Interview: Jon Oliva's Pain
By Roger W.
Ein Interview mit Jon Oliva ist immer etwas spezielles. Der ex-Mastermind von Savatage und Sänger seiner Solo-Band Jon Olivas Pain hat eine Ausstrahlung, die einem fast umhaut. Das Interview fand nach dem Konzert im Z7 statt. Immer noch heiser, wegen einer Erkältung gab der Meister erstaunlich ernste Antworten. Er sinnierte über seine musikalische Zukunft, die nicht zwingend auf der Bühne sein muss und gab zum Schluss noch eine überraschende Ankündigung preis.

MF: Hallo Jon.


JO: Hallo, wie geht’s?

MF: Mir geht’s gut. Und dir?

JO: Ich bin ein Bisschen erkältet, deshalb muss ich leise sprechen. Aber ich bin okay.

MF: Wie war das Konzert für dich?

JO: Es war für mich viel besser als das gestrige Konzert. Weil gestern Abend war ich wirklich krank. Und heute morgen bin ich zum Doktor gegangen und die haben mir Kortison gegeben und anderes Sachen zum einnehmen. Und ich sage dir eines, es geht jetzt schon wieder viel besser, denn heute Morgen konnte ich nicht einmal mehr sprechen. Meine Stimme war komplett weg und ich dachte bereits, dass wir das heutige Konzert absagen müssen. Und dann ging ich zum Doktor, und die Sachen haben dann zum Glück gewirkt. Zumindest insofern, als dass ich heute singen konnte. Ich werden dann sehen, was sein wird, wenn ich morgen aufwache. Wahrscheinlich werde ich mich dann sehr schlecht fühlen. Aber wir werden sehen. Aber auch so hatte ich während dem Konzert sehr viel Spass. Ich liebe es, hier zu spielen.

MF: Du magst das Z7?

JO: Ich mag das Z7 immer. Norbert ist immer sehr gut zu uns. Die ganze Crew hier ist toll und es ist immer eine Freude hierher zu kommen um zu spielen. Die Fans hier sind sehr nett. Die sind sehr musikalisch. Ich mag es, vor einem Publikum wie diesem zu spielen.

MF: Du wirst ja das nächste Konzert filmen?

JO: Ja, am Freitag für eine DVD. Das ist ein anderer Grund, wieso ich ein wenig durchdrehe. Weil ich krank werde. Immer wenn wir eine DVD machen wollen, werde ich eine Woche vorher krank. Aber sowas passiert halt. Was sollte ich dagegen tun. Ich werde dann einfach auf die Bühne gehen und wie immer mein Bestes geben. Das ist alles was ich tun kann.

MF: Also werdet ihr auch filmen, wenn du heiser und krank bist?

JO: Ja, denn wenn man eine Live-DVD macht, nimmt man in der Regel später den Gesang nochmals im Studio auf. Das ist einfach die Art wie man es heute macht. Früher hat man, wenn man ein Live-Album aufgenommen hat, auch wirklich ein Live-Album daraus gemacht. Aber seit der Zeit, als Kiss mit Kiss Alive angefangen haben, die Musik nachträglich nochmals im Studio aufzunehmen, hat sich das geändert. Ich werde das aber nicht tun. Ich werde nur den Gesang nochmals aufnehmen, weil ich mich während dem Auftritt auf mein Performing konzentrieren möchte. Dafür werde ich aber wohl aber auf eine gesangliche Höchstleistung verzichten müssen. Also werde ich den Gesang wohl nochmals aufnehmen, es zusammen mischen und daraus eine gute Live-DVD zusammenschneiden.

MF: Also dann mit einer guten Stimme.

JO: Ja, dann mit einer guten Stimme.

MF: Heute haben Circle II Circle als Vorgruppe von euch gespielt. Stehst du immer noch in Kontakt mit Zak Stevens (ehemaliger Savatage-Sänger)?

JO: Ja, eigentlich schon. Klar, wir sind beide sehr beschäftigt. Er hat seine Band, ich habe meine Band. Und über Jon Olivas Pain steht bei mir noch das Trans-Siberian Orchestra, welches ebenfalls sehr viel meiner Zeit beansprucht. Darum sehe ich Zak auch nicht so oft. Aber wir sind Freunde und treffen uns zuhause zum Teil, wenn wir zu Hause sind. Er lebt nur etwa 30 Minuten von mir entfernt. Und wir haben Freunde, die etwa in der Mitte zwischen uns wohnen. Und wir treffen uns darum oft durch Zufall, wenn wir beide dort Football sehen gehen.

MF: Und man sieht und hört, dass er immer noch die Savatage-Lieder singen kann.

JO: Ja, das kann er. Das sollte er aber auch, da er immerhin zehn Jahre ihr Sänger war. Wenn er die Texte nicht mehr kennen würde, wüsste ich nicht so recht. Dann müsste er wohl auf www.lyrics.com nachschauen (lacht).

