Interview: Gamma Ray
By Tinu
Nach dem Brand sehr glücklich mit dem neuen Proberaum.



Gamma Ray konnte nicht nur bei der Metal Factory den ersten Platz im Soundcheck ergattern. «Empire Of The Undead» ist eines der kompaktesten Werke des ehemaligen Helloween-Gitarristen Kai Hansen geworden. Grund genug, sich das Gitarrengespann Kai und Henjo Richter vor das Diktiergerät zu holen. Leider war Kai gesundheitlich angeschlagen und hatte starke Probleme mit seiner Stimme. Dass aber auch ein Gespräch mit Henjo einen Informationsfluss mit sich ziehen kann, weiss ich seit der «Somewhere Out In Space»-Tour, als der redselige Gitarrist zusammen mit dem damaligen Trommler Daniel Zimmermann sich meinen Fragen stellte. Beim Interview zum neusten Streich stand nicht nur «Empire Of The Undead» im Mittelpunkt, sondern auch der Studiobrand des Vierers. Und bevor ich mich überhaupt auf meine erste Frage stürzen konnte, meldete sich gleich mal Henjo zu Wort...

Henjo: Schön wieder mal ein Interview in Deutsch zu führen. Meistens drücke ich mich davor und Dirk (Schlächter, Bass) erledigt die Gespräche. Kai muss seine Stimme schonen und darum hilft Michael (Ehré, Schlagzeug) fleissig mit.

MF: Henjo erzähl...

Henjo (schaut auf mein Aufnahmegerät): ...geil, ich dachte schon, so was gibt es gar nicht mehr. Ich hab‘ unendlich viele Ideen auf so ein Gerät gespielt und heute bekommst du so ein Diktiergerät nicht einmal mehr im Internet zu kaufen. Das ist so genial! Ich will kein Digital-Gerät haben. Aber egal (grinst), ganz anderes Thema!

MF: Wie habt ihr mittlerweile den Brand eures Studios verarbeitet?

Henjo: Mittlerweilen haben war das ganz gut verarbeitet. Schlussendlich war mehr zu retten, als wir gehofft haben. Gewisse Dinge sind heil geblieben. Darunter auch mein Gitarrenrack. Das hatte einen Deckel. Als wir die Nachricht des Brandes hörten, waren wir gerade in Südamerika auf Tour. Oh je und ich war mir sicher, dass ich diesen Deckel garantiert nicht über mein Rack gelegt hatte. In dieser Zusammenpack-Panik kurz vor dem Abflug, geht doch immer einiges vergessen (lachend). Jedenfalls hat dies aber jemand erledigt und so ist mein Rack erhalten geblieben. Das Teil stinkt zwar fürchterlich nach Qualm, ABER, es ist heil geblieben. Trotzdem, viele Dinge sind den Flammen zum Opfer gefallen und waren nicht mehr zu retten. Anderes Equipment haben wir für teures Geld reinigen lassen. Aber der Schreck und der Brand sind verarbeitet. Wir haben nun einen tollen neuen Übungsraum fast in der gleichen Ecke, in welcher unser alter war. In diesem neuen Bunker haben wir auch ein Lager gemietet und da steht nun unser ganzes Material. Wir sind wieder im gleichen Hamburg-Hamm Bereich. Somit sind wir in der Nähe unseres Pakistani, der die beste Pizzeria führt, geblieben. Zu dem gehen wir seit hundert Jahren und er gehört schon fast zu unserer Familie. Wir sind wieder zu Hause und das ist auch das Schöne daran. So toll und so gross unser Studio auch war, mit all den Möglichkeiten, das es bot... Es war komplett abseits vom Schuss. Zwar mit einem schönen Blick aufs Wasser, aber sonst war das Nix drum herum. Jetzt kann ich mit meinem Fahrrad zur Probe fahren und es ist nicht mehr so weit weg. Ich versuch nicht so doll darüber nachzudenken, was alles kaputt gegangen ist. Klar haben wir ein paar schöne Sachen verloren. Aber, was solls!

MF: Es war ja auch euer Aufnahmetempel. Gingen da Produktionen verloren vom neuen Album?

Henj: Zum Glück nicht, weil wir so schlau waren, von allem Doppelbackups zu erstellen. Einerseits vor Ort und andererseits hatte Dirk noch immer eine Kopie bei sich zu Hause. Wir wissen noch immer nicht, wieso es da gebrannt hat. Viele munkeln, dass Brandstiftung möglich sei... Wenn man die Ecke da kennt... Das war ein altes Fabrikgebäude, das, so viel ich weiss, auch unter Denkmalschutz stand und aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts stammte. Das war so ein Wuselhaufen. Viel konnte man nicht machen und der Vermieter wollte das Ganze verkaufen. Nebenan ist eine grosse Wellblechalle, die bestimmt auch Geld abwirft. Möglich wärs, wissen tu ich es nicht (grinsend). Da will ich niemandem etwas unterstellen, es würde aber einen Sinn ergeben.

