Die Apokalyptischen Reiter wurden früher oft als
nicht ernstzunehmende Band belächelt, haben ihren Kritikern aber inzwischen die kalte
Schulter gezeigt und bewiesen, dass auch sie sich über längere Zeit in der Branche
halten können. Die neue CD bei "Nuclear Blast" tut ihr Übriges dazu. Grund
genug, sich einmal näher mit der ostdeutschen Band zu beschäftigen und ein Interview zu
führen. Mein erster Termin musste allerdings abgesagt werden, da sich Volk-Man Probleme
mit der Bandscheibe eingehandelt hatte. Zum Glück war er bald wieder vollständig genesen
und in sehr guter Laune. So wurde es für mich ein sehr interessantes Gespräch.
MF: Wie geht es dir denn gesundheitlich, ist alles soweit wieder klar?
Volk-Man: Ich hatte mir einen Nerv eingeklemmt gehabt und das war lästig, denn ich konnte
eigentlich nur noch stehen oder liegen, aber nicht mehr sitzen. Das macht man ja aber
eigentlich am meisten am Tag, das ging aber nicht mehr. Ich musste dann kurzerhand alles
canceln. Aber jetzt ist es wieder völlig in Ordnung. In Zukunft muss ich wohl Warm-Up
Gymnastik vor den Shows machen. Ich musste meinem Arzt die Bewegungen zeigen, die ich auf
der Bühne mache. Er hat dann gemeint, es wäre nicht schlecht, sich vorher warm zu
machen.
MF: Fällt dir ganz spontan irgendetwas ein, das du uns gerne über die neue CD
erzählen möchtest?
Volk-Man: Oh mein Gott, das ist immer sehr schwierig. Es ist eine CD, die so spannend ist,
wie das Leben selbst. Es gibt viele Hochs und ebenso viele Tiefs. Ich denke, bei dieser
Mixtur wird sich der eine oder andere beim Anhören selbst wieder finden.
MF: Seid ihr deshalb auch auf den Titel "Have a nice trip" gekommen?
Wollt ihr den Hörer, der sich die CD reinzieht, praktisch wie auf eine Reise schicken?
Volk-Man: Ja, genau das war die Grundidee. Als die Songs dann standen, haben wir bemerkt,
dass es nicht nur vom Textlichen ein Hoch und Runter ist, sondern auch vom Musikalischen
her. Wir haben einfach immer gesagt, wir schreiben nur die Songs, die wir in dem Moment
auch fühlen. Wenn es einen gerade gut geht, dann schreibt man sicherlich auch etwas
Positives und wenn man sich in einer Depri-Phase befindet, dann ist es manchmal sehr
melancholisch, was aus einen herauskommt. Es erinnert durch die Vielfalt oft an manche
guten oder schlechten Tage, wenn man die Songs geschrieben hat. So passte es ziemlich gut
als Albumtitel für uns.
MF: Gibt es einen speziellen Song auf dem Album, der dir ganz besonders am Herzen
liegt?
Volk-Man: Auch das ist sehr schwer zu beantworten. Wir haben uns zum Beispiel sehr
abgemüht Songs zu finden, die für CD-Compilations verwendet werden können. Musikalisch
gesehen gibt es einfach keine Songs auf der CD, die für das ganze Album stehen, sie sind
einfach zu verschieden. Es gibt halt überaus heftige Sachen und daneben aber auch sehr
sehr ruhiges, getrageneres Material. Vom Inhaltlichen her ist es jedoch am ehesten in
Richtung "We will never die". Es ist einfach ein Stück für die ganze
Metal-Szene. Der Titel ist nicht so sehr auf die Reiter bezogen, dass wir denken würden,
wir sterben nie, sondern es geht um die ganze Metal-Bewegung. Sie hat sich allen
Unkenrufen zum Trotz durchgesetzt und das ist etwas, was uns von allen andern Musikstilen
unterscheidet. Es ist vor allem ein ganz anderes Gefühl, das innerhalb der Szene
vorherrscht.
MF: War es dieses Mal bereits einfacher, wieder Texte in Deutsch auf die CD zu
nehmen?
Volk-Man: Auf der letzten Scheibe "All you need is love" hatten wir uns schon an
deutschen Texten versucht, wussten aber zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, ob das auch
ankommt. Es war da ganz anders. Man schreibt eben seine Texte auf deutsch und weiss aber
nicht, wie die Leute das aufnehmen, ob es gut ankommt oder schlecht. Dieses Mal wussten
wir, dass die Fans bei den Konzerten die ganzen deutschen Songs mitgeschrien hatten.
