Interview: Europe
By Crazy-Beat & Michi
Seit 30 Jahren beehren uns die Schweden mit Musik, mal besser, mal etwas schlechter. Nach einem längeren Einbruch kamen Joey Tempest und seine Jungs mit dem starken Album „Start From The Dark“ wieder aus der Versenkung zurück und lieferten mit dem 2009-Werk „Last Look At Eden“, ihr meiner Meinung nach stärkstes Album ihrer Karriere, ab. Grund genug, sich mit Keyboarder Mic Michaeli über Bombay, alte Zeiten und Led Zeppelin zu unterhalten. In den heiligen Katakomben des Volkshauses in Zürich empfing uns ein sehr relaxter und gut gelaunter Mic.

MF: Hey Mic, herzlich willkommen in Zürich!

MM: Danke. Wir freuen uns, wieder mal hier zu sein.

MF: Ihr seid jetzt schon gut drei Monate auf Achse. Wie läuft die Tour bis anhin?

MM: Es läuft extrem gut, wirklich fantastisch (Mic wird unterbrochen, denn irgendwo im Raum pfeift ein Gerät wie verrückt, bis wir merken, dass ein Drucker unser Gespräch so unschön stört – wir konnten uns jedoch köstlich drüber amüsieren). Oh, wo war ich stehen geblieben? Ja, wir starteten im letzten Jahr im November, haben einige Gigs in Deutschland und Schweden gespielt. Nach kurzem Unterbruch ging es jetzt in Amsterdam wieder los. Alle Konzerte liefen wirklich super, und wir wurden ausnahmslos überall von den Fans herzlich empfangen. Ehrlich, ich kann es kaum glauben, dass wir immer noch dabei sind und uns die Leute hören wollen.

MF: Was sind eigentlich die wesentlichen Unterschiede dieser aktuellen Tour und der „Final Countdown“-Tour in den 80er-Jahren?

MM: Nun, dazumal war die Situation komplett anders. Wir waren eine Band, die hauptsächlich in unserer Region bekannt und aktiv war, und dann auf einmal, auf einen Schlag: „Wusch“, „Peng“, spielten wir fast überall in grossen Stadien. Ich glaube, wir waren uns gar nicht wirklich bewusst, was dazumal alles abging. Heute sind wir um einiges reifer und erwachsener, und wir können im Vergleich zu dazumal alles richtig und bewusst geniessen, was um uns geschieht und was wir machen. Meiner Meinung nach macht es heute viel mehr Spass, und wir gehen auch viel lockerer damit um. Zudem sind wir auch als Gruppe stärker zu einer Einheit zusammengewachsen. Wie gesagt, damals realisierten wir nicht wirklich, was passierte.

MF: Ok, lass uns über eure neue CD „Last Look At Eden“ sprechen. So im Nachhinein, wie zufrieden bist du mit dem Resultat und wie sind die Verkaufszahlen?

MM: Wir sind vor allem glücklich, so wie das neue Album von den Aufnahmen her klingt. So haben wir uns das alle vorgestellt. Die Lieder, so denke ich, haben oft einen 70er-Jahre-Einfluss. Ein bisschen in Richtung Deep Purple. Wir wollten ein sattes Soundgewand für diese Aufnahmen. Gut, man versucht immer, perfekt zu sein bei allen Aufnahmen, das haben wir auch hier versucht und das ist nun das Resultat. Was die Verkaufszahlen in Schweden anbelangt, so kann ich sagen, dass diese äusserst gut sind. Die neue Single „New Love In Town“ wird bei uns sehr oft im Radio gespielt. Ausserhalb von Schweden kann ich jedoch nicht sagen, wie die Situation aussieht. Soviel ich weiss, läuft das Album auch in einigen anderen Ländern nicht schlecht.

MF: Du hast Deep Purple angesprochen. Wir selber hören noch relativ viel Led Zeppelin aus den Songs heraus.

MM: Nun, das empfindet jeder Zuhörer wahrscheinlich anders. Zeppelin haben uns sicherlich sehr stark geprägt, aber wir hatten keine Absicht, deren Einflüsse bewusst einzubringen. Die Lieder sind einfach nach unseren Gefühlen entstanden, um es so zu sagen.

MF: Wir finden, dass „Last Look At Eden“ eines eurer stärkeren Alben ist.

MM: Ja, das sehe ich auch so. Es ist wahrscheinlich eines der besten, das wir je aufgenommen haben. Wir sind wirklich glücklich damit. Einige Leute sind sogar der Ansicht, dass diese Platte die echten Europe widerspiegelt respektive wieder mehr nach Europe klingt. Aber wie gesagt, das ist das, was ich so zu hören bekomme.