MF: Im Vorfeld dieser Tour hattest du Probleme mit deinem Bassisten und deinem Gitarristen. Du musstest neue Leute mitnehmen.

JO: Ja, beim Bassisten war es so, dass seine Mutter sehr krank geworden ist. Und da er und seine Mutter die einzigen sind, die es von seiner Familie gibt, war es so, dass er bei ihr bleiben wollte. Weil seine Mutter ist sehr, sehr krank geworden und sie ist immer noch sehr, sehr krank. Er konnte also nicht mitkommen, was ihn sehr traurig stimmte. Weil wir mögen Kevin. Er ist ein netter Typ. Aber ich meine, er hat schlicht das getan, was jeder in seiner Situation tun würde. Er schaut zu seiner Mutter. Sie hat auch für ihn sein ganzes Leben lang geschaut. Und jetzt hat sie ausser ihm niemanden mehr. Er konnte also nicht einfach nach Europa kommen, und sie alleine lassen. Ich respektiere ihn für diese Entscheidung sehr. Und Tom, unser Gitarrist, war in einer ähnlichen Situation. Er hat physische Gesundheitsprobleme, was ihm verunmöglichte zu touren. Er leidet an grossen Schmerzen. Er war in einer Situation, in der er Schmerzmittel nehmen musste. Und die einzige Möglichkeit, die er gehabt hätte um mit auf Tour zu kommen, wäre gewesen, sich täglich mit noch mehr Schmerzmittel vollzustopfen. Und die möchte er nicht nehmen, weil die ihn sonst kaputt machen würden. Und so hat er entschieden, anstelle Medikamente zu nehmen, besser das Problem zu lösen.

Er ist ja eigentlich ein Custom-Guitar-Builder. Er gehört wohl zu den besten in seinem Beruf. Er arbeitet also an Gitarren. Die Jungs von Dean (Dean-Schlagzeuge und Gitarren) sind Freunde von uns. Die haben ihn als Custom-Guitar-Builder angestellt. Er hat die Dave Mustain-Gitarren entwickelt. Er ist ein Meister seines Faches und es ist etwas, was er auch ohne Medikamente tun kann. Es ist keine physische Anstrengung. Er hatte mal einen Unfall, bei dem er seinen Rücken und seinen Nacken ziemlich stark verletzt hatte. Und was tun wir in solchen Fällen in Amerika? Wir stopfen dich mit Schmerzmittel voll. Und das ist sehr schwierig für gewisse Leute. Und deshalb musste er eine Entscheidung treffen. Er hat mich angerufen und war sehr aufgeregt und hat mir seine Situation erklärt. Und ich antwortete ihm: „Kevin, das hier ist nur eine Band. Deine Leben ist viel wichtiger. Weil du bist mein Freund. Es ist für mich viel wichtiger, dass es dir gut geht und du gesund bist, als dass du mit uns für zwei Wochen nach Europa kommst.“ Ich hielt ihm die künftigen Optionen offen. „Wenn du wieder mitmachen und mit uns weitere Alben aufnehmen möchtest, bist du weiterhin sehr willkommen. Aber ich verstehe dich, wieso du nicht touren kannst. “ Danach ging es ihm schon viel besser. Die beiden sind Teil unserer Familie und die müssen halt einfach weiterschauen. Und das passiert halt von Zeit zu Zeit mal. Dieses Geschäft ist wie jedes andere. Leute kommen und Leute gehen. Und die beiden gehen einfach weiter.

MF: Aber die beiden sind vorerst nur für die Tour ersetzt?

JO: Jerry, war bereits vorher einmal bei uns. Jerry ist also zurück, und Jason, der neue, haben wir vor einem Monat getroffen. Er ist also sehr neu dabei. Ich weiss nicht, was in Zukunft passieren wird. Wir werden sehen. Es gibt einige Dinge, die ich tun möchte. Ich möchte dass jeder in der Band bleiben und ein Teil davon sein kann. Aber wir werden sehen, was passieren wird. Sobald ich sowas sage, wird wieder was unvorhergesehenes passieren. Aber ich hoffe, dass jeder ein Teil der Band bleiben kann.

MF: Kommen wir zum neuen Album Festival. Die Reaktionen darauf waren ja sehr verschieden. Es gab Leute, die es sehr lieben und andere, die nichts damit anfangen können. Sind das die üblichen Reaktionen?

