Interview: Edguy

By Tinu
 
Ohne Klischees auch Altrocker überzeugen.



Edguy sind eine der wenigen, wenn nicht die einzige Band, die sich in den letzten über 20 Jahren kontinuierlich weiterentwickelt hat. Dies nicht nur musikalisch, sondern auch was die Charts wie den Zuspruch der Fans angeht. Dies belegt der zweite Platz in den deutschen Charts mit dem neusten Werk „Space Police“, aber auch der enorme Fanandrang auf der soeben beendeten Tour. Tobias Sammet und seine Mannschaft scheinen alles richtig zu machen und ist der Shouter nicht gerade mit Edguy auf Konzertreise, dann füllt er die Hallen mit Avantasia. Wie es im Lager von Edguy aussieht, erzählte uns Jens Ludwig, der Gitarrist der Deutschen.

MF: Jens, gab es Unterschiede beim Songwriting von „Space Police“ zu den anderen Alben?

Jens: Das war gar nicht so anders. Mit einer Grundidee beginnt alles, dann treffen wir uns im Proberaum und arbeiten die Ideen in der klassischen AC/DC-Besetzung aus. Mit Bass, Schlagzeug, Gitarre und Gesang, so dass es richtig knallt. Funktionieren die Songs im Proberaum, dann fahren wir ins Studio. Dieses Mal haben wir uns selber die Hölle ein bisschen heiss gemacht (lachend). Die Plattenfirma schlug ein Releasedatum im April vor. Das war Ende August. Wir begannen zu rechnen, dass wir im Januar das Material abgeben müssen und somit fünf bis sechs Wochen vorher im Studio sein sollten. Packen wir das? Wir probierens auf jeden Fall. Das hatte zur Folge, dass die Lieder von der Grundstruktur her alle fertig waren, und der Rest, somit alle Kleinigkeiten, sehr spontan im Studio passierten. Das hat alles seine Vor- und Nachteile. Vorteil: Es klingt alles sehr frisch. Nachteil: Es muss schnell und spontan sein. Das hat der Platte ganz gut getan und sie klingt sehr frisch. Nicht so wie… „Age Of The Joker“ ist auch ein tolles Album geworden, ist aber hie und da ein bisschen zu detailverliebt. Da wurde beim neuen Album der Kurs wieder korrigiert. Alles auf die Mütze und spontaner.

MF: Schaut man sich die Songcredits an, wurde das Meiste von Tobi geschrieben. Fuchst das einen ab und zu, weil man auch tolle Songideen gehabt hätte?

Jens: Nun ja, ich habe ja auch ein paar Dinge dazu beigetragen. Es ist aber eine schwierige Sache. Als Gitarrist kannst du Riffs abliefern. Letztendlich überlassen wir immer Tobi die Entscheidung, was beim ihm zündet und er auch gut transportieren kann. Er ist die ultimative Verbindung zwischen Band und Publikum. Das kann Tobi nur, wenn er von der Idee überzeugt ist. Das wird in den meisten Fällen bei seinen eigenen Ideen der Fall sein (lacht). Wobei, auch bei diesen Parts tauschen wir uns im Proberaum aus. Darum ist es aber so, dass er den grössten Songschreiberanteil hat. Das ist aber auch gut so, denn es funktioniert! In der Band hat jeder auf seinem Instrument noch genügend Spielraum. Manchmal hat Tobi ganz konkret eine Idee, wie was klingen soll, aber es geht ab und zu auch völlig ins Blaue.

MF: Fühlt man sich in einer Band als vollwertiges Mitglied, wenn am Schluss doch immer der Sänger sagt, was getan wird?

Jens: Natürlich… Dann spiele ich halt das Konzert heute Abend nicht und mit dieser Entscheidung müsste Tobi dann leben (lachend). Nein! Wir sind eine gewachsene Band. Jedes Schiff braucht auch einen Kapitän. Ist zwar ein blödes Sprichwort, trifft aber zu! Tobi hört ja auch auf uns. Manchmal (lachend)… Er ist ja nicht völlig resistent gegen Ideen von aussen. Dabei werden Dinge auch ausdiskutiert und wir fetzen uns da richtig. Es wird nicht alles von oben komplett durch diktiert (lacht). Seit 22 Jahren spielen wir zusammen und das allein spricht für sich.

MF: Was macht dieses Line-Up denn aus, dass es nun schon so lange zusammen ist?

Jens: Einen ganz grossen Anteil hat es, dass wir eine gewachsene Band sind. Von der Schülerband… Es gab erst einen Lineup-Wechsel und seit 17 Jahren spielen wir nun mit Eggi (Tobias Exxel – Bass) und Felix (Felix Bohnke – Schlagzeug) zusammen. Wir haben Superkräfte. Jeder in der Truppe kann zuhören, aber auch sprechen. Alles was nicht klar ist, können wir bereden. Zudem haben wir alle viel zu viel Bock auf die Band, so dass dies jemand leichtfüssig in die Tonne kloppen würde! Auch wenn es mal Stress gab, wir haben es immer hingekriegt. Meinungsverschiedenheiten gibt es und soll es auch geben. Gab es schlechte Laune, haben wir dies richtig kanalisiert und dann klappt das auch!

