Interview: Metalium
3. November 2000 Z-7 Pratteln
Mit Lars Ratz by Francoise S.
Keine Furcht vor dem Teufel!
Nach dem Abgang von Savatage-Klampfer Chris Caffery und Star-Trommler Mike Terrana (sowie John Osborne), erschienen sämtliche Hoffnungen auf ein weiteres Werk der Mannen um Lars Ratz aussichtslos. Wer hätte erwartet, dass die hohe Qualität des Erstlings „Millennium Metal - Chapter One" ohne die beiden hochwertigen Musiker gehalten werden könnte?
Und wer hätte damit gerechnet, dass die Truppe nach dem öffentlichen Gefecht der Herren Ratz und Terrana zurück zur Band-Moral finden würde? - Wahrscheinlich die Wenigsten.
Nun, die Power-Metaller belehren uns eines Besseren und haben ihren zweiten Silberling aus dem Boden gestampft: „State Of Triumph - Chapter Two"! Ein erstklassiges und ausdruckstarkes Album, das jedem Zweifler das Maul stopft...

LARS: „Die Leute, die nicht erwartet hätten, dass wir ohne Caffery und Terrana eine genauso gute Platte machen können, wissen nicht, dass genau die beiden am wenigsten mit der musikalischen Seite der ersten Platte zu tun hatten. Die Musik wurde immer von Matthias (Lange, g) und mir geschrieben, und Henning (Basse, v) hat schon immer die Gesangslinien gemacht. Wir haben uns auch nie als etwas anderes gesehen als eine Band. Die Presse hat immer geschrieben, Metalium sei ein Projekt von Chris Caffery, dabei kam Chris zuletzt in die Band, als wir das Demo quasi schon fertig hatten. Metalium war immer eine Band, von Anfang an. Gegründet von Matthias, Henning und mir."

SMF: Mit welchen Zielen seid ihr an die Arbeit zu „State Of Triumph" gegangen?


LARS: „Genau wie bei der ersten. Nachdem die erste Platte das erfolgreichste Metal-Debut 1999 wurde, haben wir uns gesagt, wir machen alles genau so bei der zweiten CD. Wir gehen in den Proberaum, arrangieren, schreiben, nehmen auf und lassen uns nicht gross unter Druck setzen. Das ist auch schon alles. Die zweite CD ist kompakter und knackiger, die Gesangslinien sind ausgereifter. Also, 95 % der Weltpresse bescheinigt uns, dass das zweite Album besser ist als das erste. Das ist zwar Geschmackssache, aber ich will natürlich nicht motzen, wenn die Leute sagen, dass wir noch einen drauflegen konnten."

SMF: Meiner Meinung nach klingt „State Of Triumph" eine Spur aggressiver als der Vorgänger. Woran mag das liegen?

LARS: „Es ist bestimmt so, dass „State Of Triumph" definitiv einen Zacken härter ist. „Millennium Metal" ist ein bisschen grooviger, und die neue mehr so „auf die Fresse". Das war nicht bewusst sondern eine Entwicklung. Der Wagen kam ins Rollen, und jetzt rollt er ein bisschen zügiger. Man schreibt eben Lieder, wie man in der Verfassung ist. Wir hatten einen sehr guten Start und eine gute Zeit auf der Europa-Tournee. Das einzige, was uns genervt hat, war der Stress mit unserem alten Schlagzeuger. Das widerspiegelt sich wahrscheinlich im Songwriting, speziell bei mir. Die ganzen schnellen Songs sind typisch Ratz, die ganzen Groove-Songs sind typisch Matthias. So kann man immer sehr schnell wissen, wer welchen Song geschrieben hat. Obwohl wir das nicht auf die Platte schreiben, weil wir das nicht wollen. Wir wollen nicht dieses bullshit „ich bin so toll, hab den Song geschrieben". Wir sind eine Band und jeder schmeisst sein Gewürz in die Suppe. Also, wenn es aggressiver ist, dann wahrscheinlich, weil ich dieses Mal etwas mehr beigesteuert habe."

