Interview: Killswitch Engage
By Michel A.


Killswitch Engage ist für all jene ein Begriff, die dem Metalcore nahe stehen. Die Jungs aus Massachusetts haben sich kurz nach ihrer Gründung schnell einen Namen in der internationalen Metalszene gemacht. Ihr Rezept? Ein gewagter Mix zwischen Melodic Death Metal und knüppelhartem Metalcore, starke Bühnenpräsenz, hohe Professionalität und eine Menge Spass. Ihre starken Riffs und ihr schräger Humor auf der Bühne sind ihre Markenzeichen. In den letzten Jahren und nach mehreren Wechseln in der Bandzusammenstellung wurde es ruhiger um sie. Bis Jesse Leach im Januar 2012 von zurückgeholt wurde und die Band so fast wieder zu ihrer Originalbesetzung gebracht hat. Mit Jesse kam anscheinend auch die Kreativität und Experimentierfreude zurück, denn jetzt, nach fast vier Jahren Pause, ist endlich wieder ein neues Album am Start, das von Fans und Magazinen allerorten gespannt erwartet wird. In zwei Wochen starten Killswitch Engage zu ihrer Welttournee, die sie im April auch in die Schweiz führen wird. Grund genug für Metal Factory, ein Interview mit Jesse Leach zu führen.

MF: Wie fühlt es sich an, zurück bei Killswitch Engage zu sein?

Jesse: Einfach super, Mann, wunderbar! Ich finde gar nicht die richtigen Worte, um auszudrücken, wie gut es sich anfühlt, wieder das zu tun, was mir am meisten Spass macht. Wir Jungs haben alle eine Menge Spass zusammen und sind voller Energie.

MF: Ihr habt in den letzten Monaten fast nonstop getourt und dabei auch noch Zeit gefunden, das neue Album aufzunehmen. Müde?

Jesse: Ehrlich gesagt, erstaunt es mich selbst, bin gar nicht müde. Im Moment macht mir das Ganze derart Spass, dass ich gar nicht Zeit dazu finde, müde zu sein.

MF: In weniger als zwei Wochen beginnt auch schon deine nächste Tour, die dich durch die halbe Welt führt und was das Beste ist – ihr werdet im April in der Schweiz sein. Wie gefällt dir die Schweiz?

Jesse: Ich war schon ein paar Mal in der Schweiz. Ich liebe die Schweiz, alles ist so idyllisch, klein und sauber hier. Wie kann man das nicht gern haben? Ich freue mich schon darauf, vor dem Schweizer Publikum zu spielen.

MF: Ich konnte mir dein neues Album, «Disarm The Descent», anhören. Wie seid ihr auf den Titel gekommen?

Jesse: (lacht) - Das war dann wohl ich. Ursprünglich wollten Adam und ich es «Disarming The Descent» taufen, aber dann war ich der Meinung, dass es besser rüberkommt, wenn wir es «Disarm The Descent» nennen. Diese Aussage ist direkter, treffender und hat mir persönlich besser gefallen. Und darum geht es auch bei diesem Album. Es geht darum, den Niedergang aufzuhalten, diese Endlosspiralen, die dich hinunter ziehen. Es geht um Erlösung. Du weisst schon, wie eine Wiedergeburt, ein Auftauchen aus der Tiefe.

MF: Wie der Phönix, der sich aus der Asche erhebt?!

Jesse: Genau.

MF: Das Album erinnert ein bisschen an Killswitch von früher, ich denke dabei an das Album «Alive Or Just Breathing». Back to the roots?

Jesse: Es kann sein, dass es sich so anhört. Wahrscheinlich, weil wir in der fast ursprünglichen Bandzusammenstellung spielen. Aber von "Back to the roots“ kann keine Rede sein. Wir haben uns seit 2002 alle mächtig entwickelt, musikalisch wie auch persönlich, und dieses Album ist Ausdruck davon. Die anderen (von der Band) haben unglaubliche Tracks vorgelegt und ich musste alles aus mir heraus holen, um auf dasselbe Niveau zu kommen. Das war eine wunderbare Herausforderung für mich und dank der starken Unterstützung von Adam (Lead Gitarrist) konnte ich meine Stimme weiter entwickeln und meine eigene Mitte finden.

MF: Auf dem neuen Album ist ein Song namens «The Turning Point». Fühlt es sich wie ein Wendepunkt an?

Jesse: Auf jeden Fall. Diese Band hat mein ganzes Leben umgekrempelt und ich denke, dass ich auch für die Band sprechen kann. Es ist ein wichtiger Wendepunkt für uns alle.

MF: Ist das dein bestes Album, das du je aufgenommen hast?

Jesse: Auf jeden Fall. Ich persönlich bin überzeugt, dass es das Beste ist, was ich je aufgenommen habe.

MF: Was können die Fans von deiner nächsten Tour erwarten?

Jesse: Wir werden uns an das bewährte Rezept halten, aber es weht ein neuer, frischer Wind in der ganzen Band. Wir alle sind voller Tatendrang und voller Energie und das wird man an den Live-Shows spüren. Es wird intensiver werden und härter, aber gleichzeitig werden wir wie immer ein Gleichgewicht zwischen Spass und Lockerheit behalten. Ich glaube, dass unser unverkrampftes Herumblödeln in den Shows Ausdruck davon ist, wie gut wir uns in der Band verstehen.

