Interview: Lacrimas Profundere
By Toby S.
Die Jungs aus deutschen Landen sind ja mittlerweile kein Geheimtipp mehr, da sie ja sehr viele Konzerte im Vorprogramm von diversen namhaften Bands bestreiten konnten, unter anderem auch letztens vor Crematory in Pratteln. Aber nicht nur das, auch die stetig steigenden Verkaufszahlen ihrer Alben spricht eine Sprache für sich. Früher waren sie im Bereich Gothic/Death Metal unterwegs, heute machen sie eher im Bereich Gothic Rock mit eingängiger Schlagseite Musik, wie man sie noch von Secret Discovery oder auch Cemetary zu „Sundown“- oder „Last Confessions“-Zeiten her kennt. Ihre Alben bekamen auch bei Metal Factory stets positive Kritiken, was natürlich eine gewisse Neugierde weckt, wer denn hinter dem lateinischen Bandnamen steckt, welcher übersetzt „Tränen vergiessen“ bedeutet, wie das Konzert vor Crematory abgelaufen ist und wie sich die weitere Zukunft der Band entwickeln wird. Deshalb hatte sich Oliver Schmid (OS) an einem Montagabend auch extra Zeit genommen, ein wenig (oder auch sehr viel) aus dem Nähkastchen zu plaudern…

MF: Guten Abend, und danke dir, dass du mich anrufst.


OS: Kein Problem, ich hatte eben nur ein wenig Schwierigkeiten, weil mir Napalm Records so eine Tabelle geschickt hat, mit Namen und Kontaktnummern drauf, und da kam immer nur ein Teil davon an, sprich mein Name und sonst nix. Dann haben wir ein paar Mal hin und her gemailt, bis ich dann gesagt hab: Ich brauch die Tabelle nicht mehr, schickt mir doch bitte nur die Telephonnummer, das reicht.

MF: Na super. Gut, also dann lass uns mal loslegen: Wie geht’s?

OS: Gut, sehr gut, wir waren ja vor wenigen Tagen in der Schweiz, in Pratteln, im Vorprogramm von Crematory. War ganz lustig, bis auf die Heimfahrt: Da habe ich mir so eine komische Grippe aufgeschnappt, ich hab mich schon während dem Konzert ein wenig schwummrig gefühlt, was ausnahmsweise mal nicht vom Alkoholkonsum her kam. Ja, und dann bin ich danach knapp eine Woche lang flachgelegen, aber jetzt passt’s wieder. Momentan hab ich’s ja eher stressig, weil ich mit dem Songwriting ein wenig im Verzug bin. In der Vergangenheit hab ich ja gerade nach der neuen Scheibe angefangen, neue Songs zu schreiben, aber diesmal war alles irgendwie total belegt mit Konzerten, Tourneen, sonstiges Gezeter, auch Interviews waren da natürlich dabei, mehr als sonst – und deswegen ist mein Zeitplan ein wenig durcheinander geraten, deshalb bin ich jetzt auch praktisch jeden Tag dran, neue Songs zu schreiben. Dann geht’s auch bald wieder ins Studio, wo wir dann die ersten Tracks bereits aufnehmen werden.

MF: Wo du das Thema schon erwähnst, darauf wollte ich auch noch zu sprechen kommen: Wie war denn das Konzert im Z7? Ich konnte leider nicht da sein, da meine Zugverbindungen bis dahin nicht so toll sind und ich ja auch wieder verfrüht hätte abreisen müssen.

OS: Ah, ist die Schweiz doch so gross?

MF: Ja doch, kann man so sagen – sie ist nicht so klein, wie man immer denkt.

OS: (lacht) Na macht nix, wir spielen ja am 14.05.2011 wieder in der Schweiz, in Herisau. Da sind wir ja dann auch der Headliner. Auch wenn das Konzert in Pratteln sehr lustig war und der Club immer sensationell ist, grad weil wir mit Crematory auftreten durften, so wird das dann doch noch anders sein in Herisau. Wir sind ja mit Crematory schon seit Jahrzehnten befreundet, der Schlagzeuger macht auch immer Urlaub in dem Ort, wo ich wohne und auf unserer letzten Deutschlandtour hat der Markus (Jüllich, Anm. d. Verf.) auch das mit der Lichttechnik für uns geregelt, also da verbindet uns eine sehr enge Freundschaft, und der Abend war dementsprechend sehr lustig.

