Interview: King Diamond
By Rockslave
Nachdem ich bereits in den frühen 80ern Mercyful Fate und etwas später auch King Diamond zu meinen persönlichen Faves zählen konnte, stand dieses Interview mit dem King natürlich weit oben auf der Wunschliste. Eins ist so klar wie das Amen in der Kirche: Die einprägsame Stimme von Kim Bendix Petersen spaltet die Fan- und Kritikergemeinde in zwei grosse Lager. Für die einen (und dazu gehöre auch ich!) ist der kleine Däne mit der unverwechselbaren Stimme eine Kultfigur und die anderen können dem "Kastraten-Gesang" nicht viel abgewinnen. In Sachen Musik herrscht wohl mehr Einigkeit, aber hier geht es natürlich um das ganze Paket. Während also Mercyful Fate den Anfang machten, konnte sich Kim mit seiner Solo-Band noch mehr verwirklichen. Der stimmgewaltige Däne hat(te) stets viele Geschichten im Kopf, die er bisher immer gekonnt umgesetzt hat. Seine vertonten Horror-Stories waren (sind) immer eine Art Konzept-Alben, die echt Tiefgang haben können, wenn man sich etwas näher mit der Materie befasst. King Diamond, dem früher (auch wegen der Schminke) oft plumper Satanismus unterstellt wurde, ist jedoch ein sehr belesener, gescheiter Bursche und ein scharfer Beobachter seiner Umgebung und seines Umfeldes. "The puppet master", das neuste Werk, kann wieder an die besseren Alben wie "Abigail", "Them" und "The eye" anknüpfen. Die Band weilte zum Zeitpunkt des Gesprächs gerade in den Staaten (die Tour war gerade um!) und als ich den King himself in Dallas anrief, war er gut bei Laune und sehr redselig... (Wetterbericht: aufgehellt bei angenehmen 20 Grad Celsius, während es bei uns einfach nur "shitty" grau war.)

MF: Hallo Kim! Zuerst muss ich gleich loswerden, dass ich ein ganz grosser Fan von dir und deiner Musik bin und dass du so zu sagen einer der (musikalischen) Begleiter meiner Jugend warst!

K: Ohh man..., echt abgefahren!

MF: 1987 habt ihr, zusammen mit Destruction und Motörhead in Zürich (Volkshaus) gespielt. Erinnerst du dich noch daran?

K: Ja, das tue ich...

MF: Lass uns zur Gegenwart zurück kehren. Das neue Album ist sehr gut geworden, aber etwas unterscheidet es von den anderen Alben: Die weiblichen Vocals! War das deine Idee und wann hast du erkannt, dass diese bei ein paar Songs so eingesetzt werden mussten?

K: Die Sache ist die, dass die Geschichte, zu der ich inspiriert wurde, in Budapest entstand, als ich 1999 dort weilte. Später, nachdem wir "Abigail II" aufgenommen hatten..., das Girl, das auf dem (neuen) Album singt..., Livia..., studierte da gerade in den Staaten. Sie fragte dann an, ob sie ein Interview für den ungarischen Metal Hammer machen könne. Nebenbei kam noch aus, dass sie singt und sie fragte mich, ob sie mir was zuschicken darf. Ich sagte "na klar!" und als ich mir das Material anhörte, dachte ich "wow!", was für eine unglaubliche Stimme! Als die Zeit für "The puppet master" reif wurde, fand ich wieder meine alten Aufzeichnungen, wo viel zum Beginn der Geschichte aufgeschrieben war und sofort stellte sich das gleiche spezielle Gefühl ein, als ich dies zum ersten Mal las. Da erinnerte ich mich zurück an sie (Livia) und fand, ich müsse sie anfragen, da es für einige Parts der Story eine weibliche Stimme braucht. Klar hätte ich das auch machen können, aber es war besser, so einen direkteren Bezug zu schaffen, damit die Texte in der "Ich-Form" verwendet werden konnten..., verstehst du was ich meine? Wenn man das also so machen will, benötigt man eine entsprechende Sängerin. Das war etwas Neues für uns, keine Frage. Wir glaubten daran und auch die Plattenfirma fand es eine gute Idee, dies zu versuchen. King Diamond hört sich deswegen etwas anders an, aber es ist eine Bereicherung des Ganzen und das Theatralische fällt ausgeprägter aus. Es ist wirklich gut geworden..., so gut, dass wir das auch auf der Tour entsprechend umgesetzt haben. Vor einer Woche ging gerade unsere U.S.-Tour zu Ende und sie (Livia) war mit dabei.

MF: Die verwendete Story von "The puppet master" ist eine alte. Hast du noch mehr solche, als Basis für weitere Alben, auf Halde?