MF: Scheint, als wäre John ein totaler Michael Schenker-Fan. Im Song „In My Time“ klingt das Solo sehr nach Michael.

MM: Ja, John war und ist immer noch stark von Michael beeinflusst. Ihr habt absolut Recht. Ich glaube, John ist seit je her schon immer darauf fokussiert, schöne Melodien zu spielen wie Michael.

MF: Wie muss man sich bei euch den Aufnahmeprozess vorstellen, zum Beispiel jetzt bei „Last Look At Eden“?

MM: Wir spielten zuerst alles live ein. Ian war mit seinem Schlagzeug in einem separaten Raum und wir im so genannten Kontrollraum. Dann legten wir los mit Spielen, eigentlich genau gleich wie bei den Rehearsals. Wichtig dabei war, dass die Drum-Sounds sauber eingespielt und sichergestellt waren. Danach legten wir die diversen Tracks darüber. Für circa gut eine Woche waren wir alle zusammen im Studio. Danach verabschiedeten sich Ian und John, unser Basser. So arbeiteten dann hauptsächlich ich und Joey an den Liedern. John (Gitarrist) kam ab und zu auch vorbei. Die meisten Gitarrenparts spielte er schlussendlich jedoch in Stockholm ein und nicht zusammen mit uns hier in Göteborg. Der Grund dafür ist, dass seine Frau vor einigen Jahren starb und er zusammen mit seinem Sohn lebt und ihn nicht allein lassen wollte. Tja, danach kamen dann noch die Aufnahmen mit dem Symphonie-Orchester in Prag dazu, wo Joey, ich und unser Produzent anwesend waren.

MF: Für das Titelstück?

MM: Ja, für das Titelstück und 3 oder 4 weitere Songs.

MF: Welche Aufnahmetechniken bevorzugst du, die "alten" oder die "neuen?"

MM: Oh, ganz klar die modernen Techniken. Mit dem Computer ist viel mehr möglich und zudem geht auch alles wesentlich schneller als mit der damaligen Technik. Super ist, dass man auch Vieles von zu Hause aus erledigen kann.

MF: Im Vergleich zu früheren Alben gibt es auf „Last Look At Eden“ nicht mehr so viele dominante Synthesizer-Parts.

MM: Ja, das stimmt. Wir haben das Instrument zurück genommen. Einige Parts vom neuen Album, wo zu Beginn Synthesizer zu hören waren, haben wir durch das Symphonie-Orchester ersetzt. Dafür gibt es auf dem neuen Silberling ein tolles Synthie-Solo, was mir viel Spass gemacht hat. Zudem spiele ich oft die gleichen Noten wie der Gitarrist, um das Ganze zu untermalen und damit es noch fetter rüberkommt. Das machen wir noch oft so.

MF: Spiels du denn die Orchester-Einspielungen live?

MM: Nein, das wäre unmöglich live zu spielen, das Ganze kommt vom Tape.

MF: Lass uns mal über das „Last Look At Eden“-Video sprechen. Wie kam das denn zustande? Zudem wäre es auch interessant zu wissen, wie viel Einfluss ihr auf die Filmaufnahmen hattet.

MM: Nun, üblicherweise sprechen wir dabei immer mit, das heisst was wir uns vorstellen und so weiter. Dieses Mal war es jedoch sehr speziell. Wir riefen diesen Typen an, mit dem wir nie zuvor zusammen gearbeitet hatten. Wir haben zwar gesehen, was er in der Vergangenheit produziert hatte und fanden das unisono echt toll. Darum riefen wir ihn an und fragten, ob er Lust hätte unser neues Video zu drehen. Darauf antwortete er: „ENDLICH, das wurde aber auch Zeit!“ Das war echt cool, hehe. Um es mal so auszudrücken: “Wir haben für dieses Video quasi unser Leben in seine Hände gelegt”, denn wir spielten lediglich vor einen grossen, grünen Leinwand. Das hat er aufgezeichnet, dann sagte er: „Den Rest überlasst ihr mir.“ Wir hatten echt keine Ahnung, wie das Endprodukt rauskommen würde. Ich persönlich finde, es ist eines unserer besten.

MF: Lohnt es sich eigentlich noch, solche Videos für Promotions-Zwecke aufzunehmen, respektive könnt ihr damit noch neue Leute/Fans erreichen?

