Interview: Helloween
By Roger
Eine der grossen Überraschungen dieses Jahr war sicher die Ankündigung der Hellish-Rock-Tour, welche zum ersten Mal überhaupt Helloween und Gamma Ray zusammen auf Gastreise schickte. Die historische Bedeutung liegt dabei darin, dass Kai Hansen nach seinem Ausstieg bei Helloween nach dem Release von Keeper of The Seven Keys 2 über Jahre ein schwieriges Verhältnis zu seiner Stammband hatte. Die Zeit scheint aber die Wunden zu heilen, und so durfte ich im Backstage-Bereich der Stadthalle Dietikon erleben, wie Michael Weikath Kai Hansen eine Zigarette anbot und gleich auch Feuer spendete. So simpel diese Tat auch scheinen mag, ist sie für mich doch Sinnbild für zwei Musiker, die sich wieder gefunden haben. Kurz nach dieser „Bahn brechenden“ Tat sass mir Michael Weikath gegenüber, um mit mir über die Tour, seine Gemeinsamkeiten mit Kai Hansen und über das neue Helloween-Album „Gambling With The Devil“ zu quatschen.

MF: Herzlich Willkommen in der Schweiz. Wie fühlst du dich?

MK: Naja, es geht so. Dieses Neonlicht hier im Backstage-Bereich macht mich fertig. Und das ist auch in anderen Hallen immer so, dieses beschissene Neonlicht. Und das macht mich fertig, weil ich wohl ein bisschen lichtempfindlich bin. Aber das hatte ich schon als kleiner Junge. Also von daher fühle ich mich eigentlich nicht so gut wegen diesem doofen Licht.

MF: Gehst du denn viel raus, wenn es sonnig ist?

MK: Ja, denn Sonne ist eine ganz andere Angelegenheit. Das ist gesund, aber nicht dieses komische kalte Neonlicht.

MF: Ihr seid jetzt seit fast zwei Wochen auf Tour. Wie war es bisher?

MK: Bisher war es toll. Ja wirklich. Wir spielen in so schönen Hallen und haben die Gamma Ray’s mit uns und jetzt seit kurzem auch Axxis. Und das fühlt sich alles gut an.

MF: Mit dieser Tour geht für viele Fans beider Bands so ein Traum in Erfüllung. Wie gross war deine Vorfreude auf diese Tour?

MK: Ich habe da im Vorfeld nicht viel darüber nachgedacht. Also einerseits ist das eine gute Idee, es ist okay und sicher interessant. Und es macht Spass mit den „Knallköppen“, weil das eine lustige Band ist, die Gamma Ray’s. Und das läuft gut. Weil wir kannten uns ja vorher auch schon. Wir wussten nur nie was wäre, wenn du eine Tour machst. Wie läuft das tatsächlich ab? Wie sind die gemischten Gefühle, die da sind? Also auch die positiven. Und gibt es da eventuell noch Leichen im Keller von früher? Wie verhält sich das dann? Und das läuft aber bisher alles sehr interessant. Also das ist ziemlich unterhaltsam, so für jeden.

MF: Wie eng seid ihr denn zusammen? Teilt ihr euch den Tourbus?

MK: Wir haben drei verschiedene Tourbusse.

MF: Heisst das, dass ihr eigentlich nur im Backstage-Bereich zusammen seid?

MK: Ja, aber das reicht auch. Ich meine gestern hatten wir noch eine Autogrammsession in Milano. Da waren wir dann auch ausserhalb des Backstage-Bereiches zusammen. Und immer wenn wir da im Hotel sitzen, sitzen wir auch zusammen in der Lobby. Da wird was getrunken und dummes Zeugs geredet. Während der Fahrt können wir schlecht zusammenhängen, weil wir alle unsere eigenen Bandbusse haben.

MF: Der lokale Veranstalter hier ist ein riesiger Fan beider Bands. Habt ihr das bis jetzt schon gemerkt?

MK: Also nicht so direkt. Das Essen ist toll und die Unterkunft ja eigentlich auch. Und für das Neonlicht kann ja der Veranstalter nichts. Ansonsten bin ich schon froh, in dieser Halle hier zu spielen, weil du hier auch mal ein bisschen sitzen kannst ohne den Krach von der Bühne. Das ist z.B. im Z7 immer ein bisschen ärgerlich. Da hängst du da oben und hast immer das Gedröhne. Obwohl ich das Z7 ansonsten gut finde und gerne mag. Aber letztlich wenn du da dann sitzen musst und da ist die ganze Zeit dieses Gefetzte, da hast du dann nie Ruhe. Und so ein bisschen Ruhe auf einer Tour mit der ganzen Fahrerei, die hast du schon gerne.

