Interview: Papa Roach
By Toby S.
Diese Band muss man wohl niemandem mehr vorstellen, denn spätestens seit ihren Hits „Broken Home“ oder „Last Resort“ sind Papa Roach immer wieder auf verschiedenen Sendern gespielt worden und haben sich so einen Namen gemacht. „Metamorphosis“ heisst ihr neuester Streich, und so ergab sich die Gelegenheit, Frontmann Jacoby Shaddix (JS) am späten Nachmittag bei uns und am frühen Nachmittag bei ihm am Telephon darüber zu befragen. Was er in seinem sichtlich turbulenten Leben in Songs verwandelt hat und wieso das neueste Werk das Album ihres Lebens ist, hat er der MetalFactory in bewegenden Worten geschildert.

MF: Hy Jacoby, wie geht’s?


JS: Ganz gut, man. Wir sind gerade dabei, die Tour mit Buckcherry und Avenged Sevenfold vorzubereiten. Wir freuen uns sehr darauf und sind gespannt, wie alles ablaufen wird. Wir haben nur eine knappe Woche Zeit, alles zu planen und durchzuziehen, und dann haben wir da noch die Show auf Rockline, somit ist alles ein wenig stressig, aber eben: Wir freuen uns sehr auf alles! (lacht)

MF: Eine Woche? Das wird knapp, aber ihr packt das schon.

JS: Danke dir.

MF: Ok, lass uns doch ein wenig über das neue Album reden. Zuerst einmal Gratulation von meiner Seite her, ihr habt da ein Stück Musik erschaffen, das sich zwar vom bisherigen Material unterscheidet, dennoch aber bekannt erklingt.

JS: Yeah, danke schön. Wir sind allesamt sehr stolz auf das Album!

MF: Das will ich doch hoffen. Meine nächste Frage zielt auf einen Track ab, von dem du dir sicherlich vorstellen kannst, welchen ich meine. Es geht um „Hollywood Whore“.

JS: Yeah, dieser Track macht Laune, man (lacht).

MF: Hast du zu viele „American Idol“-Shows gesehen?

JS: Nicht wirklich, solchen Blödsinn seh ich mir nicht wirklich an. Nein, es geht generell zwar schon auch um solche stupiden Casting-Shows, aber auch um den Wahn, der sich in der Gesellschaft breit gemacht hat. Es geht nur noch um das Oberflächliche, den Schein, Plastik, Fake etc. Mit diesem Song sagen wir diesem fabrizierten Mist den Kampf an, um nicht zu sagen wir wünschen all dem Zeugs den Untergang, in Amerika geht’s ja nur noch um die Idolisierung, nicht mehr um wirkliche Substanz oder echte Werte. Nichts aussagend, aber alle hören zu.

MF: Sag nichts, wir haben diesen Schwachsinn hier in der Schweiz auch.

JS: Yeah, wir machen halt einfach das, was wir können und wollen. Und genau deswegen ist auch dieser Song entstanden. Weißt du, mit diesem Track wollten wir einfach mal die Leute ein wenig wachrütteln, ihnen vor Augen halten, wie stumpfsinnig das Ganze eigentlich ist. Wir wollten auch eine Art Statement von uns geben, Papa Roach haben ja 1999 das erste Album rausgebracht, somit ist es eine Dekade her seit wir Songs machen, und mit „Metamorphosis“ wollten wir DAS Rock-Album machen, was uns meiner Meinung nach auch gelungen ist. Ich würde gar nichts an diesem Album verändern, absout nichts.

MF: Es gibt ja auch genug Bands im Rock-Business, die einfach ein Album der Kohle wegen produzieren, ohne Seele drin.

JS: Yeah, das ist leider wahr. Papa Roach haben halt immer Songs gemacht, die eine Reflektion von den Sachen sind, die unmittelbar im Umfeld passieren, somit direkt an den Leuten dran sind, ungeschminkt und ohne zusätzlichen Bullshit. Und genau das ist es, was Papa Roach-Fans mit der Musik so verbindet, die Ehrlichkeit, die Bodenständigkeit, einfach alles. Manchmal können sie sich mehr damit verbinden, manchmal weniger oder gar nicht, aber das ist ok. Denn wir machen einfach das, was wir mögen. Und gerade hier haben wir wirklich alle Karten auf den Tisch gelegt, deswegen sind wir auch so stolz auf das Album.

MF: Kannst du mir etwas über die Entwicklung von Papa Roach erzählen, die während all den Alben passiert ist? Existiert quasi eine Verbindung zwischen all den Alben, welche die Verwirklichung von „Metamorphosis“ überhaupt ermöglicht hat?

