Interview: Gojira
By Xenia S.
Die Franzosen sind in der Metalszene noch nicht so vertreten, doch zum Glück gibt es da diese eine Ausnahme, welche mit ihrem japanischen Namen und der komplexen Musik teilweise für grosse Verwirrung sorgen. Gojira (Godzilla) haben ihr viertes Album draussen und touren gerade mit In Flames um die Welt. Netterweise hielten sie auch zweimal in der Schweiz an und zu meiner Freude durfte ich Joe Duplantier - Sänger, Gitarrist und kreativer Kopf der Band – vor dem Konzert in Zürich persönlich treffen. Im engen Tourbus haben Joe und ich uns prächtig unterhalten, nach dem der Sänger noch schnell sein Mittagessen verschlungen hat. Nebst interessanten Themen wie Umweltschutz und religiöse Ansichten haben wir auch über französische Bands, Träume und Waldhütten gesprochen, doch lest selbst. (JD = Joseph Duplantier)

MF: Für heute Abend seit ihr als Special Guests angekündigt. Macht das ein wenig nervös oder gehst du damit ganz locker um?

JD: Auf Tour sind wir so müde, dass wir über solche Dinge kaum nachdenken können, aber vor Auftritten sind wir immer noch jedes Mal sehr nervös. Die Tatsache, dass wir mit In Flames touren und deswegen vor so vielen Leuten auftreten dürfen, ist eine riesige Ehre für uns. Es ist eine tolle Chance neue Leute mit unserer Musik zu erreichen, aber es ist auch eine grosse Herausforderung für uns. In Flames spielen einfacher zu verstehende Musik als wir und haben natürlich einige Hits, die jeder kennt. Unsere Musik ist kompliziert und schwer zu verdauen, aber wir lieben es unsere Ideen mit anderen Leuten zu teilen und sie in unserer Welt willkommen zu heissen. Deswegen haben wir eigentlich ein gutes Gefühl dabei, vor einer neuen Audienz zu spielen. In Österreich oder Deutschland war es sehr schwer für uns, denn niemand kannte uns wirklich. Hier in der Schweiz, in Frankreich oder England ist es doch um einiges angenehmer, da die Leute uns willkommen heissen und offen für etwas Neues sind.

MF: Dann lass uns doch mal über euer neues Album sprechen. Wie würdest du „Way Of All Flesh“ den Leuten erklären, welche noch nie eure Musik gehört haben?

JD: Nun, ich würde sagen, dass es Musik ist die direkt von unseren Herzen kommt. Wir haben Ängste, wir haben Spannung und wir haben Fragen in uns drinnen und wir bringen das alles in unsere Musik ein. Es ist sehr ehrliche Musik und beschreibt viel von unseren Gedankengängen. Ich würde die Leute auch warnen, dass es Death Metal ist. Wir kommen aus dieser Szene, aber lassen uns sehr gerne von allerhand anderen Musikrichtungen inspirieren und lassen auch immer eine Tür offen für etwas Neues. Wir sind generell an Musik interessiert und deswegen auch tolerant gegenüber anderen Stilen.

MF: War der Druck spürbar nach dem grossen Erfolg von „From Mars To Sirius“ und hattest du deswegen Schwierigkeiten das neue Album zu schreiben?

JD: Es ist wahr, mit „From Mars To Sirius“ hatten wir unseren Durchbruch in sehr vielen Ländern und wir erschienen als neue Band für viele Leute. Eigentlich gibt es uns aber schon seit über zehn Jahren und wir fühlen uns als Band ziemlich sicher und waren deswegen eigentlich recht entspannt. Wir wissen wohin wir gehen und es wäre nicht das Schlimmste, wenn ein Album mal missverstanden werden würde. Wir fühlen uns stark genug, um negativen Reaktionen nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Wir sind so in dieser Welt gefangen und wir geben unser Leben für diese Musik. Klar sind wir nervös vor einem Release und hoffen, dass die Leute das Album mögen, aber zur selben Zeit versuchen wir uns nicht allzu sehr darauf zu konzentrieren. Wir sind Perfektionisten und deswegen kommt nur das Beste von uns raus was wir zu bieten haben. Schlussendlich gibt es ja zum Glück immer irgendwelche Leute die es mögen.

