Interview: Iced Earth
By Maiya
Anlässlich ihres neuen Albums "Framing Armageddon / Something Wicked Part 1" legten Iced Earth einen Boxenstopp in Pratteln ein, um die neuen Songs live vorzustellen. Vor dem Gig traf ich den Meister höchstpersönlich. Lest hier, was Jon Schaffer über seine Fans und die Band zu sagen hat, und vor allem: Wie er mit den Leuten abrechnet, die ihn wegen seinem grössten Hobby wie einen Aussätzigen behandeln!

MF: Jon, wie geht es dir?

JS: Gut, alles okay soweit. Wir sind jetzt bei der sechsten oder siebten Show der Tour, glaube ich, und wir haben noch einige vor uns und hatten einen guten Start.

MF: Wie geht es dir denn gesundheitlich?

JS: Echt gut! Der Typ der vorhin hier war ist mein Physiotherapeut. Er macht seine Sache echt gut und arbeitet täglich an meinem Rücken, damit ich während der Tour keine Probleme habe. Es war eine zeitlang ein Problem, darum ist es sicherer, jemanden dabei zu haben, der sich darum kümmert. Wir wollen nichts mehr verschieben oder absagen müssen, das ist schon zu oft passiert.

MF: Gut, denn deine Fans machen sich Sorgen um dich!

JS: Ja, ich bin sehr glücklich, so superloyale und grossartige Fans zu haben! Bessere Fans kann man sich gar nicht wünschen, und das bedeutet mir wirklich viel!

MF: Ich hab gehört, dass ihr Probleme mit dem Tourbus in Spanien hattet. Was ist passiert?

JS: Wir hatten eine Panne. Hmm, warte mal... War das in Spanien? (überlegt) Ach nein, warte mal, die Panne war in Frankreich. Die Jungs von Turisas haben uns zu einem Hotel gefahren, wo wir auf einen anderen Bus aus Deutschland gewartet haben, der uns abholen sollte. Wir hatten enorme Verspätung und standen deshalb bei dem einen Gig in Spanien erst um halbzwei Uhr morgens auf der Bühne. Die Kupplung ist ausgefallen, und wir konnten sie nicht so schnell reparieren lassen. Wir haben den Bus immer noch nicht zurück. Shit happens, so ist das nun mal.

MF: Wie waren denn die Reaktionen auf das neue Album bisher?

JS: Die waren wirklich gut! Also ich meine vom Standpunkt der Kritiker, denn ich hab eine Menge positiver Reviews gelesen. Wann immer ich Zeit habe, rede ich gerne mit den Fans darüber. Es interessiert mich, wie das neue Zeug bei ihnen ankommt. Leider hatte ich in letzter Zeit keine Gelegenheit mehr dazu nach den Shows. Ich hab jetzt eine Tochter, und das macht das ganze Touren schwieriger, weil ich sie wirklich sehr vermisse. Nach den Shows versuche ich, so viel Zeit wie möglich am Telefon zu verbringen, was mir leider weniger Zeit für Gespräche mit den Fans lässt. Ich hätte gerne mehr Zeit, aber meine Tochter kommt an erster Stelle.

MF: Ich bin mir sicher, dass die Fans das verstehen. Sag mal, die Story des neuen Albums ist ja wirklich beeindruckend! Was hat dich dazu inspiriert?

JS: Die Idee war eigentlich schon seit Jahren in mir drin und wartete nur darauf, sich zu entwickeln. Ich weiss aber nicht mehr so genau, die ich darauf kam.

MF: Glaubst du überhaupt an Ausserirdische, oder ist das fiktiv für dich?

JS: Ich bin mir nicht so sicher, was das betrifft. Die menschliche Rasse neigt dazu, auf alles eine Antwort zu suchen und sieht tägliche Wunder als selbstverständlich an. Ich meine besispielsweise die Geburt eines Kindes, oder wie eine Raupe zum Schmetterling wird. Das sind so unglaubliche Vorgänge in der Natur, aber man nimmt sie gar nicht als etwas besonderes wahr, weil es normal geworden ist. Man sollte sich auf solche täglichen Wunder konzentrieren, anstatt da draussen nach etwas zu suchen, das man gar nicht begreifen kann.

MF: Erzähl mir doch bitte, wie ihr trotz so vieler Änderungen im Line Up so einzigartig bleiben konntet.