MF: Du scheinst ein echtes Energiebündel zu sein. Woher beziehst du so viel Energie? Hast du ein Geheimnis, das du mit uns teilen möchtest?

Jesse: Lacht vielsagend. Ich glaube es ist vor allem Leidenschaft. Unverfälschte, natürliche Leidenschaft und Freude daran, Neues zu erleben, zu touren, Länder zu besuchen. Ein Stück kommt es von einer Menge angesammelten Zorn und aufgebaute Frustrationen, die nun endlich einen Weg gefunden haben, frei zu brechen. Und dann auch Dankbarkeit. Ich bin so froh, dass ich eine zweite Chance erhalten habe, wieder bei Killswitch Engage mitmachen zu können. Es ist ein berauschendes Gefühl Musik zu machen und davon leben zu können.

MF: Was ist dein Lieblingslied auf dem neuen Album?

Jesse: Ich habe nicht wirklich einen Favorit auf der neuen CD. Es gibt ein paar, die mir sehr gefallen. Zum Beispiel fallen mir «Beyond The Flames», «New Awakening» und «You Don't Bleed». «You Don’t Bleed» ist wahrscheinlich der aggressivste Song, den ich jemals aufgenommen habe. Darauf bin ich mächtig stolz.

MF: Du hast auch eine Menge anderer Projekte am Laufen. Unter anderem kursiert das Heavy Metal Mixtape, dann kommen noch deine Engagements bei „The Empire Shall Fall“ und „Times Of Grace“.

Jesse: Das Heavy Metal Mixtape ist ein Projekt, das ich nicht weiter verfolgen werde. Leider habe ich keine Zeit mehr dazu. Was „The Empire Shall Fall“ anbelangt, das ist ein Studioprojekt, für das ich viel weniger Zeit investieren muss. Aber keine Angst, es ist quicklebendig und auch von dieser Front werdet ihr alle bald wieder hören. „Time Of Grace“, das ich zusammen mit Adam ins Leben gerufen habe (Dutkieviz, Lead Gitarrist KE), wird definitiv als Nebenprojekt weitergeführt werden. Aber zurzeit liegt mein Fokus klar auf Killswitch Engage.

MF: In welche Richtung werden sich KE weiterentwickeln? Werdet ihr härter, schneller, melodischer?

Jesse: Mir und der Band ist es wichtig, einen gesunden Mix aufrecht zu erhalten, wir werden uns nicht in eine bestimmte Richtung drängen lassen. Ich denke, dass man das auch nicht wirklich steuern kann, sondern, dass jedes Album nur wiederspiegelt, wo wir als Musiker stehen. Ich glaube KE werden so weitermachen wie bisher. Viele, gute und harte Beats, schwere Riffs, dazu die melodische Gitarre und der Gesang, der zwischen clean und aggressiv variiert. Aber was das Wichtigste ist, wir wollen alle weiterhin Spass an dem haben, was wir machen. Und das ist zur Zeit stark der Fall.

MF: Wie steht ihr in der Band zueinander?

Jesse: Der Bandzusammenhalt ist riesig. Wir lernen uns wieder gegenseitig kennen. Weisst du, es fühlt sich nicht wie Arbeit an, mit den Jungs auf Tournee zu gehen. Wir können all die Shows wirklich geniessen und die Zeit, die wir zusammen verbringen im Bus, auf der Tournee und bei den Aufnahmen.

MF: Wie denkst du, wird sich Metalcore in den nächsten Jahren entwickeln? Wird der Trend eher mehr zum Mainstream hingehen, oder wird sich die Szene in den Untergrund bewegen?

Jesse: Das ist eine gute Frage, Ich weiss es ehrlich gesagt nicht, wie sich die Szene entwickeln wird. Alles was ich weiss, ist, dass Metal auch in zehn Jahren noch immer wichtige und zentrale Rolle in der Musik spielen wird und dass es genug Fans haben wird, die das auch unterstützen. Metal, Punk, Hardcore, all das wird immer eine wichtige Rolle in der Musikszene spielen, solange es auch nur ein klein wenig rebellisches Denken gibt. Metal und all die extremen Musikrichtungen werden immer für alle da sein, die ein Ventil für ihre Frustrationen und für schwere Gedanken suchen. Wenn Bands wie Gojira, Mastodon und Peripherie Indikatoren sind, in welche Richtung Metal sich entwickelt, dann denke ich, befinden wir uns auf dem richtigen Weg.

MF: Wie würdest du das neue Album in wenigen Worten beschreiben?

Jesse: Es ist aggressiv, leidenschaftlich, ehrlich, angepisst, melodisch, berührend.

MF: Gibt es noch etwas, das du los werden möchtest?

Jesse: Ich will mich nur bei allen bedanken, die uns unterstützt haben, allen Dank aussprechen, die meine Rückkehr unterstützt haben. Wir brennen darauf, raus zu gehen und für Euch alle zu spielen. Ohne Euch wäre das niemals möglich gewesen und ich bin unglaublich froh, diese Gelegenheit zu haben. Yeah!