MF: Eure Texte sind sehr komplex, poetisch und kritisch. Was erwartet ihr von euren Zuhörern?

JD: Zum ersten ist es Musik, als hoffen wir natürlich, dass die Leute etwas fühlen, während dem sie unsere Musik hören und das bevor sie über irgendetwas nachdenken. Wenn sie aber über die Texte nachdenken umso besser. Ich hoffe immer, dass ich einige neue Denkansätze geben kann, aber ich bin sicherlich kein Prediger. Ich stecke sehr viel persönlicher Glauben in die Musik, wie zum Beispiel das Thema über die Seele. Für mich ist die Seele unsterblich, deswegen sterben wir eigentlich nie. Es ist schwer für mich zu glauben, dass man nach diesen paar Jahren einfach stirbt und dann ist alles vorbei, als hätte jemand den TV ausgeschaltet. Ich denke, wir sind aus etwas anderem gemacht als nur Knochen, Fleisch und Blut. Meiner Meinung nach bin ich hier seit Jahrhunderten und ich werde auch noch Jahrhunderte hier bleiben. Dieser Körper hier ist nur der Körper für das jetzige Leben und danach werde ich den Körper wechseln. Vielleicht werde ich im nächsten Leben ja auch eine Frau sein, so wie du? Vielleicht liege ich mit meinem Glauben falsch, aber das spielt eigentlich keine Rolle. Falls ich falsch liege, werde ich ja keine schlechten Überraschungen haben, da alles einfach fertig ist. Das Leben ist voll von Mysterien und wir sind ziemlich interessiert an den Dingen, die wir nicht wissen. Dinge von denen wir noch nicht alles wissen, wie die Planeten, das Leben nach dem Tot oder all die anderen mysteriösen Dinge. Wenn Leute wirklich an unseren Texten interessiert sind und wir ihnen somit auch teilweise neue Sichtweisen zeigen können, dann wäre das toll, aber wenn sie nur dazu abgehen, weil ihnen die Musik gefällt, ist uns das auch recht.

MF: Dann wirst du also von deinem Glauben und der Natur zu deinen Texten inspiriert?

JD: Ja, wir sind eine Band, welche von der Natur inspiriert ist, aber alles ist Natur. Ich denke die Natur ist das Leben an sich. Wir sind wie Pflanzen, weil eigentlich sind wir aus dem gleichen Material gemacht und sogar unser Tourbus besteht aus Natur, richtig? Also ist eigentlich alles irgendwie Natur und wir lassen uns gerne davon inspirieren.

MF: Deswegen engagiert ihr euch so stark für die Umwelt?

JD: (Joe nickt und lächelt)

MF: Und wie genau? Ist es nicht relativ kompliziert während dem ihr am touren seit und die ganze Zeit den Bus und Flugzeuge benutzt?

JD: Ja, ich denke auch immer wieder an diese Frage, weil auch wir denken, dass die Band ein Teil zum Problem beiträgt. Wir benutzen den Bus, brauchen jede Menge Strom für die Instrumente, wir müssen mit dem Auto an Proben fahren und benutzen das Flugzeug für unsere Tourneen. Deswegen verschmutzen wir auch die Umwelt und wir wissen das natürlich. Jedoch überlege ich mir dann immer, was ich denn machen soll? Soll ich etwa draussen im Wald leben und versuchen so gut wie möglich mit der Natur zu leben, oder sollte ich besser rumreisen und mit meiner Musik die Leute auf das Problem aufmerksam machen? Ich denke die Musik kann sehr viel bewegen und vielleicht trägt sie ja auch einen Teil zur Lösung des Problems bei? Ich habe nämlich schon versucht den ersten Weg zu gehen. Ich lebte für 1.5 Jahre in einer kleinen Hütte im Wald.

MF: Wirklich?