K: Ja! Es hat noch welche..., aber die verwende ich nicht, da ich nicht weiss, ob ich diese oder eine ganz Neue nehme. Ich habe aber viele kleine Notizen mit verschiedenen Sachen und Ideen, die ich aufgeschrieben habe. Sie könnten auf "The puppet master" folgen..., ja..., aber vielleicht schreibe ich auch was komplett Neues. Wer weiss...

MF: Wie gehst du beim Komponieren der Musik um eine vorhandene Geschichte vor und was ist der Unterschied zu Mercyful Fate mit individuellen Texten?

K: Ein sehr grosser Unterschied..., es ist eine viel grössere Herausforderung, ein Konzept-Album zu machen. Zuerst ist da die Geschichte..., die Idee, so wie für "The puppet master". Daraus schreibe ich eine Kurz-Story, damit ich sie als Ganzes zur Verfügung habe. Danach schreiben wir die Musik dazu..., nachher, weil ich dann weiss, um was es geht..., ein bestimmtes Gefühl zur Musik entsteht..., das inspiriert mich in gewisser Weise. Man bekommt so einen Bezug zu den Charakteren. Wenn alles fertig ist, wird entschieden, welche Songs von allen wir nehmen. Diesmal waren es so zu sagen zwölf musikalische Teile. Nun nehme ich die Kurz-Story und unterteile sie in zwölf Kapitel. Dann höre ich mir das an und lege fest, was am besten wohin passt. Auf diese Weise erreicht man, dass die Texte mit der Musik gut einher gehen..., gemäss dem, was in der Geschichte abläuft. Das mache ich mit allen Kapiteln so und darauf werden die einzelnen Song-Lyrics richtig ausgearbeitet. Das dauert eine Weile, aber das muss so gemacht werden. Ich gehe immer wieder zurück und prüfe, ob nichts falsch in der Geschichte ist. Ich kann zum Beispiel nicht von Etwas im dritten Song sprechen (singen), das nicht zum Siebten passt. Es muss alles stimmen und ich muss in der Lage sein, alles erklären zu können, wenn mich jemand darauf anspricht. Das kann so daher kommen: "Du hast gesagt, dass der Puppet-Master hier "Das und Das" gemacht hat, aber hier sagst du, er mache "Dies" und das macht aber keinen Sinn!". Solche Sachen will ich erklären können. Das ist natürlich viel schwieriger, aber es befriedigt einen umso mehr, wenn die Geschichte fertig ist und man ein gutes Gefühl hat, dass es gut herausgekommen ist. Wenn du einen einzelnen Song machst, hast du viel weniger Freiraum für Tiefgründiges. Ich mag es aber, mehr "Platz" über ein ganzes Album zu haben, um Charaktere richtig ausformen zu können. Das interessiert mich viel mehr!

MF: In den letzten Jahren spielten eine Menge Musiker in beiden Bands. War das je ein Problem für dich und kennst du noch all deren Namen, sowie den jeweiligen Platz, den sie inne hatten?

K: Ohh ja..., absolut! In den meisten Fällen gab es Wechsel, die nicht "schlecht" waren. Die Gründe dafür sind (waren) für jedermann verständlich. Meistens waren es familiäre Angelegenheiten. Die Leute heirateten, bekamen Kinder und hatten andere Prioritäten für ihre Leben gesetzt. Michael Denner (g) und Timi Hansen (b) ging es so oder auch Glen Drover (g), der heiratete. Es ging allen gleich..., auch Drummer John(ny) Hebert, der ein Kind mit seiner Freundin hatte. Plötzlich passieren Dinge im Leben, die zuvor nicht da waren und dann muss man sich entscheiden und (neue) Prioritäten setzen. Ich habe vollstes Verständnis dafür..., das ist eine natürliche Angelegenheit. Wenn du schon so lange im Business bist, wäre es natürlich toll, wenn immer die gleichen vier oder fünf Leute zusammen spielen könnten. Das Leben ändert aber ständig und man richtet sich neu aus. Es gab (in all den Jahren) kaum eine negative Erfahrung in dem Sinne, dass gesagt worden ist: "Du bist gefeuert!" Das kam eigentlich nicht vor.., eher dass erklärt wurde, warum man jetzt nicht mehr dabei sein wollte. Aktuell ist es so, dass seit der "House of God"-European Tour das gleiche Line-Up zusammen ist, wie für "Abigail 2" und auch das neue Album, wie auch die eben gelaufene U.S.-Tour. Wir sind also scjon eine Weile zusammen und lass mich dir sagen: Es ist das bisher Beste, mit dem ich zusammen bin! Hal Patino am Bass, Mike Wead und Andy LaRoque an den Gitarren und Matt Thompson an den Drums. Es ist unglaublich mit ihnen und läuft hervorragend!

MF: Mercyful Fate ist die "härtere" Band und "more evil"! Magst du beide Gruppen gleich gut?