MF: Tönt gut, und vom Publikum her, warst du da auch zufrieden?

OS: Ja, das Publikum war super, hätte natürlich noch ein bisschen mehr sein können wie das letzte Mal, als wir da waren - das war auf der Into Darkness-Tour, da war es dann doch bis in die letzte Reihe voll, aber das haben wir bei diesem Package jetzt eh nicht erwartet, von dem her war es dann doch ok. Irgendwie hab ich mal gedacht, man könnte die Halle irgendwie abtrennen, aber dem war nicht so, und doch war es dann doch ziemlich gut gefüllt dafür, dass der Eintrittspreis mit glaub ich 40 Franken nicht ganz billig war. Aber eben, das was ich von Herisau gesehen habe auf der Homepage, das wird supergeil, kein Thema.

MF: Das dürfte definitiv zutreffen. Was mich noch wundernehmen würde: Wie kam das mit eurer Namensgebung zustande? Klar, das Thema dürfte bereits mehrfach durchgekaut worden sein, aber da du eines der Gründungsmitglieder von 1993 her bist, dachte ich mir, du könntest das noch in eigenen Worten erläutern.

OS: Also alles hat ja dazumals mit dem Namen Dark Eternity angefangen, wir haben damit glaub ich 2 Konzerte oder so bestritten, und irgendwann fanden wir den Namen nicht mehr so prickelnd. Und ausserdem wollten wir damals auf unserem ersten Demo, das wir damals am Aufnehmen waren, keinen Namen drauf haben, den es schon zig Mal gibt. Klar, wir wussten nicht, ob dieser Name schon so verbreitet war, denn 1993 war das mit dem Internet noch nicht so verbreitet, dass man sagt: Ich geb jetzt mal den Namen ein und schau mal, wie viele Bands es mit diesem Namen schon gibt, aber wir dachten uns, dass ein englischer Name immer schwierig ist wegen der Verwechslungsgefahr, ein deutscher fiel für uns aus, wollten wir nicht, von uns gibt’s ja auch recht wenige Songs in Deutsch. Ein englischer Name wollten wir nicht riskieren, da es mit ziemlicher Sicherheit schon eine australische Band gibt, die so heisst, AC/DC war schon vergeben, Iron Maiden auch, und da dachten wir uns: Ok, wir brauchen eine andere Sprache. Und mein Bruder, der damals der Sänger in der Gruppe war (Christopher Schmid, Anm. d. Verf.), kam dann mal mit einem Lateinwörterbuch an, keine Ahnung, wo er das her hatte, denn weder er noch sonst jemand in der Band hat jemals Latein-Kurse belegt gehabt, und ich glaub es war unser damaliger Gitarrist, der dem Chris das Wörterbuch an die Birne gehauen hat, der liest das dann auf und liest auf den offenen Seiten ‚lacrimas profundere’ oder so ähnlich. Das war ein absoluter Zufall, dass grad das dabei herauskam, und wir dachten uns so: Hey, nehmen wir doch gleich das, das passt. Ich muss sagen, auch im Nachhinein kann ich mit dem Namen gut leben, das heisst ja soviel wie ‚Tränen vergiessen’, und wir waren ja damals, als wir den Namen ausgesucht haben, noch viel melancholischer, auch von der Musik her wie jetzt heute. Ich mein, wir haben immer noch die Moll-Melancholie drinnen, sind aber um einiges rockiger als dazumals. Aber ganz ehrlich, ich würde mir heute vermutlich einen etwas einfacheren Namen zulegen, weil es ist immer die gleiche Geschichte: Wenn wir ins Ausland fliegen und unsere Verstärker und den ganzen Krempel dabei haben, dann fragt dich wirklich jeder: Ihr seid doch eine Rockband? Du sagst dann: Ja. Und dann kommt unweigerlich die Frage: Wie ist denn euer Name? Lacrimas Profundere! Wie bitte, was?! Deswegen hab ich’s mir schon angewöhnt, mit einem Lacrimas-T-Shirt in den Flieger zu steigen, dann kann man’s einfach ablesen, ist immer leichter als es zu buchstabieren. Wir wollten den Namen auch mal ändern, aber da hat dann das Label nicht mitgespielt, die haben dann gesagt: Wir haben den Namen jetzt schon so aufgebaut, der bleibt! Und mittlerweile haben wir uns damit abgefunden.