JO: Ich mag die Leute, die es mögen. Und die Leute, die es nicht mögen, fickt euch! Ich meine, das ist wie bei jedem Album. Man kann nicht alle glücklich machen. Ich mache Alben ohne die Absicht, dass es den Leuten gefallen muss. Ich habe das 20 Jahre lang mit Savatage so gemacht. Wir haben da das getan, was jeder von uns hören wollte. Ich habe dies und jenes gemacht. Und heute ist es so, dass ich sagen kann: „Schaut, ich brauche das Geld nicht. Ich kann es mir leisten, dank dem Trans-Siberian Orchestra.“ Ich komme hier her um zu spielen und nehme Alben auf, weil ich es liebe. Ich mag es über den grossen Teich zu fliegen um für das europäische Publikum zu spielen. Ich liebe es. Und es ist etwas, das ich nicht fürs Geld mache. Glaube mir, ich verdiene damit kein Geld. Ich verliere dabei sogar meinen Arsch. Aber es kümmert mich nicht. Ich spiele lieber. Ich bin heute keine 25 mehr. Ich weiss nicht, wie lange ich das überhaupt noch machen kann. Also spiele ich noch so oft, wie es überhaupt geht, solange ich es überhaupt noch kann. Weil ich möchte mit 65 nicht mehr „Hall Of The Mountain King“ singen. Ich habe vielleicht noch ein paar wenige Jahre Zeit übrig, live zu spielen. Und es gibt viele Alben, die ich noch gerne aufnehmen würde. Ich habe Beziehungen um vielleicht mal Film-Musik zu machen. Zum Beispiel für Horror-Filme. Was etwas ist, was ich schon immer mal tun wollte. Wie auch, dass ich junge Bands produzieren möchte, wie zum Beispiel die Band, die heute vor uns gespielt hat, Need. Das ist eine der Bands, mit denen ich zusammen arbeiten werde. Und das ist etwas, was man tun machen kann, wenn man sich der Abenddämmerung seiner Karriere nähert. Ich meine, ich hatte eine gute Zeit. Ich begann mit 17 Jahren professionell Musik zu machen, und bin jetzt erst gerade 51 geworden. Im Musikgeschäft ist es ja so, dass die meisten Karrieren nach vier bis sechs Jahren beendet sind. Und ich tue das jetzt bereits seit über 30 Jahren. Ich denke mal, dass ich da irgendetwas richtig gemacht habe.

MF: Es scheint so. Du hast also bereits Pläne für die Zeit nach Jon Olivas Pain?

JO: Ja, ich möchte gerne Fischen gehen. Ich möchte zu Baseball-Spielen gehen, ich möchte einfach normale Sachen tun, bevor ich gehe. Aber die Musik ist in mir drin. Ich könnte ohne sie nicht leben. Ich denke nur, dass ich mal andere Wege einschlagen werde, vielleicht in den nächsten Jahren. Ich kann mir vorstellen, das was ich jetzt machen, noch in den nächsten vier bis fünf Jahren zu machen. Aber in der Zeit, wo ich zwischen 55 und 56 Jahre alt werde, wird es Zeit, mal was anderes zu machen. Ich habe grossen Respekt vor Leuten wie Lemmy und Ronnie (James Dio) Rest in Peace. Und diese Leute sind oder waren alle über 60, und tun es immer noch. Ich habe grossen Respekt für das, aber das ist nichts für mich. Ich möchte das nicht tun. Da gibt es noch andere Dinge, die ich ebenfalls noch tun möchte. Die Zeit wird kürzer, je älter du wirst. Die Tage vergehen schneller, alles läuft schneller ab und meine Alarmglocken läuten, weil ich noch so viele andere Sachen ausprobieren möchte, als immer nur dasselbe zu machen. Ich meine, kannst du dir vorstellen, wie krank es mich macht und wie es mich langweilt immer „Sirens“ zu spielen? Ich liebe den Song und ich mag das ganze Rumherum. Aber ich bin es müde, dieses Lied zu singen. Aber wenn ich dann sehe, wie die Leute darauf reagieren, geht diese Müdigkeit weg. Bis zum nächsten Tag, an dem ich den Song wieder singen muss. Ich hasse es.

MF: Im Frühling kam eine Best-Of-Savatage-Scheibe raus. Wie gross war dein Einfluss auf diese CD?

JO: Sehr. Ich habe alle Bonus-Tracks zusammengestellt. Ich habe dafür extra 18 Akustik-Songs selber aufgenommen. Bei einem Lied hat noch Al Pitrelli mitgewirkt. Die kamen alle auf die Best-Of und auf den neu aufgelegten Back-Katalog. Paul kam mit der Anfrage von der Plattenfirma für die Best-Of-CD. Und ich sagte: „So lange ich mit dir die Lieder auswählen kann, ist es okay.“ Ich habe dann meine Vorschläge gemacht, und sie haben mir ihre gesagt. Und so sagte ich, dass ich damit leben kann. Und wenn ihr mich diese Bonus-Lieder aufnehmen lässt ohne dass irgendwelche Savatage-Wiedervereinigungs-Gerüchte aufkommen werden, ist es okay. Solange nicht wieder eine ganze Serie Gerüchte entstehen. Ich bin diese ebenfalls ziemlich müde zu hören. Es war also eine gute Sache und ist auch gut rausgekommen. Ich kann nicht klagen.