Deshalb haben wir diese Texte aktuell mit einem wesentlich sichereren Gefühl in Angriff
genommen. Sie sind auch absichtlich in deutsch, denn gerade wenn es um Emotionen geht, ist
die Übersetzung ins Englische immer so eine Art Kahlschlag. Da geht viel verloren und es
ist einfach nicht mehr dasselbe Gefühl, das man ausdrücken wollte. Deswegen sind nun
relativ viele Songs in unserer Muttersprache drauf, obwohl ich sagen muss, dass es für
alle nicht deutsch sprechenden umso schwerer wird. Da muss man dann schon schauen, die
nötige Balance halten zu können.
MF: Also meinst du damit, dass die ausländischen Fans diesmal den Texten weit
weniger folgen können?
Volk-Man: Ja genau, vor allem die Italiener oder Spanier, die selten Deutsch sprechen,
haben wirklich überhaupt keine Ahnung, um was es sich in den Songs dreht. Ich denke, man
sollte, wenn man deutsche Songs hat, eine englische Übersetzung anbieten. Leider hat das
bei der neuen CD nicht mehr rechtzeitig geklappt. Wir wollen das jetzt aber auf alle
Fälle auf der Homepage nachholen. Die Texte sind immerhin ein wichtiger Bestandteil der
Band.
MF: Das halte ich für eine gute Idee. Allerdings bedeuten deutsche Texte nicht
gleichzeitig, dass man im Ausland keinen Erfolg hat, siehe Rammstein!
Volk-Man: Ja, aber unsere Texte sind uns wichtig und wir hätten es gerne, dass auch
Engländer oder Amerikaner wissen, über was wir schreiben.
MF: Beim Anhören hatte ich sowieso das Gefühl, dass eure Texte sehr persönlich
sind...
Volk-Man: Ja, das sind sie zu 100%, und deshalb ist es manchmal auch sehr schwierig, sie
überhaupt zu schreiben. Sie sind sehr stark an die eigenen Emotionen gekoppelt und es
gibt wirklich nur sehr wenige fiktive Songs bei uns. Auf dem neuen Album ist gerade mal
"Fatima" etwa so aufgebaut. Dabei geht es um eine Art imaginäre Frau. Jeder
Mann hat irgendwo in seinen Gedanken ein weibliches Wesen, das er möglicherweise anbetet
oder vergöttert, aber nie haben kann. Irgendwie entrückt, aus welchen Gründen auch
immer. Das ist das Einzige, wo es ein wenig Fantasy gibt, ansonsten enthalten alle Texte
jedoch reelle Bezüge zum eigenen Leben.
MF: Ist es bei so persönlichen Texten nicht sehr schwierig, wenn man darauf
Kritik bekommt?
Volk-Man: Ja, da muss man dann einfach unterscheiden, wie die Kritik gemeint ist. Ob es
eine offensichtliche Kritik an der Musik, am Musikstil ist, oder... hm, nein, Kritik an
Texten ist mir bisher noch nie untergekommen. Da weiss ich gar nicht, wie ich darauf
reagieren würde, schwer zu sagen. Ich denke aber, was man selbst zu sagen hat..., da baut
man sich eine Art kleinen Panzer um einen herum auf und lässt keinen heran. Wenn wir zum
Beispiel Songs schreiben, gibt es wegen der Musik immer Diskussionen, da wir eine typische
Proberaumband sind und alle zu den Songs etwas zu sagen haben. Aber wenn jemand einen Text
einbringt, der ins Konzept reinpasst, dann gibt es darüber eigentlich keine
Meinungsverschiedenheiten. Da wird nicht debattiert, was da drin steht. Wenn jemand den
Songtext so schreibt wie er ist, dann wird er schon seine Gründe dafür gehabt haben.
MF: Entstehen die Songs dann bei euch nach einem demokratischen Prinzip, das
heisst in Zusammenarbeit im Proberaum oder bringt einer von euch zuerst eine neue Idee mit
und spielt den neuen Song einfach vor?
Volk-Man: Den Löwenanteil an den Songs hat sicher Fuchs, unser Sänger und Gitarrist. Er
schreibt das Meiste zu Hause und hat auch oftmals eine Vision, was die Arrangements
angeht. Dr. Pest, unser Keyboarder, hat natürlich auch noch sehr viel Einfluss. Fuchs...,
genau! Wenn er einen Part hat, bei dem nur die Rhythmusgitarre spielt, da weiss er
einfach: an der Stelle wäre Platz für Keyboard, es würde sich nicht beissen oder so.