MF: Klar, wenn man schon mal eine ‚Marke’ etabliert hat, wie man so schön sagt, dann wäre es doch ein relativ krasser Bruch, jetzt da was ändern zu wollen.

OS: Richtig, und wir werden den Namen auch mit ins Grab nehmen, das ist klar.

MF: Ok, dann hoff ich mal, dass ihr nicht schon Pläne habt in die Richtung.

OS: Sagen wir’s mal so, es wäre fast schon soweit gewesen, dass „The Grandiose Nowhere“ unser letztes Album gewesen wäre beziehungsweise wir waren dermassen ausgebrannt nach „Songs For The Last View“, wir haben ja damals auch ziemlich viel getourt und so, und jeder ging jedem irgendwie gewaltig auf die Eier. Wir konnten uns dann auch nicht mehr so recht leiden, und ich wusste dann ja auch nicht, wie’s weitergehen sollte. Wir haben uns dann eine Zwangspause von etwa 3 Monaten verordnet, und in der Pause hab ich dann auch schon wieder Songs geschrieben und wusste am Anfang gar nicht, in welche Richtung das Ganze gehen sollte. Hab mir auch sehr viel verschiedenes Zeugs angehört, und da sind dann 2 oder 3 Songs daraus entstanden, die dann auch auf der Platte gelandet sind. Ich hab dann einfach gespürt, dass es irgendwie weitergehen soll, hab dann meine Jungs zusammen getrommelt und dann haben wir uns eigentlich wieder vereint.

MF: Hat denn der Weggang von eurem früheren Sänger Christopher auch was damit zu tun gehabt, dass es da zwischen euch nicht mehr so recht funktioniert hat?

OS: Eigentlich war es ja so, dass wir nach der „Filthy Notes For Frozen Hearts“ die Hand dran hatten, alles zu erreichen, wo wir früher davon geträumt haben, das war unsere erste Platte die in Deutschland in die Charts eingestiegen ist und das war zu einer Zeit als du noch einige Platten verkaufen musstest damit du in die Charts kommst und wir hatten mit John Fryer eben unseren Wunschproduzenten gefunden, der ja schon für Bands die für uns interessant sind wie eben Paradise Lost, Cradle Of Filth, Depeche Mode und HIM gearbeitet und deren Alben produziert hat… Alle waren überglücklich mit der Scheibe, und wenn dann urplötzlich der Sänger dann sagt er hört auf, ihm werde das alles zuviel, die Interviews, die Konzerte, dann gab’s da ja auch noch Sender, die tatsächlich Musik gespielt haben wo wir auch darin vorkamen, VIVA plus hiess das damals glaub ich, als dann die Leute bei uns angerufen haben, als die Leute seine Adresse rausbekamen und er wegziehen und eine Geheimnummer haben musste, da wurde ihm alles zuviel. Er hatte auch nie Bock auf das ganze Business und war auch nie der Typ, der jeden Tag gerne auf der Bühne gestanden wäre – die ganzen anderen Jungs aber eben schon, uns war es egal ob es ein kleiner Club war oder etwas grösseres, Hauptsache, wir konnten spielen, und er hat halt mehr für das Studio gelebt, für das Produzieren neuer Songs und dafür, sich auch das fertige Produkt in Ruhe anzuhören…