JD: Ja, ich wollte das unbedingt einmal versuchen und es hat ganz gut funktioniert. Es war eine super Erfahrung und wenn das mit Gojira nicht geklappt hätte, wäre ich wohl immer noch im Wald. Kein Strom, kein laufendes Wasser…ich war ein Teil dieser Welt ohne sie zu zerstören. Dann wurde Gojira immer bekannter und wir bekamen die Chance zum touren. Dazu konnte ich nicht nein sagen. Ich akzeptiere es, dass ich nun einen Teil zum Problem beitrage, aber ich hoffe auch, dass ich auch einen Teil zur Lösung beitragen kann. Mit der Musik können wir unsere Ideen verbreiten und mit dem Geld das wir verdienen, helfen wir Organisationen wie Greenpeace. Jeder aus der Band hat einen Dauerauftrag von seiner Bank zu Greenpeace, mit einem monatlichen Betrag, um sie zu unterstützten. Wenn wir dann mal mehr Geld verdienen, werden wir auch mehr Spenden. Wir würden dann auch unseren Bus umbauen lassen, damit wir mit Erdgas fahren können und für die Headliner Shows in Frankreich engagieren wir immer einen Stand von Greenpeace, damit diese dort Informationen verteilen können. Dass ist so in etwa das, was wir tun um die Umwelt zu schützen. Ich denke wir alle haben diese Aufgabe, denn unsere Erde ist wirklich sehr klein. Hast du gewusst, dass wenn du ein Loch vom Nordpol zum Südpol machen würdest, es nur 12‘000 KM lang wäre? Wirklich klein nicht wahr? Und es ist der einzige Platz den wir haben.

MF: Wow, das hört sich echt interessant an! Du hast über die Headliner Shows in Frankreich gesprochen. Gibt es auch schon Pläne für Headliner Shows im restlichen Europa?

JD: Definitiv, das ist momentan DIE Frage welche auch die Band beschäftigt. Wir sprechen fast jeden Tag darüber und auch mit dem Label stehen wir deswegen oft in Kontakt. Wir werden wohl eine Headliner Tour in Europa und den USA machen und zwar ab März oder April 2009. Zuerst müssen wir aber noch mit In Flames nach Amerika und nach dem haben wir dann eine Headliner Tour in Frankreich. Für euch Schweizer ja eventuell auch interessant, denn wir spielen zum Beispiel auch in Lyon. Danach kommt dann aber ganz sicher eine richtige Headliner Tour. Es gibt Leute, die möchten nicht so viel zahlen, wenn sie uns dann nur für 45 Minuten zu sehen bekommen, was ich auch verstehen kann. Es wird dann richtig interessant zu sehen sein, wie viele Leute wir überhaupt zusammen kriegen. Werden es 80 oder 500? Wir wissen es nicht.


MF: Neben Gojira spielst du ja noch bei Cavalera Conspiracy mit. Wie ist das genau zustande gekommen?

JD: Für mich war Cavalera Conspiracy eine super Möglichkeit mit Max zu arbeiten und das Album war wirklich wichtig für die Jungs. Niemand hat am Anfang daran gedacht auf eine Tour zu gehen, die wollten einfach nur das Album auf den Markt stellen. Die Nachfrage danach war aber so gross, dass die Jungs dann fast auf Tour gehen mussten. Ich bin zu ihnen gestossen, weil wir von Road Runner Records angefragt wurden ob Jean Michel (Bassspieler von Gojira) den Bass bei Cavalera spielen möchte, aber er hatte keine Zeit und so habe ich zugesagt. Ich habe dann mit Max gesprochen, der ganz glücklich darüber war und er hat mir gleich vorgeschlagen auch noch Teile zu Singen und etwas zum Songwriting beizusteuern. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich darüber nachdenken werde. Schlussendlich bin ich dann mit meinem Bass im Gepäck im Flugzeug gesessen und wir haben das Studio geentert. Es war ein geniales Erlebnis, aber ich musste den Jungs von Anfang an sagen, dass Gojira Priorität hat und ich wohl nicht mit ihnen auf Tour gehen kann. Da aber damals noch niemand über ne Tour nachgedacht hat, war das auch gar kein Problem. Drei Wochen nach dem Release haben die Jungs mich wieder angerufen und gefragt, ob ich auf Tour gehen möchte, zusammen mit Metallica, Rage Against the Machine und anderen. Das war dann wirklich eine schwere Entscheidung, aber da ich mitten in der Arbeit für „The Way Of All Flesh“ war, musste ich nein sagen. Das war nicht ganz einfach, aber Gojira ist nun mal mein Leben und ich habe sehr hart am neuen Album gearbeitet und konnte da nichts dazwischen kommen lassen.

