ihr neue Stücke schreibt, seid ihr dabei eher Perfektionisten oder gebt ihr euch schnell mit einem Stück zufrieden?

Moser: Die Stücke schreibt ja hauptsächlich Sanchez und ich glaube schon das er ein Perfektionist ist.

Sanchez: Ja, ich habe schon ziemlich lange an einem neuen Stück, soll heissen so um die zwei Monate im Durchschnitt.

Reto: Dann wird es auch noch ausgefeilt mit der ganzen Band, bis wirklich jeder Schlag sitzt.

MF: Geht ihr dabei auch viele Kompromisse ein oder sagt einfach nur Sanchez wie das Stück sich anhören soll?

Richi: Es werden schon Kompromisse gemacht. Es ist nicht so das strikte Diktatur herrscht und gesagt wird nur so und nicht anders. Es kann jeder etwas in die Stücke reinbringen; klar es gibt Sachen die gefallen jemanden und dem andern wieder nicht, aber wir werden uns schlussendlich immer einig. Man kennt mit der Zeit auch den Stil der Leute und weiss wie man sich reinleben kann.

Reto: Wir harmonieren recht gut, so dass es nicht immer in jedem Stück Änderungen geben muss oder jemand sagt das ihm das Ganze nicht gefällt.

MF: Wie sieht für euch ein perfektes Konzert aus?

Reto: Dass wir sicher die Leute mitreissen können, dass es ihnen gefällt und sie auch die Köpfe schütteln, dass wir selber fast fehlerlos spielen können und der Sound stimmt; darum muss man auch beim Soundcheck darauf achten dass es gut klingt und nicht das Ganze einfach nur dem Mischer überlassen und denken, ist uns doch egal wie’s klingt.

Richi: Super ist es auch wenn der Funken springt und man merkt die Leute wollen mitmachen. Heute ist es ja aber oft so dass der grössere Teil des Publikums nur herumsteht, da die Leute auch ein bisschen verwöhnt sind heutzutage, es gibt ja immer mehr sehr gute Bands.

MF: Wenn ihr „Früher“ gleich ansprecht, habt ihr denn das Gefühl dass es früher besser gewesen ist von der Stimmung und allem Drumherum her?

Richi: Früher haben die Leute einfach viel mehr Freude an der Musik gehabt und heute steht man allem viel kritischer gegenüber. Zu der Zeit als ich zu Konzerten ging, sind wohl so 10 Jahre oder mehr, ist wirklich bei fast jeder Band gemosht und mitgemacht worden. Heute stehen einfach viele Leute nur noch da.

Reto: Ich denke es liegt wohl daran, weil es früher hier nicht viele Konzerte gegeben hat und heute machen Swiss M.I.N.D. oder die Metal Die Hard Front sehr viele Konzerte und somit ist man teilweise einfach übersättigt. Man besucht sie aber trotzdem, da immer mehr sehr gute Bands spielen und dann aber nicht mehr so aktiv teilnimmt.

Sanchez: Der grosse Vorteil als Band ist wiederum, dass man sicher sein kann das es den Leuten auch wirklich gefällt wenn sie mal mitgehen.

Moser: Es liegt wohl auch daran das man den Leuten nicht mehr einfach einen Müll vorlegen kann und erwarten kann das sie trotzdem mitmachen. Man ist heute einfach viel kritischer der Musik gegenüber als früher. Es gibt schon so viele gute Bands die es zu topen gilt oder man mitzuhalten muss, der Vergleich ist heutzutage einfach viel grösser.

MF: Meine letzte Frage noch, wie seid ihr zum Metal gekommen?

Reto: Bei mir hat sich der Stilwechsel ganz krass vollzogen. Zuerst hörte ich Michael Jackson und so, kannte also noch kein Death-Metal, irgendwann hat mal ein Kollege ein Decide Tape abgesielt und es hat mich einfach gleich sehr fasziniert. Danach hab ich die Musik eigentlich alleine gehört, ich bin also ohne Kollegen gewesen die diese Musik auch gehört haben. So hab ich selber nach CDs Ausschau gehalten und später habe ich dann meine heutigen Kollegen kennen gelernt die diesen Sound auch hören.

Moser: Ich habe mehr mit so mit achtziger Jahre Pop, Nena und Münchner Freiheit, also mehr Deutschem Zeugs angefangen. Dann gab es einen Kollegen der ne Disco hatte, und früher ist in den Discos sogar noch Iron Maiden gespielt worden, so fing ich an Iron Maiden zu hören. Später hat sich das dann gesteigert über Metallica, Slayer und Halloween war auch noch dazwischen, so wurde es stufenweise immer ein bisschen krasser und ein bisschen härter.

Sanchez: Bei mir war’s mehr so der klassische Weg. Auf unserer Schule sind die meisten immer mit Jeans-Jacken rumgelaufen und haben Slayer und Metallica Aufnäher gehabt. Es hörten auch alle AC/DC und so hab ich auch angefangen AC/DC zu hören, danach Metallica und immer ein bisschen mehr.

Richi: Angefangen hat’s bei mir mit Pop-Musik, mit Kassetten die ich von einem Kollegen bekommen habe und auch gehört habe, aber es hat mir nie etwas so richtig gefallen. Irgendwann bekam ich dann mal eine Kassette in die Finger auf der die erste Scheibe von Kreator drauf war und das hat mir dann super gefallen. Dann hat’s bald mit Bands wie Hellhammer und Possesed angefangen und hat sich dann auch immer mehr gesteigert bis in den Death-Metal. Früher hat man auch immer nach schnellerem und noch extremerem gesucht und heute gibt es so viele extreme Sachen das es fast nicht mehr überblickbar ist, früher war das eine absolute Rarität. Getreu dem Motto: „Schneller, Härter, Lauter!“

MF: Das war’s, danke euch für dieses Interview.

Alle: Danke dir!