MF: Es gab ja mal dieses T-Shirt mit von Jon Olivas Pain auf dem stand „Size does matter“. Was macht die grösse tatsächlich aus?

JO: Keine Ahnung. Frag mal deine Freundin (lacht).

MF: Ja, das werde ich.

JO: Nein, nein, das war nur ein Witz. Das war eine Reaktion auf Werbung, die es in Amerika gibt. Da verkünden sie „Size Does Matter“. Und so dachte ich, wäre es lustig, diesen Spruch auf die T-Shirts zu drucken. Das ist so ein wenig der Humor eines gelangweilten Amerikaners.

MF: Aber das war keine Anspielung auf deinen eigenen Körperumfang?

JO: Nein. Das war nur ein Witz.

MF: Die Tour mit Jon Olivas Pain wird mit dem nächsten Konzert enden. Die Konzerte mit dem Trans-Siberian Orchestra werden Anfang November beginnen.

JO: Ich fliege nach dem letzten Konzert heim, komme also am Montag heim und muss dann am Dienstagmorgen bereits wieder weiter. Dann gehe ich zu den Trans-Siberian Orchestra-Proben nach Ohamabra Nebraska. In der Mitte von wirklich nichts. Da gibt es nichts anderes als Kornfelder.

MF: Es ist also kein schöner Ort.

JO: Es ist überhaupt nichts. Es sieht dort so langweilig aus. Aber wir werden dort proben. Ich werde für 16 Stunden zu Hause sein und muss danach bereits wieder gehen. Meine Frau findet das nicht so lustig und ist ziemlich angepisst deswegen.

MF: Wirst du den mit dem Trans-Siberian Orchestra auf Tour gehen und auch singen?

JO: Nein, auf der Weihnachts-Tour werde ich nur dabei sein. Ich helfe ihnen, passende Sänger und so zu finden. Aber wenn das Trans-Siberian Orchestra im März hier her nach Europa kommen wird, dann werde ich auch mit ihnen singen. Und es wird da eine Savatage-Reunion am Ende der Show geben. An jedem Konzert dieser Tour werden wir das machen und viel Spass zusammen haben.

MF: Wie viele der Savatage-Leute werden denn in Europa dabei sein?

JO: Ich, Johnny (Lee Middleton, Bassist), Chris Caffery (Gitarrist), Al Pitrelli (Gtarrist), Jef Plate (Schlagzeuger), Paul (O’Neil), Bob Kinkel. Also wirklich alle von uns. Und in der Zugaben werden wir in paar Savatage-Lieder spielen.

MF: Wie gross ist denn die Chance, dass ihr das Hallenstadion ausverkaufen werdet?

JO: Ich kenne die Vorverkaufszahlen der Schweiz nicht, weiss aber, dass das Konzert in Holland bereits fast ausverkauft ist. Die Leute werden durchdrehen, wenn sie die Show sehen werden. Denn TSO (Trans-Siberian Orchestra) ist eine riesen Sache. Die Show ist einfach einsame Spitze. Es ist eine grosse Produktion. Wir werden am Fernsehen Werbung machen. Es ist ein unglaublicher Event. Ich sage dir, es wird etwas sein, was ihr nie mehr vergessen werdet. Die Lichtshow alleine ist über zwei Millionen Dollar wert. Und es schaut einfach grossartig aus.

MF: Die meisten Trans-Siberian-Orchestra-Lieder behandeln ja Weihnachten. Wie verbringst du Weihnachten? Mit deiner Familie?

JO: Ja, mit meiner Familie. Normalerweise reisen wir vier bis fünf Tage vor Weihnachten zurück nach Florida. Und im März werden wir dann mit Trans-Siberian-Orchestra nach Europa komme.

MF: Und mit deiner Familie werdet ihr dann die Trans-Siberian-Orichestra-Sachen hören?

JO: Nein, es wird dann verboten sein, Trans-Siberian Orchestra in meinem Haus zu spielen.

MF: Du wirst es bis dann wohl satt haben?

JO: Ja, denn das wäre, wie wenn ich ein Mechaniker wäre, der zu Hause ebenfalls die ganze Zeit sowas machen würde. Ich höre diese Lieder, wenn ich am Arbeiten bin. Wenn ich frei habe und zuhause bin, versuche ich es wegzuhalten. Weil meine Frau würde mich ansonsten töten. Sie sagt sonst schon immer, dass ich zu viel Zeit damit verbringe.


Unser Roger W. mit Jon Oliva >>>