JS: Hmm... (überlegt). Es gab zwar schon ein paar Änderungen im Line Up, das stimmt. Aber ich denke nicht, dass das einen grossen Einfluss auf die Band hatte. Es ging immer um das "warum" und um das "jetzt", das ist alles. Die Ideen waren jederzeit in meinem Kopf präsent, und jeder Bandmember hatte einen gewissen Einfluss auf die Musik. Dadurch hat sich aber nichts richtig verändert, die Musik ist lediglich gewachsen und gereift. Das ist es zumindest, was ich tue. Ich versuche als Mensch reifer zu werden, und mit den Jahren hoffentlich auch weiser. Dasselbe passiert mit der Musik, jedenfalls ist das mein Ziel. Ich kann mich wirklich nicht darum kümmern, was in der Musikindustrie abgeht, was gerade populär ist und wie die Trends sind. Ich meine, das ist nicht wichtig, und war mir auch nie wichtig. Die einzige Art, wie Iced Earth musikalisch wachsen kann ist... Wenn ich spüre, dass ich als Mensch wachse, dann wächst auch der Song. Das scheint mir die direkteste und ehrlichste Beziehung zwischen mir und meiner Musik zu sein, eben zu reifen. Und mit Reifen meine ich nicht, dass ich darauf achte, was andere Bands tun oder was in Mode ist. Das wirklich Wichtige ist in einem drin, wenn man ehrlich in sich selbst hinein hört. Wenn man das schafft, wenn man ein ehrliches Bild von sich selbst hat, dann reift man. Und wenn man selber als Schreiber reift, dann reifen auch die Texte. Wir hatten ein paar grossartige Musiker in der Band... Weisst du, ich habe eine sehr spezifische Vision von Iced Earth. Davon wie es ist, wie es sein soll, und was wir tun sollten, um musikalisch professionell zu bleiben. Ich denke, dass viele der Jungs in der Band froh sind, dass jemand anderer sich um solche Dinge Gedanken macht, damit sie einfach nur Musik machen und Spass haben können. Es war immer ein Kampf, genau genommen war Iced Earth schon immer in einem Kampf. Und auch wenn es Leute gibt, die das Gegenteil behaupten: Wir waren nie eine grosse Band und machen auch nicht Millionen von Dollars, denn es geht wirklich mehr um die Kunst. Das macht es natürlich schwieriger, eine beständige Band beizubehalten, vor allem, wenn man weltweit nur ein paar Hunderttausend Kopien einer CD verkauft. Das mag nach viel klingen, aber in der wirklichen Musikwelt da draussen ist es eine winzige Anzahl, und genau das ist der ständige Kampf. Ich habe ein gutes Leben und möchte mich keineswegs beschweren. Immerhin hat es viele Jahre gedauert, mir meine jetztige Position zu erarbeiten, viele Jahre der Aufopferung. Ich habe mit der Band vor etwa 23 Jahren angefangen und hab eine Menge verschiedener Jobs gehabt, nur um die Band zehn jahrelang am Leben zu erhalten, bis endlich das erste Album erschien. Ich denke, dass nicht viele Menschen das tun würden, da die meisten ihre Träume zu schnell aufgeben und eine andere Richtung einschlagen, aber ich bin kein Aufgeber!

MF: Eine ausgezeichnete Antwort! Sag mal, habt ihr Pläne für eine DVD mit Tim?

JS: Die haben wir wirklich! Aber darum werden wir uns erst kümmern, wenn "Part Two" draussen ist. wir haben noch keine Pläne dafür gemacht, ausserdem muss dieses Line Up noch sehr viel besser werden und noch mehr Auftritte zusammen meistern. Wir haben erst an etwa drei Festivals im Sommer gespielt und vielleicht fünf andere Shows, also noch nicht wirklich viel. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, damit die DVD so wird, wie ich sie haben will. Besser gesagt auf dem Level, auf dem ich sie haben will. Aber es läuft eigentlich immer besser und auch die Umstände verbessern sich. Somit ist die Antwort: Ja, wir werden in naher Zukunft etwas machen.

MF: Eine Menge Fans vermissen Songs wie "Watching Over Me". Warum spielt ihr den Song nicht mehr?

JS: Naja, mit den Jahren wird es schwer, alle Songs zu spielen, welche die Fans gerne hören würden. Sogar auf der Tour zu "Horror Show" fragten die Leute im Nachhinein, warum wir diesen oder jenen Song nicht gebracht haben, dabei hatten wir drei Stunden lang gespielt! Ich höre sowas immer, egal was wir machen. Das ist ein Song, der immer wieder auf der Setliste verschwindet und wieder auftaucht. Wir haben ihn letztes Mal in Europa gespielt, diesmal spielen wir statt dessen "Melancholy"...