Und wir wollten halt einfach Musik machen. Deswegen waren wir da halt leider total verschiedener Meinung. Das hat uns damals wirklich so den Boden unter den Füssen weggerissen, dann kam danach noch die Jagd nach einem neuen Sänger, weil ich ja keinesfalls wollte, dass die Lacrimas, die ich gegründet und ich alle Songs geschrieben habe, einfach so verschwinden, bloss weil der Sänger ausgestiegen ist. Klar ist der Sänger sehr wichtig, aber mit dem Rob kann ich sehr gut leben, das war dann ja auch nicht der Grund gewesen, dass wir daran dachten, aufzuhören, sondern es war wirklich der Stress gewesen, sehr viele beschissene Verträge, die wir damals unterschrieben haben und erfüllen mussten, und na ja eben auch das Musikbusiness an sich, das Haifischbecken war daran mit schuldig, dass wir gemerkt haben, dass unser Schiff am Kentern ist und die unteren Kajüten schon gar nicht mehr bewohnbar sind, da dachten wir uns schon: Das war’s jetzt, wie sollen wir da noch weitermachen. Wir hatten dann teilweise die Lust am Ganzen verloren, und ich bin dann halt einer, der sagt: Wir haben schon sehr viel erlebt, wir waren beispielsweise mit Type O Negative noch auf einer Bühne, wir haben mit unseren Helden zusammen gespielt, auch mit Apocalyptica oder den 69 Eyes, wir haben eigentlich sehr viel erreicht Konzerte auf der ganzen Welt, Tourneen in Mexiko und so weiter, von dem her wär’s für mich theoretisch nicht ein Beinbruch gewesen, wenn wir jetzt gesagt hätten: Ok, wir lassen’s. Als ich gemerkt habe, dass für mich ein Leben auch ohne die Band weitergeht konnte ich alles viel relaxter sehen und auch die Songs viel relaxter angehen, der Druck ist irgendwie abgefallen.

MF: Naja, aber irgendwie hätte dein Bruder ja damals merken müssen, dass dies nicht nur eine Spass-Band ist, sondern dass man ja auch was erreichen will mit der Mucke, nicht?

OS: Ja also bei ihm war das so, als alles immer grösser würde, da hat er irgendwie das Mass verloren, wobei das Wort ‚Spass-Band’ gar nicht mal so falsch ist wir hatten ja alle die gleichen Ziele aber er hat ja noch seinen Job, er arbeitet in einer Werbeagentur, da hat er eben dann ein super Angebot bekommen, was natürlich um Einiges mehr Geld eingebracht hat als wie mit der Band, und wir sind deswegen ja auch nicht sauer auf ihn oder so wegen dem Ausstieg, wenn er das fair macht und sagt so Leute, ich hab einen neuen Job oder ich seh das Ganze wieder völlig anders weil sich die Lebensumstände verändert haben durch eine Familie oder mir reicht die Kohle die wir mit der Band verdienen nicht mehr, und wenn der dann mit eben solchen Gründen geht und man knapp ein halbes Jahr später einen Nachfolger sucht, dann ist die Trennung mehrheitlich komplett fair. Schlimm ist es in dem Sinne nur, weil sich alle Welt ja auf den Sänger konzentriert, du kannst den Gitarristen, Bassisten und Schlagzeuger auswechseln, da kräht kein Hahn danach, aber wenn du das mit dem Sänger machst, dann ist das immer etwas Anderes. Und eben, wenn man nicht gerade der Megaseller ist und irgendjemandem reicht einfach die Kohle nicht, um am Ende des Monats die Miete zu bezahlen, dann ist das halt der logischste Schritt, dass man aussteigt. Oder halt einfach die Tatsache, dass beispielsweise mit dem Touren sehr viel Stress verbunden ist und du nur einen geringen Prozentsatz wirklich auf der Bühne stehst und Spass am Festival hast, und der Rest eben mit beispielsweise sehr engen Tourbussen oder sonstigen eher unangenehmen Zuständen verbunden ist, dann kann das einem schon den Rest geben. Momentan ist es so, dass wir alles Leute sind, denen das nichts ausmacht und die es lieben, auf Tour zu gehen.

MF: Ja gut, ich denke wir müssen das Thema jetzt nicht noch weiter auswalzen, du hast alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt.

OS: Ja klar, ich will einfach noch anfügen, dass der Christopher ja irgendwie immer noch dabei ist, also wir schicken ihm ja nach wie vor die Rohdemos, und wenn der Rob da keine zündende Idee wegen den Vocals oder so hat dann ist Christopher zur Stelle und kann uns da weiterhelfen. Von dem her ist er nach wie vor ‚stiller Teilhaber’ (lacht).