K: Nun.., Mercyful Fate sind..., hmm..., wie kann ich das beschreiben..., ich wollte schon immer das machen..., mit King Diamond und Mercyful Fate..., nur, dort (bei MF) war zu wenig Raum dafür. Konzept-Alben waren halt schon mgin Ding und das passte aber nicht zu MF. Diese Band besteht eigentlich lediglich aus zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug..., plus den Gesang. Bei King Diamond werden alle Arten von Instrumenten eingesetzt, die für ein bestimmtes Feeling zum Konzept hin sorgen. Wir setzen Violinen, Cembalos oder Orgeìn ein..., einfach alles, das dazu passt. Somit ist die Musik von King Diamond theatralischer. Die Texte von Mercyful Fate handeln mehr von alten Legenden, alten Religionen, altem Gedankengut und dem Glauben aus vergangenen Zeiten. Nicht aber um mitzuteilen, was jetzt richtig oder falsch ist..., ich bin keine religiöse Person. Ich würde sagen, dass King Diamond eigentlich "satanischer" sind. Es geht um Lebensphilosopiien und wie die Menschheit miteinander umgeht. Vieles von dem findet man in den KD-Horrorstories und darin steckt auch was Okkultes. Der Umgang miteinander..., ich habe meine Figuren solchen schweren Stress-Situationen ausgesetzt. Dies kommt dann "heller" oder "dunkler" beim menschlichen Bewusstsein an, mehr als bei Mercyful Fate. Das Theatralische kommt mehr zum Ausdruck..., musikalisch, wie textlich. Der Unterschied ist natürlich auch auf der Bühne deutlich sichtbar. Die KD-Show ist sehr visuell ausgelegt. Die bisherigen Reaktionen von Fans im Internet, die sich zu den letzten Konzerten geäussert haben, waren sehr positiv. Sie sagten alle, das seien jeweilen die besten Auftritte überhaupt gewesen. Und mit der gleichen Show werden wir auch nach Europa kommen und ich kann dir sagen, dass es eine sehr coole Sache werden wird! Ich liebe die Musik von Mercyful Fate, aber King Diamond sind meine Nummer 1!

MF: Ohne Zweifel ist deine aussergewöhnliche (Sing-) Stimme das Aushängeschild beider Band(s). Du hattest in der Vergangenheit ein paar Mal Probleme damit. Was waren die hauptsächlichen Gründe dafür und wie schützt du dich heute davor?

K: Ich kann mich nicht erinnern, ernsthafte Probleme gehabt zu haben..., gut..., auf Tour wird man manchmal krank... ja, aber zu Hause passiert mir das eigentlich nicht, denn ich habe ein sehr starkes Immun-System. Es kommt sehr selten vor, dass ich "im normalen Leben" krank werde. Auf dieser Tour kam es (auch) nicht vor, aber sonst kann schon mal die Hälfte davon betroffen sein. Die Gründe, warum das passiert, sind, dass immer zuerst jemand mal krank wird. Wenn du an die Crew denkst, dann sind jeden Tag sehr viele Leute beim Auf- und Abbau zusammen. Da kann es leicht passieren, dass eine Ansteckung um sich greift. Dann reisen wir ja alle im gleichen Bus, unter Umständen während acht Stunden. Zuerst erwischt es immer die Crew, im Bus danach die Musiker und ich bin schliesslich stets als Letzter dran. Auf einer neunwöchigen Tour kann das unter Umständen während vier bis fünf Wochen so sein. Als Sänger ist es natürlich schwer, mit einer Grippe aufzutreten. Das beeinflusst die Stimme, das Atmen, die Lunge..., all das. Es ist kaum möglich, das vermeiden zu können..., gut, wie könnte man es sonst machen..., ich alleine in einem kleinen Bus reisen, aber das ist verrückt! Deshalb muss man einfach leben damit und das Beste geben. Das Wichtigste ist, nicht zuviel zu trinken und ausreichend zu schlafen. Einfach alles tun, um auf die Stimme zu achten. Im Moment ist und wird diese besser und besser und hört sich kräftiger an, was ein gutes Zeichen ist. Als wir das neue Album aufnahmen, lagen wir am letzten Tag im Studio mit dem Zeitplan für die Aufnahmen der Vocals hinten. Am folgenden Tag war bereits eine andere Band gebucht. Zwei Songs mussten wir noch fertig stellen. Normalerweise dauert sowas etwa sechseinhalb Stunden pro Song! Die Leads, die Backing Vocals, die Harmonien..., einfach alles. Es ist beinahe so, wie wenn du vier Shows durchsingen würdest. So läuft das normalerweise im Studio und wir hatten also noch genau einen Tag zur Verfügung für zwei Songs. Es schien unmöglich..., ich habe das bisher in meinem ganzen Leben noch nie auf diese Weise gemacht. Wir starteten früh um zehn Uhr morgens. Nach etwa gut sechs Stunden stand der Song "Christmas". Nach zwanzig Minuten Essenspause fuhren wir weiter mit "Living dead". Wir glaubten echt nicht, dass wir damit noch fertig werden, aber wir fuhren eisern fort. Nach vierzehn Stunden im Studio hatte ich dreizehn davon gesungen! Und so kriegten wir auch noch "Living dead" hin. Selbst heute würde ich nichts mehr daran ändern, es ist alles da, was es braucht. Es hat hohe Stimmen, tiefe Stimmen, jede Art von Gesang..., ich habe das Gefühl, dich anzulügen, weil ich selber fast nicht glauben kann, was ich da höre. Auch auf der U.S.-Tour lief es sehr gut. Ich habe keinen Song live besser, nein alle nie besser als jetzt gebracht. Meine Bandkumpels und viele andere sagten mir nach jedem Konzert übereinstimmend, sie hätten mich noch nie so gut singen gehört. Das ist also ein sehr gutes Zeichen..., meine Stimme ist stärker denn je!