MF: Ja, das hört sich nicht ganz einfach an. Ihr kommt ja aus unserem Nachbarland und ich habe ehrlich gesagt kaum eine Vorstellung wie dort die Metalszene so aussieht. Erzähl mal ein wenig.

JD: Es ist eigentlich eine recht grosse Szene und die Bands aus Frankreich touren auch sehr viel im Land. Wir haben viele grosse Städte in Frankreich und deswegen gibt es tonnenweise Möglichkeiten für Auftritte. Das Problem ist nur, dass die Bands fast alle in Frankreich bleiben weil sie in Französisch singen und auch Themen bearbeiten, die mit Frankreich zu tun haben. Mit Gojira haben wir auch versucht den Bands in Frankreich zu zeigen, dass es möglich ist aus unserem Land rauszukommen und Erfolg zu haben.

(Wir haben dann noch etwas über französische Bands gesprochen und Joe hat mir einige aufgeschrieben, die ich mir mal anhören soll. Hier seine Vorschläge: Manimal, Lofofora, Psykup, Scarve, Trepalium)

MF: Du lebst jetzt ein Traum, von dem du vielleicht nie erwartet hast, dass er mal wahr wird. Ist es so, wie du es dir vorgestellt hast oder ist es ganz anders?

JD: Ich bin jeden Tag wieder erstaunt wenn ich aufwache, aber auf der anderen Seite denke ich immer, dass es so sein muss, einfach weil ich glaube, dass ich fürs Musikmachen geboren wurde. Wir arbeiteten wirklich hart an diesem Projekt und das tun wir immer noch. Ich nannte es Projekt, aber eigentlich ist es viel mehr. Es ist mein gesamtes Leben….klar…ich habe auch noch ein anderes Leben neben Gojira. Ich habe eine Freundin und eine Katze (lacht). Aber ich bin dauernd auf Tour, im Studio oder am üben und ich frage mich ständig, wie wir die Musik noch auf ein höheres Level bringen könnten. Wir würden aber niemals unsere Musik verändern, nur damit wir erfolgreicher sein können, es wird immer diese ehrliche Musik bleiben. Ich bin glücklich damit auf Tour zu gehen und unsere Alben zu verkaufen und wir spielen schliesslich genau die Musik die wir lieben. Ich habe aber eigentlich gar nie etwas erwartet. Ich wollte einfach mit meinem Bruder (Mario/Schlagzeug) zusammen Musik machen und wir hatten riesigen Spass irgendwelche Dinge auszuprobieren. Wir haben Demos gemacht und plötzlich sind unsere Freunde gekommen und haben gesagt, dass sie die Musik mögen, was uns irgendwie überrascht hat. Wir haben dann gemerkt, dass auch andere Leute sich für unsere Musik interessieren und so haben wir angefangen immer grössere Auftritte zu geben. Irgendwann hatten wir dann die Idee es auch mal im Ausland zu versuchen. Jeden Tag passiert etwas kleines, dass du nicht einmal bemerkst und dann gibt es noch die grossen Schritte, wie zum Beispiel den Release des Albums in den Staaten. Wir hatten ein Bier an diesem Tag (lacht). Aber wir wissen, dass jedes Mal viel Arbeit darin steckt, die grossen Schritte zu machen.

MF: So kommen wir zur letzten Frage: Möchtest du gerne etwas zu unseren Lesern und euren Schweizer Fans sagen?

JD: Ja, danke viel Mals, denn wenn ihr dieses Interview lest, interessiert ihr euch dafür was mit Gojira ab geht. Wir sind den Schweizern wirklich sehr dankbar, denn ihr habt uns immer sehr herzlich begrüsst an unseren Shows. In Deutschland und Österreich haben wir uns nie so wohl gefühlt wie hier und die Shows hier sind immer jede menge Spass, weil die Leute einfach sehr enthusiastisch und tolerant sind. Thank you, Merci, Danke schön!

MF: Vielen Dank Joe für deine Zeit, es war echt interessant mit dir zu quatschen!

JD: Ja danke auch, hat Spass gemacht mit dir zu sprechen.


Joseph Duplantier mit unserer Xenia >>>>