MF: Ich denk mal, das ist ja auch mehr in seinem Sinne, wie du das vorhin schon angesprochen hast, er ist ja mehr der Typ, der im Hintergrund agiert.

OS: Absolut richtig, und es ist ja schon so, dass wir durch seinen Ausstieg einiges verloren haben, was wir immer noch am Aufbauen sind, aber es ist auch verständlich irgendwodurch. Wenn man eine Zeit lang sein Gesicht auf den Titelblättern oder in den Magazinen selber gehabt hat und sich die Leute daran gewöhnt haben, dann ist so ein Wechsel immer irgendwodurch einen Einbruch.

MF: Gutes Stichwort wegen den Titelblättern, ich habe gesehen, dass ihr momentan keinen Bassisten habt, zumindest keinen, der fix im Line Up ist. Wie habt ihr denn jetzt dieses Problem gelöst oder habt ihr auch schon wieder jemand gefunden?

OS: Also früher hat dies der Peter gemacht, aber der hat dann auch aufhören müssen, weil er einfach in zu vielen Bands aktiv gewesen ist. So haben wir uns dann dazu entschlossen, die aktuelle Scheibe zu viert einzuspielen und einfach einen Studiomusiker dazu zu holen, wir wollten da ja auch schon einen Videoclip drehen, aber dann kam das Wahnsinnsangebot der Into Darkness-Tour. Naja, wir haben dann die Tour mit Peter noch bestritten, aber es war abzusehen, dass er nicht mehr lange bei uns bleiben würde. Es hat sich dann auch rasch rausgestellt, dass wir in bestimmten Dingen komplett verschiedener Ansicht sind, wir haben dann ja einfach noch das Album eingespielt – und dann ging der ganze Stress wieder von Vorne los: Interviews geben, Promo-Fotos schiessen, Videoclip drehen… Es bringt halt nichts, wenn der Clip nicht mindestens einen Monat vor Fertigstellung des Albums im Kasten ist und im Netz angeschaut werden kann. Haben wir uns halt gesagt: Gut, wir machen jetzt halt die Fotos zu viert, den Clip zu viert, und dann stand auch schon wieder das erste Konzert vor der Tür, und wir haben uns dann gefragt: Was machen wir denn jetzt? Da haben wir uns dann einfach dazu entschieden, erst mit der neuen Scheibe dann, die dann mal folgen wird, einen neuen Mann fix einzustellen und den dann auch als solches zu präsentieren, somit arbeiten wir momentan mit einem Gastmusiker zusammen. Live sieht dann die Situation so aus, dass wir die Bassspuren ab Band laufen lassen, was auch im Sinne von unserem Mischer ist, der ein langjähriger Freund von mir ist. Er hat mir mal gesagt, wenn er noch einen Bassisten mitmischen muss, muss er auch auf das Menschliche Rücksicht nehmen, auf spezielle Soundbedürfnisse und so weiter, und so macht’s dann alles ein wenig einfacher. Wir wollen halt einfach momentan die Leute nicht noch mehr verwirren, weil das ganze Wechselspiel nervt langsam, und deswegen sind wir halt momentan ohne Bassisten unterwegs, aber da wir uns als Rockband sehen, werden wir auf jeden Fall wieder einen Basser in unseren Reihen haben.

MF: Wie seid ihr denn überhaupt auf den Rob (Vitacca, jetziger Sänger, Anm. d. Verf.) gekommen, gab’s da quasi wie eine Art Casting oder so was in der Art?