Danach sprach ich Kim darauf an, dass für das "Bang Your Head"-Festival in Balingen (zu diesem Zeitpunkt) noch die Headliner fehlen würden. Zuerst wusste er nicht, wovon ich spreche, aber dann fiel der Zwanziger und er meinte, dass das Management generell schon ein paar E-Mails erhalten habe. Man sei durchaus gewillt, an einigen Festivals in Europa zu spielen, aber die Daten müssen passen, da die Musiker aus verschiedenen Ecken zusammengetrommelt werden müssen. Klar ist auf jeden Fall, dass die Tour in unseren Breitengraden nach dem Sommer richtig losgehen wird. Bis dahin ist man aber nicht untätig, da alle Shows in den Staaten für eine Doppel Live-CD mitgeschnitten wurden. Überdies ist noch eine DVD in Planung, wo man alte, bisher noch von Niemandem gesehene Konzerte und alle offiziellen Videos draufpacken will. Es gibt also genügend zu tun und das sei auch gut so. Dazu bekräftigte der King nochmals, dass man gerade daran sei, Festival-Auftritte im kommenden Sommer zu planen.

MF: Hast du dir nie Gedanken dazu gemacht, vielleicht als nächste Herausforderung mal ein "Heavy Metal-Musical" zu machen?

K: Ähem..., nun..., ein Musical ist wie eine Konzept-Geschichte, wo aber sehr viele unterschiedliche Leute daran beteiligt sind. Es ist nicht mein Wunsch, etwa einen anderen Gitarristen als Andy (LaRoque) oder so ähnlich zu haben. Ich denke, ich spiele mit den besten Jungs der Welt zusammen und das, was wir machen, sind ja Konzept-Sachen, einzig mit dem Unterschied, dass da nicht fünf oder sechs Leute singen..., mit unterschiedlichen Stimmen und Rollen. Das interessiert mich nicht besonders. Wir haben ja nun mit dem Einbringen eines Girls (Livia) das theatralische Element auf eine ansprechende Art und Weise erweitert. Das gefällt mir, aber für ein Musical kann ich mich nicht erwärmen.

MF: Was anderes..., interessierst du dich für Fussball?

K: Ja! Ich habe während mehreren Jahren selber gespielt...

MF: ...was meinst du zur Auslosung für Dänemark?

K: Meinst du die Gruppe?

MF: Ja...

K: ...sehr sehr schwierig! (lacht) Italien, Schweden... und Bulgarien?

MF: Ja..., ich glaube...

K: ...das ist eine sehr starke Gruppe!

MF: Die Schweiz spielt ja auch...

K: ...mit wem (zusammen)?

MF: Frankreich, England und Kroatien.

K: Uff! Das hört sich auch "gewaltig" an..., Mann! Da können wir uns ja gegenseitig anfeuern und unterstützen...

MF: ...in der Tat! Und zum Schluss: wie lautet deine persönliche Botschaft an unsere Leser und alle Fans in der Schweiz?

K: Zuerst hoffe ich, dass euch das neue Album richtig gut gefällt und dass wir wieder in der Schweiz spielen werden, denn auf der "House of God"-Tour waren wir glaube ich nicht da...

MF: ...zuletzt mit Mercyful Fate auf der "9"-Tour...

K: ...ja, richtig! Es wäre toll, mit der Show von King Diamond auch dorthin zu kommen, denn wir werden das gleiche Set wie in den Staaten spielen. Er wird euch bestimmt gefallen..., und: Stay heavy!

MF: Bestimmt! Vielen Dank, alles Gute zu den bevorstehenden Festtagen und bis bald "strong on stage" im nächsten Jahr!

K: Absolut! Auch dir alles Gute..., take care.., bye bye!