MF: Habt ihr hier denn ebenfalls Waschmaschinen?

MK: Das weiss ich nicht. Ich habe aber keine gesehen. Wir hatten gerade gestern in Milano Waschtag und ich habe da meine Schlafsachen abgegeben und noch ein paar andere Sachen und die kamen dann gewaschen zurück. Was sehr schön ist.

MF: Nur weil das Z7 immer wieder für seine Waschmaschine gerühmt wird.

MK: Ja, so was ist oft wichtig. Besser ist natürlich, wenn du das einem Dienst geben kannst, der das möglichst günstig oder umsonst macht. Und wenn du Glück hast, dann hast du einen Veranstalter, der das losschickt und die Wäschekosten trägt. So wie gestern. Da brauchte ich halt nichts dafür zu bezahlen. Und das ist natürlich dann ideal.

MF: Kommen wir zum neuen Album „Gambling With The Devil“. Herzliche Gratulation dazu. Ich finde es sehr geil.

MK: Das freut mich natürlich. Ich finde es eine interessante Ansammlung an Titeln, welche so geworden sind, wie sie geworden sind. Und es gefällt ja jedem sehr gut. Und ich finde auch, dass es ein ziemlich starkes rundes Paket ist.

MF: Gerade die ersten beiden Songs erinnern mich ein bisschen an das, was auf „Better Than Raw“ war.

MK: Ich glaub das ist auch „reziprok“ beabsichtigt. Ich meine der Andy (Deris, Sänger) der denkt sich da genau was er macht. Obwohl bei Nr.2, was war jetzt das gleich? Das verstehe ich jetzt nicht ganz.

MF: Beim zweiten Lied („The Saints“)? Das thrasht ziemlich drauf los.

MK: Also du meinst jetzt das Intro, und dann die beiden nächsten Songs?

MF: Ja, also „Kill It“ und „The Saints“.

MK: Ja, kann sein. Ich kann mich jetzt gar nicht erinnern, was da der zweite auf der “Better Than Raw” war. Keine Ahnung. Ja, macht auch nichts. Den Leuten gefällt es ja, und mit gefällt es auch. Davon abgesehen ist „Kill It“ natürlich was anderes als „Push“. Das ist ein komplett anderer Titel und wenn da Ähnlichkeiten sind, dann stört mich das nicht. Ich meine bei Judas Priest klingt auch alles immer sehr gleich und es stört mich nicht. Ich finde es immer wieder geil, wenn die solche Sachen machen. Es ist halt die Band, wie sie ist.

Sascha Gerstner: Quack!

MK: „Quack!“ Das wollte Sascha noch beisteuern.

MF: Wie wichtig war beim Albumschreiben das mit Dani Loeble jetzt seit langem wieder stabile Line-up?

MK: Das war sehr wichtig. Weil dann kannst du besser arbeiten. Also wenn du weißt was der andere macht, dann ist da eine Art von Eingespieltheit und Vertrautheit. Das ist natürlich viel besser. Ausserdem mögen das die Fans auch lieber, wenn sie eine Band da haben, die sie dann kennen, die ihnen gefällt und die dann so bleibt wie sie ist. Und das geht nicht nur den Fans so, sondern auch uns selber. Wir haben überhaupt keine Lust auf Mitgliederwechseln. Das ist eine furchtbare Strapaze wenn du Leute aus der Band entfernen und austauschen musst.

MF: Ergänzt du dich denn gut mit Sascha?

