Interview: Dirkschneider

By Tinu
 
Schluss mit «Balls To The Wall».



Nach dem sehr grossen Erfolg der ersten Gastspielreise unter dem Namen Dirkschneider folgte, was folgen musste. Der zweite Teil mit ausschliesslich Tracks seiner ehemaligen Truppe Accept. Dies allerdings mit einer völlig anderen Setliste, bei der es nur wenige Songs aus dem ersten Set in den zweiten schafften. Udo Dirkschneider, der sonst unter dem Namen U.D.O. unterwegs ist, hat ein Luxusproblem. Er kann getrost ohne Accept-Songs touren und trotzdem hat er mit den beiden Dirkschneider-Konzertreisen oftmals das «Sold Out»-Schild an den Eingangstüren der Konzertsäle. Ob nach Dirkschneider wirklich Schluss sein soll mit Dirkschneider und alles wieder U.D.O. überlassen ist, musste geklärt werden.

MF: Wie kam's zum zweiten Teil dieser Dirkschneider-Tour?

Udo: Ganz einfach! Wegen der Nachfrage (lacht). Speziell eine Nachfrage nach Songs, die wir noch nicht spielten. Wir haben lange darüber diskutiert, ob wir noch was nachschieben wollen, weil wir schon im Prozess zum neuen U.D.O.-Album steckten. Aber dann entschieden wir uns nochmals ein paar Shows zu spielen. Allerdings war der Plan ein anderer, und es standen zu Beginn auch nicht so viele Gigs wie es nun geworden sind (lacht). Bedeutet, dass wir mit Dirkschneider bis August 2018 unterwegs sein werden. Ende Februar 2018 gehen wir für sechs bis sieben Wochen nach Amerika und Kanada, und dann folgen noch ein paar Festivals.

MF: Dann willst du die Dirkschneider-Geschichte definitiv beenden?

Udo: Ja! Danach ist Feierabend, und es gibt ein neues U.D.O.-Album Ende August 2018. Dann folgt auch schon die Tour dazu, so dass wir Ende November zuerst in Russland und in der Ukraine spielen werden. Dann werden wir mit U.D.O. in den Staaten spielen und erst 2019 wieder in Europa Halt machen.

MF: Du hast vorhin gesagt, dass die Nachfrage nach Dirkschneider sehr gross war. War dies nicht auch vorhersehbar?

Udo: Nein! Die ursprüngliche Idee war, dass wir mit U.D.O. eine Pause einschieben wollten und wir uns fragten, was wir in dieser Zeit machen könnten. Die Idee eine spezielle Geschichte nur mit Accept-Songs zu machen, fanden wir alle toll und wollten zwischen fünfzehn bis zwanzig Shows spielen. Die Nachfrage war bei der ersten Tour schon dermassen immens… Die Idee fand bei den Promotern grossen Anklang. Dass die Geschichte so explodiert, damit habe ich nicht gerechnet. Auch was jetzt beim zweiten Part passiert, das ist sensationell! Das zeigt mir, was die Leute hören wollen…

MF: …und speziell mit wem man das hören will…

Udo: …das hast du gesagt (lacht). Das weiss ich zu würdigen. Das Set ist dieses Mal anders. Logisch, die Zugaben sind die Klassiker. Im Mainset haben wir drei Songs von der letzten Tour drin gelassen und den Rest ausgetauscht. Da sind auch Lieder dabei, die ich mit Accept noch nie gespielt habe oder Accept selber noch nie spielten. Ausserdem habe ich beim Set auch ein bisschen meine Wünsche einfliessen lassen (grinst) und hatte die Möglichkeit, dass ich mich nicht mit anderen Musikern über die Zusammenstellung der Tracks streiten muss. Ich sag einfach, den will ich und dann wird es auch gemacht (lacht). Es macht Spass, nicht mehr die Hitparade wie beim ersten Mal zu spielen. Das ist anspruchsvoller und kommt trotzdem gut an. Die Show haben wir ein bisschen aufgerüttelt, um gewisse Dinge in Szene zu setzen. Bis jetzt klappt alles hervorragend (grinst).

MF: Ist diese Tour auch mit einer grossen Portion Nostalgie versehen?