Ich denke, das läuft darauf hinaus, dass es meistens eine Rohversion von ihm gibt und
dass wir dann im Proberaum die Lücken füllen. Am Anfang ist ja auch noch gar nicht klar,
welche Riffs in welchen Song passen. Manchmal zerhackt man Songs in der Mitte und macht
mit einem anderen weiter. Das ist eigentlich bei uns die Hauptarbeit. Deshalb können wir
auch nicht am Computer arbeiten. Wir hatten das in der Zeit versucht, in der wir krank
gewesen sind. Wir versuchten, alles am Rechner zu arrangieren, aber das war viel zu
aufwändig. Wir spielen neue Sachen normalerweise immer gleich ein paar Mal im Proberaum,
um das gewisse Feeling zu bekommen, und das kann man nur herausfinden, wenn man es selbst
spielt. Man muss es einfach spielen, um herauszufinden ob es rockt, oder nicht.
MF: War es denn für euch als Band eher gut oder schlecht, dass ihr schon bei so
vielen Labels wart? Verglichen mit anderen Bands habt ihr ja doch sehr viele Wechsel
hinter euch.
Volk-Man: Mir wäre es lieber, wir hätten von Anfang an ein Label gehabt, das zu uns
gestanden und seinen Job gut gemacht hätte. Es war sehr nervenaufreibend. 2001/ Anfang
2002 war für uns die Zeit, in der wir massive Troubles hatten. Unser erstes Label
"Ars Metalli" war zu dem Zeitpunkt gerade auf dem Weg, Pleite zu gehen, aber sie
hatten noch die Rechte für unsere ersten beiden Scheiben. Die waren zu dem Zeitpunkt aber
nicht mehr erhältlich. "Hammerheart", wo wir damals unter Vertrag waren, hatten
sich bei uns überhaupt nicht mehr gemeldet. Wir bekamen keine E-Mails mehr, keine Anrufe
und auch keine Abrechnungen mehr, gar nichts! Wir waren soweit, echt wahnsinnig zu werden.
Man versucht die Band weiterzubringen und die Labels sind in dem Augenblick keine Hilfe
mehr, sondern wie ein Klotz am Bein. Das war eine sehr frustrierende Geschichte. Da bist
du dann an einem Punkt angelangt, an dem man kein Vertrauen mehr in irgendjemanden hat.
Deshalb war es auch eine relativ schwierige Geburt mit "Nuclear Blast". In dem
Sinne, dass wir uns überhaupt wieder auf ein Label eingelassen haben. Wir hatten
ursprünglich vor, ein eigenes Label zu gründen, mussten aber einsehen, wenn wir es
professionell betreiben wollten, dass einer aus der Band aussteigen und das als
Vollzeit-Job machen müsste, ganz abgesehen von der finanziellen Seite. Es wäre einfach
für uns als Band nicht machbar gewesen, grosse Mengen an Geld für Studio, Promotion und
alles Weitere aufzubringen. Das wäre Wahnsinn. Deshalb sind wir wirklich heilfroh, dass
wir bei "Blast" gelandet sind und von ihnen unterstützt werden. Sie sagen jetzt
nicht: "Ach ja..., die Reiter, wir nehmen sie noch so ein bisschen unter Vertrag,
weils kein anderer macht", sondern sie haben eine Vision mit der Band, so wie
wir eine Vision von unserer Musik haben. Du merkst es einfach, wenn jemand mit dir
zusammenarbeiten will und dir Vorschläge macht oder lustlos handelt. Das ist jetzt das
erste Mal überhaupt.
MF: Ihr fühlt euch also wohl bei Nuclear Blast?
Volk-Man: Absolut! Die Reiter sind da noch ein unbeschriebenes Blatt. Wir haben
"Nuclear Blast" noch keinerlei Reichtum beschert, umso mehr sind wir erstaunt,
was die alles für uns machen. Das hätten wir in dem Masse so gar nicht erwartet, denn es
wäre auch nicht ihre Pflicht gewesen. Soweit hatten sie sich auch vertragsseitig nie
geäussert. Das ist jetzt schon alles relativ spannend.
MF: Bemerkst du für euch auch weitere Vorteile durch den Labelwechsel? Werdet ihr
jetzt eher beachtet?
Volk-Man: Unbedingt! Ich merke das bei der Homepage. Wir machen für sie ja keinerlei
Werbung und ich sehe, dass wir in den letzten zwei, drei Monaten einen richtigen Run auf
die Homepage gehabt haben. Bis knapp vor Weihnachten besuchten uns um die 100'000 Besucher
seit April 1999. Und jetzt stehen wir bei 320'000 Hits. Innerhalb von ein paar Monaten
klickten also 200'000 Leute auf die Seite und das hat eindeutig mit "Nuclear
Blast" zu tun, weil die Reiter jetzt in Katalogen und im Merchandising vertreten
sind. Ich sehe die Band bis dato immer noch als Geheimtipp, da wir nie grossartigen
Labelsupport hatten, egal wobei. Beim Wacken 2001 haben wir uns zum Beispiel echt gefreut,
denn unsere Fans hatten uns auf das Festival gevotet, weil die im Wacken-Forum einen
riesen Terz veranstaltet haben. Jetzt ist es irgendwie so, dass du acht Monate vorher
schon weisst, dass Du in Wacken spielst, ohne dich überhaupt einmal darum bemüht zu
haben und ich sage, dass dies jetzt eine ganz andere Geschichte ist als früher. Wenn Du
jetzt als Musiker hingehst und sagst, du möchtest nur Musik machen und nichts mehr
anderes arbeiten, dann musst du schon schauen, dass du so oft wie möglich live spielst
und deine Schallplatten entsprechend anderen Leuten vorstellst. Das Schwierigste ist,
Leute erst einmal dazu zu bewegen, dass sie sich die Mühe machen, in die CD reinzuhören.