MK: Ja sicher. Wir haben in vielen Sachen einen sehr ähnlichen Geschmack. Und die Spielweise ist auch dort, wo es drauf ankommt, sehr ähnlich. Das ist so das Wesentliche. Davon abgesehen, dass er technisch gesehen ein viel besserer Gitarrist ist, als ich. Aber das ist vollkommen egal, weil das im Grunde genommen eine gute Sache ist. Weil er dort dran kann, wo ich passen muss. Und dann bist du als Band halt sehr flexibel. Weil wenn wir zwei Gitarristen hätten, die limitiert sind wie ich und wir hätten dieselbe Art und Weise, etwas musikalisch auszudrücken, na dann hast du irgendwo vielleicht eine Eintönigkeit oder vielleicht auch nicht. Dann wird halt anders gearbeitet. Aber dadurch, dass jemand Ausdrucksmittel wie er hat… Er kann zum Beispiel sehr gut Gitarre zupfen, er kann unheimlich gut komische Akkorde greifen, er kennt sich harmonisch sehr gut aus und er hat diverse Läufe parat. Was ich alles so nicht kann. Und dadurch hast du eine Diversität in der Band, die einem die einzelnen Parts zuteilt. Das ist gut einerseits, anderseits kannst du auch zwei identische Gitarristen haben und da würde es dann etwas anderes rauskommen. Dann würdest du sehen, dass du die Sachen, welche du nicht so gut kannst, umschiffst und irgendwas anderes da spielst. Davon gibt’s ja einige Bands.

MF: Wo siehst du denn deine eigenen Stärken als Gitarrist?

MK: Och du, das weiss ich nicht. Keine Ahnung. Ich spiele irgendetwas und ich habe jetzt eine paar Platten gemacht. Kannst dir ja mal anhören was ich gemacht habe. (lacht)

MF: Kommen wir nochmals zur Vergangenheit, was sich mit dieser Tour ja fast schon aufdrängt. Ich habe gelesen, dass es zu Keeper-Zeiten bei Helloween zwei Fanlager gab, die dich und Kai durchaus auch bespuckt haben, wenn ihr auf der Bühne wart. Stimmt das tatsächlich?

MK: Ja doch, also zum Teil war das so. Das kam vor. Also wenn ich damals zum Hansen auf die Seite kam, dann gab es da „Buh-Rufe“ und ich wurde bespuckt. Oder umgekehrt, wenn er mal auf meine Seite kam. Das kam tatsächlich vor. Das war eine ziemliche Polarisierung damals. Aber das war nicht nur zu Keeper 2-Zeiten. Das war so, seit wir angefangen hatten. Das war so, dass die Leute, die mich toll fanden, ihn nicht unbedingt leiden konnten und umgekehrt. Das ist wirklich merkwürdig. Und dann gab es natürlich auch viele Fans, denen das egal war und die beide gut fanden. Und es gab bestimmt auch Fans, die beide scheisse fanden (lacht). Aber das war so eine Polarisierung. Die hat tatsächlich stattgefunden.

MF: War das dann auch der Grund für die Spannungen, die es zwischen euch gab?

MK: Das hat dazu beigetragen, dass wir unsere Schwierigkeiten hatten. Natürlich. Weil jeder hat dann so seine unnötige Bestätigung, welche eigentlich keiner gebraucht und gewollt hat. Und natürlich trug das zum Verwürfnis bei, das damals stattfand. Das war aber eher so ein kleiner Teil. Wie gesagt, das waren verschiedene Gründe, die damals dazu führten, dass man sich nicht mehr sehen wollte. Und das war einer der Gründe.

MF: Wie kam es dann zur Versöhnung? Ging das eher allmählich oder war das aufgrund eines bestimmten Ereignisses?

MK: Das kam allmählich. Das kam mit der Erkenntnis, dass diese Feindschaft, die da von den Medien gesät wurde, niemandem was nützte. Das wurde so als Spektakel gehandelt. „Kuck mal wie die sich zerfetzen“ und so… Und das war natürlich nur möglich aufgrund der Art und Weise, wie sich das vorher entwickelt hat und auseinander gegangen ist. Aber da haben Kai und ich irgendwie draus gelernt und gesagt: „Was soll der Quatsch.“ Er kam irgendwann auf mich zu und hat gesagt: „Das ist nur gut für die Leute, die uns aufeinander hetzten. Für uns ist das gar nicht gut.“ Und da haben wir auch eine Abmachung getroffen, dass wir den Scheiss einfach lassen. Man hat einfach mehr Ähnlichkeiten als man denkt. Vor allem sind über die Jahre unabhängig von einander Gemeinsamkeiten entstanden, wo der eine vom anderen gar nicht wusste und weiss. Und dann unterhältst du dich und merkst: „Was? Wie? Das ist bei dir genau so?“ Und das ist schon ulkig. Henjo (Richter, Gitarrist von Gamma Ray – mehr dazu siehe Gamma Ray Interview) hat auch viel dazu beigetragen, dass wir das erkennen konnten. Weil er hat gesagt: „Komisch, das macht der Weikath auch immer!“ Und ich dann verwundert. „Echt, wieso?“ Und er: „Ja, der Hansen macht das auch immer so!“. Wir haben z.B. beide ein Lustiges Taschenbuch-Abonnement, und wussten das nicht.