Udo: Ja, sicherlich gehen mir ein paar Dinge durch den Kopf. Ich würde lügen, würde ich sagen, das spiele ich eiskalt runter (grinst). Ich singe die Lieder gerne und habe immer im Hinterkopf: "Das war's dann". Ich sage aber bei jedem Interview: "Sollte sich Accept auflösen und wir sind noch immer dabei, werde ich sicher wieder Accept-Songs, oder die eine oder andere Überraschung spielen". Aber so lange Accept existieren und die Jungs auf Tour sind, werde ich keine Accept-Lieder mehr spielen. Ich habe keinen Bock mehr auf diese Vergleiche. Wer spielt denn jetzt «Balls To The Wall» besser? Die haben den Namen, und somit sollen sie mehr Klassiker spielen, wenn dies so gewünscht ist. Was sie aber nicht tun, aus welchen Gründen auch immer (lacht).

MF: Weil die Originalstimme fehlt! Und das müssen wir ehrlich sagen, auch wenn du die Vergleiche nicht magst, aber bei den Klassikern denkt man automatisch an dich.

Udo: Ich habe die Setliste gesehen, die Accept in Südamerika spielten. Es war interessant, welche Songs sie plötzlich wieder in das Set einfliessen lassen. Man muss aber auch sagen, dass die Band sehr eingespielt ist. Wenn man den direkten Vergleich machen würde, könnten sie schon Schwierigkeiten bekommen. Aber, wird nicht passieren (grinst).

MF: Merkt man da auch, welchen Stellenwert man bei den Fans hat?

Udo: Ja, schon… Es kommen Leute zu unserem Konzert, die noch nie an einem U.D.O.-Gig waren. Dann sind richtige "die hard" Accept-Fans dabei und ich denke, das könnte sich auch positiv auf U.D.O. auswirken. Viele Leute wissen nicht, dass es U.D.O. gibt. Es ist toll zu sehen, dass die Leute darauf reagieren, und ich bin gespannt, wie sich das entwickeln wird.

MF: Wird es von dieser Tour auch wieder eine Live-CD oder Live-DVD geben?

Udo: Wir werden mit Sicherheit etwas aufnehmen. Wo das sein wird, steht noch nicht fest. Aber es wird sicherlich dauern, bis diese Live-Geschichte veröffentlicht wird, da zuerst wieder U.D.O. angesagt ist. Diese Platte hat oberste Priorität.

MF: War der Plan so, dass die letzten Dirkschneider Live-Scheiben in zwei unterschiedlichen Formaten veröffentlicht wurden? Sprich, dass die Live-CD von einem anderen Konzert stammte, als dann die später veröffentlichte Live-DVD, zu der es auch eine Live-CD gibt?

Udo: Oh nein, das war überhaupt nicht so geplant. Wir nahmen in Memmingen auf, und dieses Konzert sollte auch auf DVD escheinen. Die Aufnahmen waren aber… Sagen wir es mal so… Nicht verwertbar, um es vornehm auszudrücken (grinst). Da hat jemand einen schönen Mist gebaut. So blieb uns nichts anderes übrig, als das Ganze nochmals in Angriff zu nehmen, weil wir auch eine DVD veröffentlichen wollten. Daraus ergab sich Brno in der Tschechei als möglicher Ersatz. Es war ein Höllenaufwand, und wir waren alle ja nicht froh, dass wir da nochmals so viel Geld in die Finger nehmen mussten. Die Plattenfirma wollte aber damals zumindest die Show von Memmingen als Live-CD veröffentlichen. Dass dann die Live-DVD noch mit einer Live-CD raus kommt… Nun ja (stöhnt), was willst du machen? Verbieten kannst du dem Label dies nicht, da sie die Rechte an den Tracks haben.

MF: Was denkst du, wie gross wird das Verlangen der Fans nach dieser Tour sein, dass du weiterhin Accept-Songs spielst?

Udo: Ich denke schon… Ich kann mir gut vorstellen, dass aus einigen Ecken die Rufe nach «Balls To The Wall» kommen werden (grinst). Aber! Die werde ich einfach ignorieren (grinst). Wir haben mit U.D.O. genügend Klassiker und haben schon eine grobe Zusammenstellung gemacht. Da waren wir bei vierzig Songs, die Lieder des kommenden Werkes noch nicht berücksichtigt. Eine U.D.O.-Setliste zusammenzustellen ist schon ein Albtraum. Darum bin ich mir sicher, ob die Leute zufrieden sein werden, mit dem was wir spielen. Die Nachfrage nach U.D.O. ist ganz schön gross.

MF: Wie sieht es mit dem neuen Album aus?