Ich denke auf alle Fälle, dass die Reiter eine Art von Musik machen, die überzeugen kann
und die Leute mitreisst. Deshalb sehe ich es auch als eine sehr gute Chance an, zum
Beispiel einen Song auf einer CD eines grossen Magazins platzieren zu können. So kann man
den Bandnamen jemandem vorstellen, der von der Band noch nie gehört hat. Die Fans von
heute wollen einfach wissen, was Sache ist und eine Printanzeige ist da halt nicht ganz so
toll.
MF: Hältst du eure Homepage für sehr wichtig, um auch speziell mit den Fans in
Kontakt zu bleiben?
Volk-Man : Ich betreibe die ja alleine, wir haben keine Firma, die sie für uns macht.
Gerade das Gästebuch und das Forum ersetzen eben viel Fanpost. Was früher einfach im
Postfach gelandet ist, kommt jetzt ungefiltert auf der Website an, egal ob nun Positiveres
oder Negatives und man fühlt dabei die generelle Stimmung. Das ist auch alles ganz cool.
Es ist auch schön, wenn man am Wochenende irgendwo live gespielt hat, heim kommt und
dreissig neue Einträge im Gästebuch vorfindet, in denen sich die Leute über das Konzert
gefreut hatten und meinten, es sei cool gewesen. Da bekommt man so ein gewisses Feeling
und ich möchte die Homepage als Medium auch nicht mehr missen.
MF: Ich habe auf der Site gelesen, dass ihr einen Film plant, wie sieht es denn
damit aus?
Volk-Man: Die Planung läuft in unseren Köpfen permanent nebenher. Das ist auch so ein
Ding, von dem wir überhaupt keine Ahnung hatten, was so ein Film überhaupt kostet. So
etwas ist unvorstellbar teuer. Falls die neue CD gut läuft, gibt es die Idee, dass die
Reiter nächstes Jahr eine DVD machen, auf der es recht neues Live-Material geben soll.
Vielleicht auch aus Wacken dieses Jahr. Mit mehreren Kameras gefilmt, also in einem recht
hohen Standard. Wir haben noch Unmengen alter Videos, die auf unseren Konzerten früher
mitgeschnitten worden sind und teilweise Backstage-Material enthalten. Das ist von der
Qualität her zwar leider nur mittelprächtig, könnte aber für beinharte Fans relativ
interessant sein. Im Zuge dessen könnte man, sagen wir noch so eine Art
Roadmovie-Geschichte daraus machen, allerdings lowbudget. Ich habe Kontakt zu einigen
Filmleuten und da könnten wir relativ preisgünstig Equipment mieten. Wenn wir halbwegs
eine gute Story haben, könnte man das auch an zwei Wochenenden abfilmen. Es soll so eine
Art Roadmovie im Stil der Leningrad Cowboys sein. Die Band spielt sich selbst und es muss
eben irgendwo eine vertrackte Story vorhanden sein, die unserem Naturell auch entspricht,
also ein wenig abgedreht ist. Wenn also schon eine DVD entstehen soll, kann sie nicht nur
einfach ein Video enthalten, das wäre für die Reiter zu langweilig. Es wäre für uns
schon wichtig, dass man bei der Realisierung auch wirklich sagt, dass es sich um etwas
Einmaliges handelt. Die Leute müssen nun bloss ganz fleissig unsere Scheibe kaufen, damit
"Blast" uns das Vertrauen ausspricht.
MF: Also bezüglich der Bezahlung meinst du?
Volk-Man: Ja genau. Es ist einfach so, es gibt ein Budget und viel Ausgaben, hoffentlich
auch Einnahmen. Am Jahresende wird dann ein Strich unter die Rechnung gemacht und dann
sagt die Plattenfirma ja oder nein dazu. Ganz nüchtern betrachtet läuft das so ab.
MF: Dann wünsche ich euch viel Erfolg mit der neuen Plattenfirma und viel Glück,
auf dass ihr eure Ziele erreicht. Vielen Dank für die Zeit, die du dir genommen hast!
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