MF: War zum Zeitpunkt des Brandes das neue Album «Empire Of The Undead» schon fix fertig geschrieben und aufgenommen?

Henjo: Nein, noch nicht. Drei Songs waren noch offen. «Avalon», «Born To Fly» und «Demonseed». Da bekamen wir ein bisschen Panik, weil wir nicht einen unterschiedlichen Drumsound auf dem Album haben wollten. Ist die Räumlichkeit nicht mehr im gleichen Mass vorhanden, kann das ganz schnell sehr unterschiedlich klingen. Zum Glück fanden wir schnell ein Studio. Ein urgemütliches und altes von unserem Tontechniker. Von allen Einstellungen hatten wir Fotos und konnten so das Drumset mit all den Mikrofonen originalgetreu wieder aufbauen. Aus diesem Grund bin ich sicher, dass kaum jemand einen Unterschied hören wird auf der neusten Scheibe. «Avalon» ist der Opener von «Empire Of The Undead». Diesen Track haben wir wie eine Schülerband fertiggestellt. Geschrieben haben wir an den neuen Titeln unterschiedlich lang. «Avalon» stammt ursprünglich noch aus der Session der «Master Of Confusion»-EP. «I Will Return» habe ich zum Zeitpunkt meines Unfalls gebastelt. Das war ein Erguss, als ich aus dem Krankenhaus kam und bei meinen Eltern sein musste. Ich durfte nicht alleine wohnen und zusammen mit meiner Gitarre habe ich an meinen Ideen rumgeschustert.

Bei «Born To Fly» wollte ich... Kennst du diese australische Comedy-Band, die in einem Songs aufzeigt, dass 50 Hits auf den genau gleichen Harmonien basieren. Die spielen das in Reihe und da wechselt ein Lied in das andere. Die Akkorde bleiben immer die gleichen. Genau diese Idee wollte ich nun auch mal umsetzen. Das war die Basis für «Born To Fly». Das ging recht flott von der Hand, was ich bei den anderen Tracks so nicht sagen kann. Kais Songs probten wir alle, weil er keine Lust hatte Demos aufzunehmen. Das hat der Sache gut getan, weil wir alles zusammen erarbeitet haben. Mit «Master Of Confusion» haben wir wieder einen richtigen Gamma Ray-Hit, der schön Laune macht. So ein Track macht unheimlichen Spass, ihn auf der Bühne zu spielen. «Seven», der ein bisschen ähnlich ist, hat diesen Iron Maiden-Touch. Der wurde live eingespielt. Das macht einfach Spass. Wie auch «Demonseed», der an Rainbow erinnert. Alleine «Avalon» ist ein tolles Opus geworden. «Empire Of The Undead» ist für uns schon fast wie ein Motörhead-Kracher. Die Ballade «Time For Deliverance» ist total schön geworden. Mit dem Lied habe ich mich sehr schwer getan im Studio (lachend). Den sauber zu spielen, das ging mir nicht so von der Hand. Da habe ich lange dafür gebraucht (grinsend). Auf Tour spiele ich ihn jeden Abend und habe keine Probleme damit. Aber bei Rotlicht im Studio, war das doch sehr ungewohnt. Persönlich bin ich nicht zu 100 Prozent zufrieden, aber keiner, der die Songs hört, weiss, was ich mir vorgestellt habe und nicht ganz umgesetzt wurde...

MF: ...weil man nicht konnte, weil die Zeit fehlte?

Henjo: Letztendlich ja, und weil ich immer so blöd bin und gewisse Dinge nicht forciere und auch immer so lange für einen Text brauche. Kai konnte gar nicht anders. Ich hab‘ ihm eine Demo gemacht und selber gesungen.

MF: Bei «Time For Deliverance» gibt es kleine Querverweise zu Queen...

Henjo: ...ja...

MF: ...war dies so beabsichtigt?