JS: Ja klar, ich meine, die gesamte Geschichte ist in diesem Sinne die Geschichte unseres Lebens. Bei „Infest“, als wir den Markt erstmals richtig geentert haben (es existiert noch ein allererstes Album, „Old Friends From Young Years“, das kommerziell nicht wirklich Beachtung gefunden hat, Anm. d. Verf.), war ich ein sehr wütender, hasserfüllter junger Mann, ich hasste die Welt, ich hasste mich selbst, und all diesen Hass und diese Wut habe ich in das Album und in die Stage Show gepackt, es war alles sehr selbstzerstörerisch. „LoveHateTragedy“ war dann ein sehr düsteres Album, und wir haben uns da selbst in eine neue Richtung zu pushen versucht. Ich meine, wie soll man an einen Klassiker wie „Last Resort“ anknüpfen? Ich hab dann versucht, mein Leben mehr in den Griff zu kriegen und mehr das Licht zu sehen, und all diesen Schmerz und die Frustration habe ich dann in „Getting Away With Murder“ gesteckt, und da ist effektiv eine Art von Hoffnung drin. Ich meine, vorher haben wir uns mehrheitlich selbst zerstört, vor allem auch bei der Stage Show Abend für Abend. Und eben diese Reflektion war hierbei gegeben, da hat dann alles ein wenig aufgehört. „The Paramour Sessions“ war einfach nur chaotisch gewesen, alles ist wieder ein wenig zusammengebrochen, mein Ex-Drummer musste durch eine Scheidung und hatte persönliche Probleme, mein Ex-Bassist hatte mit demselben Phänomen zu kämpfen, und ich war in meiner verdammten Sucht gefangen, Drogen und Alkohol, und diese Scheibe war eine Spiegelung all dieser Ereignisse. Aber hey, ich denke, jedes Mal, wenn wir durch Chaos hindurchgehen müssen, dann machen wir den besten Sound. Und „Metamorphosis“ ist jetzt wiederum anders, wir haben ja einen neuen Drummer, und der hat uns richtig Feuer unterm Hintern gemacht. Es war schön, dass wir uns endlich vollkommen auf die Musik konzentrieren konnten, jeder zog am gleichen Strang, und deshalb waren wir definitiv fokussierter als auch schon. Und das gab uns die Möglichkeit, endlich das zu tun, was wir eigentlich wollten, ohne dass wir uns immer noch mit anderen Dingen beschäftigen mussten. So konnten wir das Album unseres Lebens machen. Nicht, dass dies jetzt das Ende wäre, wir haben nämlich noch sehr viel zu sagen!

MF: Das ist gut zu wissen. Für mich persönlich ist es so, dass das neue Album jetzt sehr positiv klingt, anders als die vorhergegangenen Alben, die ja doch ziemlich negativ beladen waren.

JS: Es ist schlichtwegs das Album unseres Lebens, eine Reflektion, nimm nur mal den Song „Had Enough“: Ich hab wirklich genug von all der Gewalt um mich herum, die Zeit ist gekommen, dass endlich mal was verändert wird. Und ich glaube zwar nicht, dass wir die Welt mit nur einem Lied verändern können, aber vielleicht können wir den Leuten was mitgeben, das sie benutzen können, um schlussendlich was zu verändern. Es hat genug Gewalt und Krieg gegeben, und das Menschsein ist nun mal die Evolution, somit glauben wir, dass wir etwas ändern können. Eine sehr ähnliche Thematik greift ja auch der Song „Lifeline“ auf, das ist dann aber persönlicher gedacht, da geht es dann um Einzelschicksale. Aber das ist unser Beitrag als Band. Die Energie, die sowohl vom Sound als auch von der Band ausgeht, all dies trägt seinen Teil dazu bei.

MF: Schöne Aussage! Ich denke, dass ein einziger Song zwar nicht die Welt verändern kann, aber wenn viele Bands einen Song wie dieser jetzt machen und sozusagen die richtige Message zu den Leuten bringen, dann können viele Songs, die einzeln wenig bewirken, zusammen sehr viel erreichen.

JS: Man kann nie wissen!

MF: Schlussendlich ist es doch die Hoffnung, die man niemals aufgeben sollte, weil sie das Wertvollste in deinem Leben ist.

JS: Exakt! Da ist immer ein kleines Licht am Ende des Tunnels, der elenden Dunkelheit im Leben selbst, und man muss sich da durchkämpfen.