SMF: Du hast es schon erwähnt; „Millennium Metal" war das erfolgreichste Metal-Debut 1999. Wie sieht es mit dem Nachfolger aus


LARS: „Es sieht so aus, dass wir mit allen anderen Bands gekommen sind. Wir sind am selben Tag gekommen wie Gamma Ray, und nicht mal Gamma Ray ist in die Charts gegangen. Das heisst, im Moment ist es eben so, dass der Markt von neuen Metalbands voll ist. Die Szene muss sich jetzt gesundschrumpfen. Denn, wenn Gamma Ray mit dem letzten Album auf Platz zwanzig war, und mit dem neuen nicht mal auf die Warteliste der Charts kommt, ist das schon alarmierend. Auch wenn es ein Best Of-Album war, denn Gamma Ray ist eben Gamma Ray. Im Moment muss sich die Spreu vom Weizen trennen. Deswegen müssen die Bands raus, wie auch wir, und beweisen, dass sie live auf die Fresse hauen."

SMF: Steckt eine Botschaft hinter der Story eurer Konzeptalben?

LARS: „Ich würde sagen, eine Metapher ist schon im Konzept verborgen. Der Metalfan, der zum Metalkrieger wurde (auf dem ersten Album) und jetzt, auf dem zweiten, vom Metalkrieger zum Metalgott wird, indem er eben alle vier Elemente findet. Eigentlich ist es unsere eigene Story. Das müssen wir auch tun; wir müssen alle Elemente des Heavy Metal-Fantums erreichen. Wir müssen rausgehen und die Fans überzeugen. Und dann können wir, naja, ich will jetzt nicht sagen „Metalgötter" werden, aber wir können dahin kommen, wo wir wollen, nämlich zu einer ernst zu nehmenden Heavy Metal-Band."

SMF: Die Story ist ganz simpel, doch sie reflektiert unseren Zeitgeist. Glaubst du, dass Heavy Metal wieder tonangebend sein wird?

LARS: „Tonangebend, wo? In den Media Control Charts, nein. Heavy Metal war nie tonangebend, nicht mal in den Achtzigern. Das war zwar damals ziemlich gross angesagt, aber da gabs genauso Dance Music und so weiter. Heavy Metal sollte nicht mehr so gross werden, wies in den Achtzigern war, weil die Musik dadurch ihren Idealismus verliert. Wie damals mit Overkill. Es ging irgendwann nur noch darum, welche Plattenfirma die Band hat, wieviele Millionen reingepumpt werden und wie schick die Locken der Jungs sind. Und das hat halt nichts mehr mit dem Ur-Spirit zu tun. Der Ur-Spirit ist einfach, an die Sache zu glauben, zu kämpfen und dazu eine sehr grosse Portion Idealismus und Optimismus für die Sache zu haben. Das ist das, was wir fühlen."

SMF: Es gibt diesen internen Krieg im Heavy Metal. Was hältst du davon?

LARS: „Ehrlich gesagt kriege ich davon nichts mit. Ich als Musiker bin nicht in der Szene unterwegs, in der die Fans sich darüber unterhalten. Zudem ist es mir zu blöd, mich an einer solchen Diskussion zu beteiligen. Jeder sollte soviel Toleranz aufbringen, dass wenn er etwas nicht mag, es nicht als „scheisse" beurteilen sollte sondern einfach sagt „mag ich nicht". Mich hat schon immer die Qualität überzeugt. Ich kann mir durchaus Musik anhören, die nicht Metal ist, wenn sie gut gemacht ist."

SMF: Welche Musik hörst du dir denn privat an?

LARS: „Viel Klassik. Ganz ruhige Klassik. Den Kontrast, den brauche ich zum Ausgleich. In der Ruhe liegt die Kraft, und da muss ich schöpfen. Du erlebst mich ja jetzt als einer, der sehr harmoniebedürftig ist. Ich trinke gerne ein Glas Wein, habe Ruhe, und auf der Bühne bin ich genau das Gegenteil. Ich kann hinter den Kulissen ja nicht so energiegeladen sein wie auf der Bühne, das würde nicht gehen. Ich muss meine Batterien aufladen, um eben 110 % auf der Bühne zu geben. Das ist mir halt sehr wichtig. Wer jemals eine Metalium-Show gesehen hat, weiss, dass es hier nicht darum geht, verständnisvoll zur Musik zu wippen sondern, dass es hier richtig zur Sache geht."