Henjo: Das hat sich so ergeben! Musik besteht aus Dur- und Moll-Akkorden. Eine Band wie Queen hat viele Dur-Songs geschrieben, ebenso wie Abba. Dadurch klingt das Ganze schon mal anders. Ein Dur-Terz hat einen ganz bestimmten Charakter. Auf der «Somewhere Out In Space» hatten wir dies schon beim Track «Shine On» und da sind die Harmonien sehr ähnlich. Da kannst du locker «We Are The Champions» dazu singen (lachend). Während den Proben zum neuen Werk ist uns dies aufgefallen. Kai ist, wie jeder weiss, ein riesen Queen-Fan. Aus diesem Grund hat er den Gesang so umgesetzt bei «Time For Deliverance». So etwas ist ja erlaubt (grinsend).

MF: Bei früheren Alben klang es mal ein bisschen mehr nach Judas Priest, dann wieder eher nach Iron Maiden. Sind das für euch die Inspirationen, die euch einholen, oder merkt man dies erst beim Einspielen der neuen Lieder?

Henjo: Keiner nimmt sich vor einen Song zu covern. So etwas passiert einfach. Du spielst etwas... - Das war bei uns schon immer so, weil diese Truppen auch unsere Wurzeln sind. Du wirst immer Priest und Maiden bei uns raus hören. Das ist aber immer leicht zu hören, weil Maiden seit hundert Jahren so etwas für sich gepachtet haben. Einen bestimmten Groove und eine bestimmte Art die Gitarren zu spielen. Da kannst du machen was du willst. Warum sollen wir dies nicht tun? Macht gar nichts (grinsend)!

MF: Korrekt, weil es noch immer nach Gamma Ray klingt!

Henjo: Das auf jeden Fall.

MF: Wie richtungsweisend war die EP «Master Of Confusion» für das neue Album «Empire Of The Undead»?

Henjo: Die Sache war super wichtig! Zuerst war die EP bloss dafür gedacht, dass wir etwas Neues präsentieren können, wenn wir zum zweiten Mal zusammen mit Helloween auf die «Hellish Rock»-Tour gehen. Das war der Sinn der ganzen Sache. Auf Tour gehen und überhaupt nichts im Gepäck haben fanden wir doof. Da die Zeit für ein ganzes Album zu knapp war, spielten wir diese EP ein. Die beiden Songs «Master Of Confusion» und «Empire Of The Undead» kristallisierten sich heraus, weil sie am weitesten entwickelt waren. Dass dabei dann ausgerechnet der Albumtitel des neuen Werkes entstehen würde... - Einmal der EP-Titel und dann noch der Album-Titel, das war reiner Zufall und nicht geplant. So konnten wir etwas Neues probieren, und mit unserem neuen Trommler Michael einen neuen Sound kreieren. Alle Leute fanden das Endprodukt grossartig. Da entschieden wir uns, das so weiterzuführen. Die EP war ein guter Test, der voll aufgegangen ist. Diese Klein-Alben gab es bei uns schon immer, erblickten das Licht der Welt aber stets aus einem bestimmten Grund und waren mit etwas verbunden. Verdienen tust du mit solchen EPs rein gar nichts. Aus wirtschaftlichen Gründen ein absoluter Blödsinn. Der Aufwand und die Kosten sind viel höher, als das Geld, welches du damit wieder rein holst.

MF: Wie wichtig war Michael für das neue Songwriting?

Henjo: Er hat einen eigenen Track auf dem Album und hatte mehrere Ideen im Köcher, die wir aber alle nicht mehr fertiggestellt haben. Hoffen wir, dass es beim nächsten Werk damit klappt. Zu meinen Songs und der Ballade bestanden Demos. Den Rest haben wir alle im Proberaum geprobt und verfeinert. Da Michael ein Super-Musiker ist und auch total gut Gitarre spielt (lachend), richtig gut sogar, kamen viele Ideen von ihm. Bei «Master Of Confusion», diesen Teil vor dem Solo, der stammte von unserem Trommler. Er nimmt die Gitarre und kann dir sofort zeigen, wie er einen Part ein- oder umbauen würde. Das ist sehr hilfreich.

MF: Wieso hat euch Daniel Zimmermann nach all den Jahren bei Gamma Ray verlassen?