MF: Wer oder was ist die "Space Police"?

Jens: Die "Space Police" sind die Ordnungshüter, bei denen man meint, dass es keine geben müsste. In unserem Fall…wir mussten dies ja schon oft miterleben, bezieht sich dies natürlich auf die Musik. Rock'n'Roll und Heavy Metal bedeutet in erster Linie das machen, worauf man Bock hat. Das wozu man zu 100% steht und das darf auch mal ein bisschen mehr rechts oder links sein. Aber das Wichtigste ist und bleibt, dass der Spass im Mittelpunkt steht und was dich selber glücklich macht. Allerdings sind wir schon des Öftern damit konfrontiert worden, dass gerade im Heavy Metal, wo wir immer dachten, dass alles ganz locker ist, dann die Ordnungshüter kommen und sagen: „Ne, ihr seid eine Power Metal Band, und die darf das so nicht machen! Und ihr müsstet so rebellisch sein, wie ich mir das vorstelle!!! Was anderes habt ihr nicht zu sein“ Da gibt es dann plötzlich wieder Regeln und darum nennen wir diese Leute die "Space Police". Du gehst raus ins Weltall und denkst hier erwartet dich die ultimative Freiheit, keiner der irgendwas zu meckern hat. Dieses Engstirnige gibt es aber in jeder Szene. Leute, die klar abstecken wie ein Bereich auszusehen hat. Keine Toleranz nach rechts oder links. Überrascht hat uns das jetzt… Der erste Gegenwind kam uns schon bei der „Mandrake“-Platte entgegen. Da gab es schon drei Lieder, bei denen nicht durchgängig die Double-Bassdrum knallte. „Jetzt werden die Jungs aber verweichlicht und kommerziell.“ Solche Aussagen überraschen einen im ersten Moment schon. Daraus haben wir auch viel Selbstbewusstsein geschöpft. Das Glück war, dass wir immer wachsenden Zuspruch hatten. Es gab Nörgler, aber auch immer wieder viele neue Fans, die das gut fanden. Und wie heisst es so schön!!! „Everybody’s darling is everybody’s asshole!“ Für uns ist ganz wichtig, und das wirst du gleich beim Konzert sehen, was wir machen, machen wir mit Herzblut! Das kriegen die Leute auch mit. Das ist authentisch, und das verstehen die Fans auch.

MF: Ist denn eine gewisse Portion Spass im Metal nicht willkommen? Ihr werdet auch immer wieder wegen den Ansagen von Tobi durch den Kakao gezogen.

Jens: Das ist wieder genau der Punkt. Diese Frage stellt sich uns gar nicht. Auf der Bühne haben wir jede Menge Spass. Auch auf Tour… Den ganzen Tag hast du nix zu tun. Was macht man? Man überlegt sich irgendwelche Albernheiten. Das gehört einfach zu uns, und das wollen wir bei der Musik nicht ausblenden. Musik hat mit so viel Emotionen zu tun, da können wir bestimmte Charakterzüge nicht ausklammern. Edguy ist keine Klischeeband. Das ist wie bei einem Tagebuch. Niemand ist immer böse oder immer gut drauf. Das Leben hat so viele verschiedene Facetten, die einem auch beim Musikmachen beeinflussen. Wieso sollte man dabei gewisse Teile ausklammern? Bei Tobis Ansagen… Natürlich wiederholt sich da einiges, aber im Prinzip ist da sehr wenig einstudiert. Das ist für uns als Band auch immer wieder interessant. Mal kucken, was heute alles so passieren wird. Aber bei dieser Situationskomik kann auch mal was in die Hosen gehen. Wir sind keine Maschinen. Das macht den Reiz eines Livekonzertes aus!

MF: Mit «Age Of The Joker» habt ihr Platz #3 geholt und mit «Space Police - Defenders Of The Crown» gar auf dem zweiten Platz gechartet. Macht man eine Hochrechnung, müsste der nächste Streich auf Platz #1 stehen. Erzeugt das einen gewissen Druck?

Jens: Mittlerweile ist man da relativ entspannt. Es ist eine schöne Sache und total geil. Gegen Helene Fischer kommen wir nicht an. Da kannst du noch so treue Fans haben, aber gegen eine solche Dame, die in der Primetime eine zweistündige Sendung hat, da kannst du nicht dagegen anstinken. Da sind wir auch realistisch genug, und das ist eine andere Liga. Viel wichtiger als die Chartplatzierungen ist, dass man sieht, dass diese Tour die erfolgreichste in den letzten 22 Jahren ist. Das zeigt dir, dass die Leute Bock auf deine Musik haben. Da wird ein Platz #2 plötzlich wieder relativ unwichtig. Es geht bergauf, da geht noch was und man gehört noch nicht zum alten Eisen (lacht). Das gibt positiven Druck und macht Mut. Wir sind der Meinung, dass wir noch nicht am Ende angekommen sind. Da spüren wir noch Lust, einiges zu reissen und dies motiviert nochmals.