MF: Cool, das sollte ich mir auch wieder mal anschaffen.

MK: Das ist gut. Mach mal (lacht).

MF: Gamma Ray haben jetzt den 2. Part von „Land Of The Free“ raus gebracht, ihr vor zwei Jahren den Keeper 3. Fühlt ihr euch geschmeichelt, dass Gamma Ray jetzt quasi nachgefolgt sind?

MK: Hmm… Es ist ja eigentlich egal, was Leute für Nummer zwei oder drei machen. Bei uns war das eigentlich nur ein Witz, weil wir Keeper 1 und Keeper 2 hatten. Und dann ist der Schritt, einen Keeper 3 zu machen, halt eine Art von Humor, ist eine Art von Schrulligkeit oder wie auch immer. Und die Platte kam sehr gut an. Das ist natürlich eine sehr gute Sache. Und es ist fein, dass wir das gemacht haben und so ist es gut. Und andere Bands machen dann halt Nummer zwei. Das haben wir mit den alten Helloween ja schon hinter uns gebracht.

MF: Also war dann halt mal die Nummer 3 fällig…?

MK: Ja, das ist halt so die Art von Verrücktheit, die man sich dann mal erlauben kann.

MF: Ja, ihr habt ja auch denn Status wo ihr das könnt, dürft…

MK: Ja, zum Glück.

MF: Kai Hansen macht ja die Geschichte mit der Band Stormwarrior, wo er Lieder aus der ersten Helloween-CD „Walls Of Jericho“ spielt. Was hält ihr davon?

MK: Das kann er ruhig machen. Ist doch auch interessant. Ich habe mir die Sachen mal angehört und es klingt ja auch wirklich fast so wie wir damals. Mal abgesehen von ein paar geringfügigen kleinen Details. Und so wie ich das verstanden habe ist da der Hauptmann von diesen Stormwarrior, oder vielleicht sind das auch alle, also so richtige Fans, und so richtig wild dahinter. Und die wollen da auch richtigen True-Metal machen und so. Und das ist bei denen auch so richtig Überzeugung. Das hat allerdings nichts mit dem zu tun, was wir wollen oder was wir wollten. Wir haben damals nur einfach so gemacht und das kam gut an. Das war ein gutes Konzept. Wir sind aber weiter gegangen. Wir haben irgendwas gemacht. Und das legt sich nicht so fest auf diese Art von Sound. Und bei Stormwarrior muss ich sagen, wiederholt sich einiges. Und was bei denen sehr oft vorkommt ist dieses Thema von „Victim Of Fate“. Und diese Tonabstände hast du einfach auch schon bei „Breaking The Law“ von Judas Priest. Und darum verstehe ich nicht, warum das so toll ist, dass man das für so viele Titel wiederholen muss. Das wäre mal ein Kritikpunkt.

MF: Dieses Interview wird kurz vor Weihnachten ausgestrahlt. Was für Weihnachtswünsche hast du?

MK: Ach ich hätte gern ein paar Geschenke, Gesundheit und das alle Menschen sich verstehen.

MF: Gibt’s noch was, was noch nicht gesagt wurde, und was du gerne loswerden möchtest?

MK: Ich habe immer unheimlich Angst. Weißt du, vor so Klohdeckel. Die sind manchmal einfach locker. Und wenn du dich so draufsetzt, ist das für Frauen vielleicht nicht so gefährlich, wenn das Ding so zur Seite rutscht. Aber du musst immer bedenken, was dir so als Mann alles weg geschnitten werden kann. Wenn das Ding endgültig nach rechts oder nach links wegrutscht und du nicht rechtzeitig hochkommst. Und das ist wirklich eine unheimliche Gefahrenquelle. Das merkst du einfach, wenn du oft auf Konzerten bist und überlegst. Du hast einfach Angst um dein Gehänge da unten.