OS: Also das war wirklich purer Zufall, wir waren dazumals für ein Festival neben Paradise Lost, Type O Negative und Marilyn Manson hier in Deutschland bestätigt, und zu dem Zeitpunkt hatten wir bereits keinen Sänger mehr. Da hab ich halt einfach auf die Schnelle den Peter rekrutiert, unseren damaligen Bassisten, der auch eine sehr tiefe Stimme hat, und das Festival dann so bestritten. Ich war auch nicht sehr begeistert, aber so kurzfristig war nix anderes machbar. Und als ich dann nach Hause kam, ich bekomme ja immer sehr viele Mails von Demo-Bands, die meine Meinung zu deren Songs haben wollen, und da war auch eine Mail von Rob und seiner damaligen Band dabei. Die hat mich nicht wirklich umgehauen, dafür hat mich aber seine Stimme total geflasht, weil sie sehr nahe an die von Christopher herankam. Und das war auch das, was ich wollte, weißt du, weil wir hatten nun schon genug mit all den Wechseln und so, da wollte ich nicht auch noch Lieder wie „Ave End“ oder „My Velvet Little Darkness“ auf eine total andere Tonlage umschreiben müssen. Joa, ich hab ihm dann geschrieben und gemeint: Du deine Band find ich nicht so prickelnd, aber deine Stimme find ich super! Und kaum drei Tage später war er bei uns im Proberaum, als Fan von uns hatte er auch keine Schwierigkeiten, sich in das Material reinzuarbeiten, und knapp drei Wochen später stand er dann schon mit uns auf der Hauptbühne beim M’era Luna-Konzert.

MF: Was ich ja damals bei der „Songs For The Last View“ kritisiert habe, war, dass sich Rob noch zu sehr nach Christopher anhöre und zu wenig Eigenständigkeit mitbrächte.

OS: Ja das habe ich auch schon von anderen Seiten her gehört, die Sache ist einfach die: Als Rob in die Band kam, waren zehn Songs schon fertig, und er musste nur noch seine Stimme hinzu geben. Er bekam halt alles vorgesetzt und dann hiess es: So, jetzt sing mal! Wir haben ihn ja, leider, muss ich dazu noch sagen, erst sehr spät entdeckt, als das Studio und alles komplett gebucht war, somit hatte er überhaupt keinen Einfluss auf das gesamte Material. Aber es stimmt schon, so im Nachhinein gesehen muss man sagen, dass die Platte schon beinahe überproduziert wurde, weil wir einfach der Ansicht waren, wir müssen das so perfekt wie möglich machen, da die Scheibe in alle Welt verkauft wird, da wurde auch in Amerika gemastered, in anderen Ecken der Welt wieder gemischt und so weiter. Aber ich muss selber auch sagen, mittlerweile, dass zu viele Köche den Brei effektiv verderben.

MF: Wie ist denn das jetzt bei euch so, also du bist hauptsächlich für alles zuständig, sprich das Schreiben und Komponieren der Songs?

OS: Generell ist das schon so, dass ich die Songs quasi entwickle, die dann in den Proberaum oder so mitnehme und jeder kann mal seine Meinung dazu sagen. Was bei der aktuellen CD ja nicht mehr möglich gewesen ist, wie ich das ja vorher schon erläutert habe, weil wir ja mehrere Monate pausieren mussten. Ich hab mich dann mehr damit beschäftigt, wie man einen Song auch wirklich aufnimmt, aber ich mach das nach wie vor so, dass ich einzelne Ideen auf so Fetzen oder Rechnungen oder wo weiss ich notiere und mit denen dann arbeite. Irgendwann nach zwei oder drei Wochen zieh ich die Zettel dann wieder hervor und schau quasi, ob das immer noch passt oder nicht. Weil wenn man einen Song komponiert, dann tönt anfangs alles geil, und erst, wenn sich die Ideen quasi nach einer bestimmten Zeit wie bewährt haben, dann macht es überhaupt erst Sinn, dies den anderen vorzustellen. Eben, bei der letzten CD hatten wir ja kaum Zeit, uns überhaupt zu treffen und zu proben, und so hab ich dann halt eben alles selber aufgenommen und dem Rob geschickt, der ist ja ein Multiinstrumentalist, und so haben wir uns dann immer alles hin und her geschickt, immer mal wieder was verändert, und am Schluss haben wir den Song dann mal den anderen vorgestellt und gesagt: Das wäre jetzt ein Song für die neue Platte, gefällt er euch oder nicht? Und so ging’s durch die ganzen Songs.

MF: Also ist es so, dass du und Rob jetzt quasi die Hauptarbeit macht?