MF: Ihr habt mit Deep Purple, den Scorpions und Aerosmith getourt. Wie war das für euch?

Jens: TOTAL GEIL!!! Jeder Musiker ist auch Fan geblieben. Das hoffe ich zumindest. Mit den Scorpions zu touren war für mich ein Kindheitstraum. Das Live-Album von ihnen war für mich der erste Schritt, um mit dieser Rockmusik in Berührung zu kommen. 25 Jahre später von dieser Combo als Special Guest eingeladen zu werden, das ist…. Natürlich… GIGANTISCH! Edguy ist eine Band, die gewillt ist nach vorne zu schauen und Dinge besser zu machen. Geht nach dir eine Band wie Aerosmith auf die Bühne und du denkst nur: „Alter, die sind noch zwei Ligen besser als du! Wie kommen wir dahin?“ Man kann sich von den Grossen ganz viel abkucken. Das versuchen wir. Wenn die Leute unser Ticket kaufen, liegt es daran, dass sie uns sehen wollen, mit der ganzen Produktion. Die kennen uns wahrscheinlich (lachend) und kommen zur Show, weil sie unsere Mucke gut finden. Bei Deep Purple wurden wir damit konfrontiert, dass vielleicht 50 % oder noch mehr Leute im Publikum noch nie was von uns gehört haben. Das gilt es jetzt raus zu gehen, und das meine ich jetzt respektvoll, diesen Altrockern… Menschen die auf diese Musik stehen, sich aber nicht jeden Monat ein Magazin kaufen, um zu sehen was es Neues zu hören gibt, davon zu überzeugen, dass es noch junge Truppen gibt, die geile Musik spielen. Das ist eine Herausforderung, die ich mag. Jeden Abend fand ich es geil, auf die Bühne zu gehen und einfach abliefern zu müssen und zu überzeugen. Das hat Spass gemacht. Als Headliner unterwegs zu sein, macht auch Spass. Logisch! Es ist aber eine andere Art von aufgeregt zu sein. Jetzt auf unserer Tour fragen wir uns, ob alles funktioniert. Zudem haben wir eine richtige fette Supportband dabei (Unisonic). Das motiviert automatisch. Man weiss nie, wie das Publikum reagiert. Auch wenn man bei seinen eigenen Shows ein bisschen „saver“ ist. Bei einer Supportshow wie bei Deep Purple, da muss man sich die Fans erstmals erspielen. Da gab es nicht gleich vom ersten Ton an Applaus. Da muss man arbeiten und die Leute überzeugen. So ab Mitte des Sets gab es Applaus und bis zum Schluss haben es alle… zumindest respektiert (lacht).

MF: Wie kam es dazu, dass ihr auf dieser Tour „Rock Me Amadeus“ von Falco spielt?

Jens: Einfach Bock drauf!!! Wir waren uns zuerst nicht sicher, ob wir den Song live spielen sollten. Den haben wir zum ersten Mal bei einem Festival in der Slowakei und dann in Japan eingesetzt. Speziell die Japaner haben uns überrascht, dass der Track so gut ankam. Das hat sich nun so durch die ganzen Shows durchgezogen. Für Tobi ist der Song easy umzusetzen. Bei einer Tour muss man auch immer schauen, wie man den Sänger belastet.

MF: Dann hoffen wir, dass eure Tour noch erfolgreich bleibt. Zumindest der "Space Police Man" steht euch hilfreich jeden Abend auf der Bühne bei!

Jens: Die gleiche Schnapsidee überhaupt einen solchen Typen aufs Cover zu bringen. Natürlich sind wir da ein bisschen von „Whole Lotta Rosie“ von AC/DC inspiriert worden. Pyros sind auch geil, das bleibt bei den Fans aber nicht mehr unbedingt so hängen. Da musst du schon richtig auf die Kacke hauen, weil du mit Truppen wie Rammstein konkurrenzieren musst. Das kostet dann auch richtig viel Geld. Wir wollten etwas, das den Leuten nach dem Konzert im Gedächtnis bleibt. Jedes Mal wenn der Polizeityp auf der Bühne hochkommt, schmeissen wir uns fast weg vor Lachen. Das ist so geil gemacht. Auf Tour gehen ist manchmal wie ein Besuch als kleines Kind im Spielzeugladen (lacht). Wir können aber auch ohne grosses Tam-Tam auf die Bühne gehen und Arsch treten (lacht), das geht auch!

MF: Wurmt einem das auch, wenn man sieht, dass Toby mit Avantasia einen so grossen Erfolg hat und man da fast locker links überholt wird?

Jens: Ohne Edguy hätte es Avantasia nicht gegeben. Andersrum bin ich mir nicht sicher, ob Edguy dermassen erfolgreich wären, hätte es Avantasia nicht gegeben. Mittlerweile muss man kucken, dass man Beides gut trennen kann, also dass Edguy nicht zu Avantasia ohne Gastsänger mutiert.

MF: Besten Dank fürs Interview!

Jens: Sehr gerne!