MF: Wirklich?? (Meine Augen werden gross!)

JS: Ja, das ist eine Sache der Veränderung und des Fortschrittes. Sicher spielen wir in erster Linie neue Songs. Klar wollen die Leute auch Sachen von "Stormrider" oder "Burnt Offerings" hören, aber mit jedem neuen Album wird das schwieriger, weil wir verschiedene Zeitabschnitte der Band mit einbringen möchten. Ich möchte nicht bei zu alten oder zu neuen Songs hängen bleiben, ausserdem denke ich, dass die aktuelle Setliste echt gut ist.

MF: Tja Jon, ihr habt einfach zu viele gute Songs!

JS: Hey, das hoffe ich doch! (lacht erfreut und geschmeichelt) Aber wie gesagt, es wird immer schwieriger, da wir ja nicht 900 Minuten lang spielen können. Unser Songkatalog erstreckt sich immerhin über siebzehn Jahre, und das macht es noch schwieriger.

MF: Als Militärfreak hab ich eine bestimmte Frage, wenn du erlaubst...

(Jon mustert meine Schuhe)

MF: Ähm... Das sind Schweizer Militärstiefel...

JS: Hey, cool!

MF: Wie kamst du auf die Idee, einen Militaria Shop zu eröffnen, und was wird dort verkauft?

JS: Angefangen hat es damit, dass dieses Thema ein grosses Hobby von mir ist. Das ist eine dieser Ideen, die sich zuerst in meinem Kopf entwickelte, und dann zur Realität wurde. Hauptsächlich wird in dem Shop Mailorder betrieben, es ist also eher ein Internet Shop. Der Verkaufsraum ist nur zu bestimmten vereinbarten Zeiten geöffnet. Das ganze ist sowieso eher ein Nischengeschäft, da nur wenige Leute sich für sowas interessieren. Darum macht es auch keinen Sinn, den Shop oft geöffnet zu haben. Diese Sache ist eine meiner Leidenschaften, der ich später mal nachgehen werde, wenn ich alt und pensioniert bin. Wenn ich mit der Musik mal fertig bin, dann werde ich mich womöglich selber an fünf bis sechs Tagen pro Woche um den Laden kümmern. Vor etwa anderthalb Jahren fing ich mit der Arbeit zu "Something Wicked" an und hatte keine Zeit mehr dafür, da das Schreiben mich jeden Tag viele Stunden kostete. Und wie das eben so ist: Wenn man etwas nicht wirklich will, dann funktioniert es auch nicht, speziell was Visionen betrifft. Wir verkaufen Miniaturen, Illustrationen, handgemachtes Zeug, wirklich allererste Qualität. Zeug aus Russland, China... In erster Linie haben wir Sachen aus der Zeit des Amerikanischen Bürgerkrieges und aus dem zweiten Weltkrieg. Meine liebste Epoche ist aber nach wie vor die Amerikanische Revolution. Wir verkaufen einfach alles, egal ob es mit dem alten Ägypten oder Indianern zu tun hat. Wir verkaufen sogar Relikte von Schlachtfeldern des ersten und zweiten Weltkrieges, also eigentlich alles, das irgendwie mit Militär zu tun hat.

MF: Das hört sich für mich ja geradezu überwältigend an!

JS: Hey, dann bist du eine echte Ausnahme! Die meisten Leute im Musikbusiness fahren nicht gerade auf solche Sachen ab, aber ich mag das Thema Geschichte einfach.

MF: Es ist kein Geheimnis, dass du bei manchen Leuten an Beliebtheit verloren hast, weil dieses Thema dich interessiert. Gib doch bitte hier und jetzt ein Statement für all die Leute ab, die dich verurteilen.

JS: Ach, diese Leute sind mir nicht wirklich wichtig. Sie haben Angst vor dem Thema Geschichte, und das ist ein Problem. Sie selbst sind eigentlich ein Problem und begreifen das nicht einmal. Sie achten darauf, ob wir Nazi-Sachen haben und übersehen dabei, dass wir auch Zeug von Britischen Soldaten, dem hundertjährigen Krieg und sowas haben. Ich meine, wir haben einfach alles! Und diese Leute konzentrieren sich nur auf die Sachen der SS und auf die Miniaturen von Hitler und Göring all diesen Typen. Aber hey, was soll ich tun? Diesen Teil der Geschichte leugnen? Solche Menschen haben nun mal existiert, das ist eine Tatsache! Tut mir ja leid, aber so ist das nun mal. Ich werde diesen Teil der Geschichte nicht aus meinem Shop verbannen oder ignorieren, nur weil manche Leute sich davon angegriffen fühlen und den Kopf in den Sand stecken. Genau diese Leute sind nämlich der Grund dafür, dass Hitler seine Sache durchziehen konnte, weil solche Menschen etwas wirklich existierendes einfach verleugnet haben. Hey, ich meine... Fuck them! Wenn diese Leute nicht das gesamte Bild sehen, dann möchte ich sie nicht als Fans haben, weil sie nicht intelligent genug sind, um Fans von Iced Earth zu sein.