OS: Joa, kann man so sehen, also mir war es vor allem eben auch sehr wichtig, dass der Rob jetzt seine Ideen und Einflüsse mit einbringen kann, auch wenn die Zeit natürlich eher knapp bemessen war, aber man merkt’s halt eben sofort, wenn du deine eigenen Ideen und Gefühle reinstecken kannst, das gibt sofort ein völlig anderes Feeling. Vorher war das ja mehr so, dass die ganzen Babies ja schon geboren waren und Rob nur noch die Strampleranzüge aussuchen konnte, während er diesmal auch beim Akt selber dabei war, was ja auch schon ganz geil ist (lacht).

MF: Das ist doch schön. Kannst du mir vielleicht noch etwas über das Artwork erzählen, das ihr verwendet?

OS: Das mit dem Artwork, das war schon immer so, dass wir uns gesagt haben: Drachen, Titten und Tribals gibt es schon genug auf dieser Welt, und los ging’s eigentlich so richtig mit dem Cover von „Ave End“, welches ja der Niklas Sundin entworfen hat, der ja bei Dark Tranquillity Gitarre spielt. Wir hatten damals ja eigentlich schon alles fertig, konnten uns aber nicht entscheiden, was wir nehmen sollten. Da hab ich dann mal mit dem Niklas telefoniert und gemeint: Hey, du machst doch auch Cover für andere Bands, wir hätten da eine Vorstellung von einem Typen, der auf einer Parkbank mitten in der Landschaft sitzt. Und per Zufall hatte Niklas dann auch gerade so etwas in petto, und das Gute daran war: Wir mussten nicht noch einmal komplett von Vorne anfangen, sondern haben lediglich ein zwei Dinge verändert und dann schlussendlich genau das genommen, was da war. Hat auch super gepasst. Ja und dann haben wir auch bei anderen Künstlern, die uns das Cover gemalt haben, weil Niklas ja auch viel unterwegs ist und deswegen logischerweise kaum Zeit hat, angefangen, das Thema mit dem Mann durchzuziehen. Auf jedem folgenden Cover seit der „Ave End“-Scheibe“ siehst du einen Typen, der irgendwie traurig und alleine ist. Teilweise mit Hut und Regenschirm oder auch ohne, und das ist jetzt unser Markenzeichen. Und jetzt bei der neuen Scheibe, als sie im Begriff war, fertig zu werden, da haben wir gemerkt, dass es sehr viele Bezugspunkte zu „Ave End“ gibt, auch von dem Feelings bei den Songs her, und wenn alles wieder ja back to the roots geht, dann brauchen wir auch den Niklas als Designer wieder. Und als dann unser Drummer Korl, Rob und ich im Studio waren, kam uns dann bei einigen Bieren eben die Idee, dass wir schon so ein modernes Gebäude haben wollten, mit einem einsamen Penner davor, der mit dem Ganzen nix am Hut hat. So im Stil von wenn du im Hochsommer mitten in der Stadt auf einer Bank sitzt und die Leute beim Vorbeihasten beobachtest, quasi das Alleinsein in einer Grossstadt, aber irgendwie mit viel Ruhe. Niklas war von der Idee her begeistert, und so kam alles zustande.

MF: Es spiegelt die Musik gut wider, und es gibt den Leuten ja auch was, woran sie sich bei euch orientieren können.

OS: Weißt du, in der heutigen Zeit, wo Downloads ja so gross in Mode sind, da musst du dem Käufer der Platte einfach was bieten, sonst wird da nie was draus. Mit einem guten Booklet und einem gescheiten Cover kann man die Leute eher überzeugen, sich die Platte zu kaufen, klar kannst du die Covers auch runterladen, aber es ist nicht dasselbe Feeling. Ich meine, ich stamme ja noch aus der Zeit der Schallplatten, und ich will einfach, dass, wenn jemandem die Musik gefällt, er dann auch die Platte kaufen will und auch was dafür bekommt. Für mich gab und gibt es nichts Schöneres, wie die Scheibe in den Player zu werfen, dazusitzen und die Musik zu geniessen, dazu noch im Booklet zu stöbern und mir die Songtexte anzusehen, und das will ich eben auch unseren Käufern vermitteln. All das mit den elenden iPods und sonstigen MP3-Playern finde ich nur grauenhaft, man hat tausende von Ordnern von Bands mit ihren CDs, und man merkt gar nicht mehr, was all die Bands für eine Arbeit investiert haben, und man weiss das alles auch gar nicht mehr zu schätzen. Deswegen will ich das alles anders machen.