MM: Hmm. In den 80igern gab’s ja MTV (gibt’s natürlich auch heute noch, nur ohne Musik) und noch ein paar weitere Kanäle, die solche Videos ausstrahlten. Heute existiert das in dem Sinne nicht mehr wirklich; immer im Vergleich zu früher. Das Video ist jedoch im Internet zu finden, zudem ist es auch auf unserer Homepage in sehr guter Qualität zu sehen. Ich denke jedoch, wie bereits erwähnt, dass es heutzutage nicht mehr von solcher Bedeutung ist, für uns sowieso nicht. Aber es ist schön, nebenbei solche Sachen zu machen.

MF: Was sind eigentlich die Kosten für solch einen Videodreh?

MM: Das ist nicht gerade billig (schmunzelt). Nun, Patrik, der für den Dreh zuständig war, hat uns wirklich einen guten Preis gemacht, denn eigentlich produziert er TV-Werbe-Spots und verdient sein Geld hauptsächlich damit. Ich bin aber sicher, dass es beim nächsten Mal einiges teurer wird (lacht).

MF: Erzähl doch mal etwas über euer geniales Unplugged-Album.

MM: Uns ging es im Wesentlichen darum, einfach mal was anderes für uns zu machen, aus reinem Spass. Zudem war es auch für einen einmaligen Gig in Stockholm geplant, den man auch live auf dem Web geniessen konnte. So ergab es sich dann, dass eine CD raus kam, sowie eine DVD.

MF: Ok, nun ein komplett anderes Thema: Was war der eigentliche Grund für die Auflösung der Gruppe im Jahre 1992?

MM: Soweit ich mich erinnern kann, war unser Album „Prisoner In Paradise“ auf dem Markt und wir waren auf Tour. Der letzte Auftritt war dann in England. Danach hatten wir alle das Bedürfnis, eine Pause einzulegen von der Musik, die wir spielten. Wir hatten zudem alle unsere eigenen Ideen, die aber überhaupt nicht in das Europe-Konzept gepasst hätten. So kam es, dass jeder einen eigenen musikalischen Weg beschritt. Ehrlich, es hat uns allen gut getan, aber es war beim besten Willen nie die Idee, eine solche lange Pause einzulegen, gut 12 Jahre.

MF: Was hast du in dieser Zeit getan?

MM: Ich habe einige Alben produziert. Dazu gehört unter anderem auch das Album von Paolo Menoca; ich glaube, der hatte hier in der Schweiz einige Hits, das war 1994. Zudem arbeitete ich mit anderen Bands zusammen, zum Beispiel mit Glenn Hughes (Ex-Deep Purple); wir spielten zwei Alben ein und gingen zusammen auf Tour. Das hat wirklich Spass gemacht.

MF: Was war dann der Auslöser, dass ihr wieder zusammen gefunden habt?

MM: Wir sind immer miteinander in Kontakt gestanden, denn wir waren ja nie verfeindet. Irgendwann rief mich mal Joey an und fragte, ob ich Lust hätte, ein paar Songs einzuspielen und ich dachte: Ja sicher, wieso nicht. Bei diesen Sessions kam die Diskussion der Wiedervereinigung immer wieder mal auf, aber wir sagten: „Ne, vergiss es, das kann nie und nimmer nochmals funktionieren.“ Dann wurden wir jedoch angefragt am Milleniums-Wechsel, also am Silvesterabend, an einem grossen Outdoor-Anlass für zwei Songs aufzutreten. Wir haben zugesagt, und das war meiner Meinung nach der springende Funke, der das Ganze wieder gezündet hat. Wir haben uns zusammengesetzt und die Möglichkeiten durchdacht. Ein Remake à la „Final Countdown“ kam für uns aber nie in Frage, denn wir wollten vorwärts gehen und neue Ideen umsetzen. Nun, wir wussten nicht, was uns erwarten würde nach so langer Abwesenheit, aber es ging alles super gut, das ist echt fantastisch.

MF: Letzte Frage: Kannst du dich noch an euer Konzert von 1988 in Bombay erinnern? Da tratet ihr vor 60’000 Leuten auf.

MM: Oh ja, das war in vielen Belangen wirklich sehr speziell. Zuerst dachten wir, dass wahrscheinlich viele Leute in ihren traditionellen Kleidern ans Konzert kommen, mit Turban und so weiter, dem war jedoch nicht im Geringsten so. Die Leute haben fantastisch zu unserer Musik abgerockt. Könnt ihr euch vorstellen: Die ganze Bühne bestand nur aus Bambus, das war echt speziell. Zudem hatten Nazareth im Vorprogramm gespielt, unsere Helden aus der Jugendzeit! Nun, uns hat es immer Spass gemacht, spezielle Sachen zu unternehmen, wie mit diesem Konzert in Indien.

MF: Ok, danke vielmals für das Interview, Mic.

 
Unser Crazy-Beat (l) und Michi (r) mit Mic Michaeli