MF: Man muss das Licht nur sehen wollen und nicht die Augen davor verschliessen. Und das ist ja auch die Thematik schlussendlich auf „Metamorphosis“, denn der Sound klingt erwachsener, ausgewogener, und für mich persönlich klingt es so, wie wenn ihr endlich die Gelegenheit dazu gehabt hättet, das zu sagen und zu spielen, was ihr schon immer wolltet.

JS: Ich denke, da ist definitiv mehr Klarheit im neuen Album, in unserer Vision bezüglich unserer Musik. Ich meine, wir sind keine Topmusiker, wir haben niemals Stunden genommen oder sind ähnlich gedrillt worden, wir haben niemals Musiktheorie studiert. Aber genau das ist es, was unsere Musik ehrlich macht und es den Leuten da draussen erlaubt, eine Verbindung zu uns zu finden. Und wir sind sehr begierig darauf, das neue Material in die Welt hinauszubringen, nach Europa beispielsweise, und im April werden wir ja auch eine Show in der Schweiz spielen (am 28.04.2009 im X-Tra, Anm. d. Verf.), und es wird auf jeden Fall grossartig, wenn wir dann endlich vor all den Leuten stehen können. Wir werden leider nur einen Schnelldurchlauf durch Europa machen und dann wiederum nach Kanada gehen, um weiterhin mit Buckcherry touren zu können, dann werden wir wieder für einige Festivals in Europa sein, und somit werden wir für die nächsten anderthalb Jahre beschäftigt und unterwegs sein.

MF: Ihr habt also in nächster Zeit noch einiges vor. Das ist ja auch nicht schlecht, um weiterhin fokussiert bleiben zu können.

JS: Genau, ich meine, du weißt nie, wann es der letzte Tag in deinem Leben ist, somit gehen wir einfach da raus und spielen, was das Zeug hält, nicht nur unseretwegen, sondern hauptsächlich, um den Leuten eine grossartige Show bieten zu können!

MF: So soll es ja auch sein, das ist es, was eine Show speziell macht. Wir haben nicht mehr allzu viel Zeit übrig, somit möchte ich dir noch eine Frage stellen bezüglich des Tracks „Lifeline“, zu dem du ja schon kurz was gesagt hast. Kannst du diesen Song noch ein wenig näher erläutern?

JS: Ah ja, das ist ein sehr wichtiger Song! Wenn man sich mal ein wenig achtet, dann sieht man sehr viel Elend um sich herum. In Amerika beispielsweise ist es sehr chaotisch, während den Aufnahmen waren die Präsidentschaftswahlen, die ökonomische Struktur bricht zusammen, vielen Leuten geht es schlecht und sind obdachlos, durch den Hurrikan Katrina (2005) beispielsweise, und du kannst die Pein und den Schmerz in all diesen Augen sehen, da läuft dermassen viel schief in sehr vielen Bezirken… Und dieser Song behandelt eben diese Thematik, wenn du ganz unten komplett verloren bist, und es geht um diese Hoffnung, die wir schon angesprochen haben, dieses Licht, oder anders ausgedrückt diese „Lifeline“: Wenn du ganz unten angekommen bist, dann lernst du enorm viel über das Leben selbst. Als ich noch sehr jung war, war meine Familie für knapp ein Jahr obdachlos, und da muss man sich dann durchkämpfen und Stärke zeigen, den Willen aufrecht erhalten, um weiterzumachen, und das ist unsere „Lifeline“, sie gibt uns Hoffnung. Und dieser Song ist all den Leuten gewidmet, die am Kämpfen sind, die ganz unten angekommen sind und dennoch nicht aufgeben. Das haben wir auch im Video dazu versinnbildlicht.

MF: Ok, kommen wir langsam zum Ende des Interviews, was sind deine Worte an die Metalfans und die MetalFactory-Leser?

JS: Dieses Album ist das Album unseres Lebens, es ist ein Stück unserer Seelen und Herzen, und es ist auch für Metalfans sehr interessant, denn wir haben da dieses grossartige Solo im Song „Into The Light“, das von Mick Mars von Mötley Crüe gespielt wird, somit wird auch klar, dass wir mehr von Metal beeinflusst sind, als man vielleicht denken mag. Und ich hoffe, die Leute werden unsere Scheibe open minded anhören. Geniesst den Sound!

MF: Da bin ich mir sehr sicher. Jacoby, danke dir vielmals für das ausführliche Interview!

JS: Danke man, take care!