Henjo: Wenn ich das richtig verstanden habe, war er über die ganzen Jahre müde geworden. Daniel reiste zigmal um die Welt, das war aber nicht so sein Ding. Zu Beginn ist dies sicherlich alles ganz aufregend und toll. Wiederholst du dies aber immer wieder, wird es sehr anstrengend. Schlussendlich wirst du auf jeder Tour mindestens einmal krank. Wir sind jetzt schon wieder alle angeschlagen, haben die Tourgrippe hinter uns und oder stecken gerade mittendrin. Da wird es wirklich schwer jeden Abend auf die Bühne zu steigen und Vollgas zu geben. Daniel war einfach mal satt. Zudem musste er für jede Probe und jede Aufnahme von Nürnberg nach Hamburg fahren. Dazu musste er saufrüh aufstehen und sich einer langen Reise stellen. Hier in Hamburg musste er irgendwo pennen, entweder im Hotel oder im Studio. Da war er auf sich alleine gestellt. Klar haben wir noch etwas gegessen und sassen nach der Arbeit noch zusammen. Aber dann ging jeder zu sich nach Hause. Was für ihn wiederum sehr langweilig sein konnte. Bei sich zu Hause trommelt Daniel noch in einer Coverband, die spielen jedes Wochenende zwei Shows und verdienen damit mehr Geld als wir mit Gamma Ray (lachend). Die haben alles was sie brauchen und wir mieten für eine Tour an. Das ist eine ganz andere Geschichte, wenn wir auf Konzertreise gehen. Die haben kaum Mehrkosten und unheimlich viele Leute, welche diese Coverband... - Mir kommt der Name der Truppe nicht mehr in den Sinn und ich möchte doch Werbung für Daniel machen (grinsend). Die erhalten Supergagen.

Schlussendlich hat er eine Freundin, die ihn auch gerne mal zu Hause hat. Das war für ihn am Schluss alles ein bisschen stressig und das Finanzielle ist für ihn jetzt..., auch gut (grinsend). Als er uns auf der letzten Tour besuchte, merkte man schon, dass es ihn wieder in den Finger juckte und er wieder Bock bekam. Leider haben wir nicht mehr so viel Kontakt. Sollte ich irgendwann mal etwas selber machen, dann wünsche ich mir, dass er mindestens einen Songs darauf eintrommelt. Nach wie vor ist er ein grossartiger Schlagzeuger. Er hat früher aggressiver gespielt und hatte zuletzt nicht mehr dieses Feuer in sich. Gamma Ray ist auch eine schwierige Band (lacht). Wir sind eine Dudel-Band und Kai ist ein typischer Dudler. Das kann einem ab und zu auf den Keks gehen, aber das ist nun mal so. Das ist dann eine andere Sache. Wir verabreden uns in Hamburg auf 14 Uhr und Daniel reiste extra von Nürnberg an, kommt pünktlich, hat den meisten Stress von allen und zwei Stunden später trudeln Kai und ich ein und bevor wir einen Ton spielen, ziehen auch wieder zwei Stunden zusätzlich ins Land. Das regt natürlich auf. Uns nicht (lachend), aber Daniel. Das kann ich vollkommen verstehen. Mit der Zeit will man sich da nicht mehr aufregen und so ist Daniel auch ruhiger geworden. Bei unserem neuen Trommler hoffen wir, dass er sich nicht so sehr über uns ärgert (lacht). Michael erinnert mich mit seiner Spielweise an Cozy Powell und wir kennen ihn von früher, da er uns schon einige Mal ausgeholfen hat, wenn Daniel nicht spielen konnte. Er hat bei Uli John Roth gespielt, oder bei Saeko, meiner früheren Lebensgefährtin.

MF: Ihr wart jetzt zweimal mit Helloween zusammen auf Tour, und dies ziemlich erfolgreich. Hat man da auch gewisse Ängste, dass aus dieser Tourkonstellation plötzlich wieder ein Engagement von Kai bei Helloween folgen könnte?

Henjo: Klar denkt man an so etwas. Aber das wird nicht passieren (grinsend). Das würde nicht passen, denn dann müsste Michael Kiske wieder singen. Das wird so in der Form aber nicht passieren. Andi Deris (der aktuelle Sänger bei Helloween) ist der Chef. Ohne ihn läuft bei Helloween nichts. Logischerweise lässt er sich dies auch nicht aus der Hand nehmen. Warum auch? Die Jungs sind erfolgreich. Klar würden die Fans jubeln, wenn es wieder so eine «Keeper Of The Seven Keys»-Band geben würde. Ob es ein drittes Mal zu dieser Helloween/Gamma Ray-Tour kommt? Das wär dann doch zu viel des Guten. Geiler wäre das ganz grosse Ding. Man startet mit der «Walls Of Jericho» und es stehen auch nur vier Leute auf der Bühne. Da wechseln die Leute auf der Bühne und man geht über die «Keeper»-Zeit zur aktuellen Band über.

MF: Henjo, wie immer besten Dank für das interessante und lustige Interview...

Henjo: ...Martin, was soll ich sagen? Immer wieder gerne..., mit dir macht es einfach Spass!