MF: Schön war ja auch, dass ihr eben auch die Lyrics zu den Bonus-Tracks im Digipack abgedruckt habt.

OS: Es ist eben immer eine Frage des Geldes, leider. Wir haben ja das Booklet mit allem drum und dran bereits fertig gehabt, und nochmals eines zu drucken mit den Lyrics zu den Bonus-Tracks, das kam leider nicht mehr in Frage, deshalb haben wir uns dann kurzerhand dazu entschlossen, dies auf dem Digipack selber zu machen. So können wir schlussendlich alle zufrieden stellen und das weitergeben, was wir unseren Fans weitergeben wollen.

MF: Schön gesagt. Kannst du noch in eigenen Worten ein wenig die Entwicklung der Band zusammenfassen, also woraus ihr entstanden seid und wo ihr jetzt heute steht?

OS: Also anfangs war das schon so, dass wir alles so möglichst traurig und doomig, auch sehr ausschweifend halten wollten. Unsere Helden waren und sind Paradise Lost und My Dying Bride, und wir haben auch sehr viel experimentiert dazumals. Ich meine, die Geige kennt man von My Dying Bride her, aber wie viele Bands hatten damals Harfe oder Flötenklänge drinnen? Damals war für uns ein Song mit 15 Minuten Länge das Höchste der Gefühle, bis ich den Song live gespielt habe (lacht). Wir hatten teilweise auch schon so einen Black Metal-artigen Touch, was das alles anbelangt. Und im Gegensatz dazu haben wir jetzt eher sehr kurze Stücke, die aber wesentlich griffiger sind als unsere alten Songs, und ich persönlich musste merken, dass ein knapp 3 minütiger Rocksong beinahe schwieriger zu komponieren ist als etwas anderes. Und natürlich haben all die Bands, mit denen wir zusammen gearbeitet haben, ihre Einflüsse bei uns hinterlassen, genauso wie all das Touren, weißt du? All der Dreck der Strassen, das Staubige, was man halt alles so mitbekommt, das hat uns generell rockiger werden lassen. Es ist eben was anderes, wenn man zuhause sitzt und Songs komponiert, einfach so in aller Stille, während man auf Tour unterwegs ist und da mit allem möglichen konfrontiert wird, was eben generell rauer und dreckiger ist. Das hat den Doom eher verdrängt. Aber man verändert sich mit der Zeit, und so war es eben dann auch mit dem Sound. Jetzt ist bei uns eben der Rock beziehungsweise der rockige Aspekt des Sounds sehr wichtig, aber alles ist Teil unserer Vergangenheit, und das werde ich niemals ablehnen oder verleugnen, auch weil es nach wie vor unser aktuelles Schaffen beeinflusst – wir drücken uns einfach anders aus als zu Beginn. Und schlussendlich kann man alles auf eines zurückführen: Leidenschaft. Ohne die ging nie was und wird auch nie was gehen bei uns. Ich meine, ich verkaufe lieber nur 5 CDs, die aber ehrlich und mit Leidenschaft erschaffen wurden, als 50'000 Scheiben, hinter denen ich nicht stehen kann. Das glaubt mir jetzt wahrscheinlich keiner, aber dem ist so! Ich brauch das ganze Zeugs nicht, das man quasi als Star oder Millionenseller haben kann, das würde nicht die Rockmusik wiedergeben, die wir machen und wir wären auch nicht mehr ehrlich. Und das, also die Ehrlichkeit, ist neben der Leidenschaft etwas vom Wichtigsten!

MF: Dazu muss man auch gar nicht mehr sagen. Oliver, wir sind nun auch schon am Ende des Interviews angelangt, und ich danke dir ganz herzlich für das nette Gespräch sowie die ausführlichen Antworten. Gibt es noch etwas, das du den Metalheads da draussen und speziell natürlich den Lesern der MetalFactory mitteilen möchtest?

OS: Ich danke dir ebenfalls für das nette Interview. So als Schlusswort… ehm, ja, pass auf: Glaubt an euch selbst, bezahlt pünktlich die Rechnungen vom Bierlieferanten, ja und rock’n’sad forever!