MF: Vielen Dank für dieses eindrückliche Statement, meine Zustimmung ist dir sicher! Es ist zwar keine geplante Interviewfrage, aber da wir schon beim Thema sind: Welchen Panzer findest du eigentlich am besten?

JS: Also die neueren Abrams finde ich cool, aber irgendwie unrealistisch, daher würde ich sagen, dass der Tiger mein Favorit ist. Dieser... Hmm... Die Deutschen hatten ihn im zweiten Weltkrieg...

MF: Du meinst den Königstiger?

JS: Yeah, den halte ich für ziemlich bösartig. Hey, ich hab sogar mal einen Song über einen Panzer geschrieben! Das mag jetzt lustig klingen, aber ich hatte da diesen geschriebenen Gitarrenpart, der sich wie ein Panzer anhörte, der alles niederwalzt, was sich ihm in den Weg stellt, eine echt coole Sache also. Aber um auf die Frage zurück zu kommen, den Abrams mag ich, vor allem wegen der technischen Ausstattung, und den Tiger.

MF: Wir haben einen Königstiger hier im Schweizerischen Militärmuseum, und...

JS: Yeah??

MF: Ja, er ist schon recht eindrücklich und ein wundervolles Stück!

JS: Stimmt, er ist eine echte Schönheit!

MF: Mein Favorit ist aber der T-55...

JS: Der Russe? Warum?

MF: Irgend eine besondere Magie geht von ihm aus. Wenn ich vor ihm stehe, ihn anschaue, ihn rieche... Er vermittelt mir einfach ein besonders Feeling.

JS: Ha, das ist ja geil! Ich hab leider noch nie einen richtigen T-55 gesehn, aber ich hab ein paar Modelle von ihm in meinem Shop.

MF: Jetzt sind wir in ein Gespräch abgeschweift, kommen wir zurück zum Interview. Gibt es etwas Neues zum Thema Demons & Wizards?

JS: Zur Zeit nicht, da ich einfach zu beschäftigt bin, um auch nur an was anderes zu denken. Ich muss noch "Part Two" fertig stellen, und Hansi ist mit Blind Guardian beschäftigt. Wenn er mal Zeit hätte, dann hab ich vielleicht gerade keine Zeit, und umgekehrt. Wir machen das einfach, wenn wir Zeit dafür haben. Um ehrlich zu sein, wir müssen nächstes Mal einen besseren Job machen. Das zweite Album mag ich gar nicht mal so sehr, wie das erste. Das lag vor allem daran, dass wir es irgendwo zwischen unsere anderen Pläne rein quetschen mussten. Aber ich sagte zu Hansi, wenn wir das jetzt nicht machen, dann dauert es noch fünf Jahre. Er stimmte mir zu, und so haben wir es einfach irgendwie an unsere Terminkalender angepasst, anstatt uns wirklich darauf zu konzentrieren. Es ist schon ein wirklich gutes Album, aber wir hätten es noch besser machen können, wenn uns mehr Zeit dafür zur Verfügung gestanden wäre.

MF: Wir kommen schon zur letzten Frage. Möchtest du den Fans in der Schweiz etwas mitteilen?

JS: Es ist grossartig, wieder hier zu sein. Dieser Veranstaltungsort ist definitiv einer der besten in Europa, und die Leute hier sind einfach grossartig. Also danke für den Support! Ich bin immer wieder überwältigt von der Loyalität, die Iced Earth entgegen gebracht wird und es ist eine Ehre, solche Fans zu haben. Und ich meine damit alle! Die Schweizer, die Deutschen, die Griechen, die Amerikaner, die Briten, die Japaner... Es ist mir nicht wichtig, woher sie kommen. Sie sind alle Fans von Iced Earth, und das finde ich einfach cool.



Jon Schaffner mit unserer Maiya >>>>