SMF: Ihr habt dieses Jahr bereits anlässlich der Two Metal Dayz im Z7 gespielt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, euch seien die Leute davongelaufen. Wie hast du das erlebt?

LARS: „Das krieg‘ ich auf der Bühne nicht so mit. Wenn wir auf die Bühne gehen, geben wir immer alles, ob da zehn oder tausend Leute stehen. Das klingt zwar etwas platt, aber genau das ist der Grund, warum wir hier auf dieser Tournee sind."

SMF: Ihr habt inzwischen selber eine Menge Fans aus den verschiedensten Ländern. Bist du trotzdem selbst Fan geblieben?

LARS: „Jeder, der irgendeinmal Fan war von irgendwas, der hat dieses Gefühl im Herzen mal erlebt und wird es wahrscheinlich nie wieder los. Ich kann mich erinnern, als ich mit vierzehn oder fünfzehn mit dem Kopfhörer vor der Anlage meines Vaters sass und mir „Defenders Of The Faith" (Judas Priest) volles Brett gegeben habe. Ich war in der ersten Reihe bei Rainbow, Girlschool und Whitesnake und habe hinterher gewartet, damit ich Autogramme kriege. Dafür schäme ich mich überhaupt nicht. Ich bin sogar stolz drauf, dass ich aus diesem Fantum heraus angefangen habe, Musik zu machen. Das ist für mich ganz wichtig. Es gibt komischerweise ganz wenige Musiker im Heavy Metal, die jemals headbangend in der ersten Reihe standen. Wenn du Musiker fragst, ob sie jemals in der ersten Reihe standen und abgebangt hätten, oder ob sie jemals für eine Band gestorben wären, werden sie antworten „Nein. Ich habe klassische Gitarre gelernt...", und dies und das. Ich bin nicht so drauf, hab sogar eine Kutte gehabt..."

SMF: Sag nur, du gehst heute noch an Konzerte, stehst in die erste Reihe und bangst ab...?

LARS: „Leider Gottes, das wird jeder Musiker bezeugen können, verlierst du aufgrund deiner Kenntnis, die du erworben hast, die Leidenschaft für einige Dinge, wenn du selbst Musik machst. Das ist grausam. Mit andern Worten: Früher, als ich noch keine Musik gemacht habe, war Hermann Rarebell von den Scorpions für mich der grösste Schlagzeuger, weil er auf den Tokyo Tapes ein Schlagzeugsolo gespielt hat. So nen typischen Snare-Wirbel, der immer schneller wurde. Für mich war das der beste Schlagzeuger der Welt! Ich wusste nicht, wie einfach das ist, das klang einfach klasse für mich. Oder ein Fingertapping auf der Gitarre, ich sagte nur „wow!". Heute weiss ich, dass es einfach ist, und dadurch verliere ich den Respekt vor der Sache. Du analysierst automatisch. Das ist schade. Das ist das, was ich an meinem Beruf bedaure."

SMF: Wird es eine Fortsetzung der Bandgeschichte „Metalium" geben?

LARS: „Ja, definitiv!"

SMF: Vielleicht sogar ein drittes Kapitel der Metalian-Story?


LARS: „Ja, logisch! Das ist schon geplant."

SMF: Hast du noch eine Message an die Schweizer Metalium-Fans?

LARS: „Schwyzerland!? Für uns ist es ja so, dass wenn wir in der Schweiz, dann nur in Pratteln spielen, sonst gibt es hier ja nicht viel für Heavy Metal. Wir hatten eine gute Show hier letztes Jahr, und auch heute werden wir Gas geben! Ich bin mir sicher, nachher werden die Leute rausgehen und sagen, wie wir, wenn wir von der Bühne gehen, „yeah, das war richtiges Brett!". Bang that Swiss head that doesn’t bang!"

SMF: Na, das lass‘ ich am besten einfach so stehen...