Udo: Der Gesang ist zu 95% fertig. Schlagzeug und Bass sind fertig eingespielt, somit bleiben noch die Chöre und die Gitarrenarbeit. Da werden wir im Januar und Februar loslegen. Dann sind wir durch, und es wird noch gemischt. Es wird ein sehr interessantes Album. Mehr Melodien, mehr Chöre und zurück zu den Ursprungstagen. Mehr U.D.O. in der Frühphase und logischerweise auch Accept. Es färbt ab, wenn du so lange diese Lieder spielst (grinst). "Back to the roots" mit Harmonien und zweistimmigen Solos. Das Album ist sehr abwechslungsreich geworden, mit drei bis vier schnellen Nummern, dann Uptemposongs und Balladen. Mal gucken… Das ist so ein Werk, das nicht geworden ist, wie eines der Vorgänger. Das habe ich mit U.D.O. bis jetzt immer geschafft (grinst). Ich habe ein sehr gutes Gefühl dabei (grinst).

MF: Wer wird produzieren?

Udo: Unser lieber Freund Jacob Hansen. Das Schlagzeug ist live eingespielt, nicht wie es früher schon passierte (grinst). Den Gesang habe ich zusammen bei Stefan Kaufmann gemacht (ehemals U.D.O.-Gitarrist und langjähriger Produzent der Band). Das war nach fünf Jahren eine ganz interessante Geschichte (grinst). Es gab viel zu erzählen. Er hat mir gesagt, dass er zu der Zeit ein bisschen auf dem falschen Dampfer war (spricht die mechanischen Produktionen an). Darum gab's damals auch sehr viele Diskussionen. Aber es hat Spass gemacht, wieder mit ihm zusammen zu arbeiten. Auch weil die Gesänge in eine andere Richtung gehen und er damit am besten umgehen kann. Bin mal gespannt, wie die Leute darauf reagieren werden.

MF: Wieso hat euch Kasperi Heikkinen (Gitarre) verlassen?

Udo: Da musst du eigentlich ihn fragen (grinst). Nach vier Jahren zu sagen, dass U.D.O. nicht seine Musik ist, fand ich ein bisschen eigenartig. Nach der Amerika-Tournee führte ich mit ihm ein langes Gespräch. Das war wirklich komisch… Dann geht die Gitarristen-Suche los. Ohne irgendwas gesagt zu haben, standen fünfzehn Gitarristen vor der Türe und bewarben sich. Logischerweise alle aus der Ecke, die ich nicht suchte (grinst). Durch Glück und eine Bekannte, die ich von den «Metal Allstars» kannte… Sie kennt auch Kasperi ganz gut, meinte, dass sie einen Gitarristen für mich hat. Das sei ein Brasilianer, wohnt aber in den Staaten. Ich habe ihn mir angeschaut und wusste, er ist es (grinst). Er passt wie der Arsch auf den Eimer. Bill gibt richtig Gas! Mal wieder Glück gehabt (lacht). Für Bill Hudson war es eine neue Situation, sich in ein Bandgefüge einzuleben und nicht eine einfache Nummer. Aber er hat sich gut entwickelt.

MF: Bei einem neuen Bandmitglied, ist dir das handwerkliche Geschick wichtiger oder der Charakter?

Udo: Logisch, spielen sollte er schon können (grinst). Aber das darf dann auch nicht einer sein, der fünf Millionen Noten innerhalb von drei Sekunden spielt. Wichtig ist auch, wie er als Mensch wirkt, auch auf der Bühne. Denn du kannst nicht alle auf die Bühne stellen. Das machen vielleicht andere, aber ich nicht (grinst).

MF: Welches war für dich die schwierigste Zeit?

Udo: Das war damals mit Accept mit «Death Row» und «Predator». Das war musikalisch eine sehr schwere Zeit für mich, die schlimmste und schrecklichste Zeit. Mit dem damaligen Comeback durch «Objection Overruled» hat alles gepasst. Da dachte ich noch: "Jo, das wird wieder richtig gut". Dann begann der ganze Zirkus wieder von vorne. Thema: Moderner werden und alles nur mit einem Gitarristen spielen. Ich habe immer gesagt, dass dies die verkehrte Richtung ist. «Predator» war schon Chaos hoch achtzehn. Da wurde mir klar, nein, das passt nicht mehr. "Learning by doing" (lacht).

MF: Und trotzdem kam es 2005 wieder zu einer Reunion…

Udo: …ach, diese Festival-Geschichte. Ja, ich sag mal so… Man hat mich mehr oder weniger überredet (lacht). Zu der Zeit hatte ich Luft. "Ja, okay, aber bitte unter diesen Umständen". Darauf haben sich gewisse Leute eingelassen, und es machte den Anschein, dass es wie früher war. Gegen Ende gingen aber schon wieder die kleinen Spielchen los. Es passierte, dass bei diesen Accept-Shows einige Leute laut "Udo" riefen (grinst). Das war für eine Person auf der Bühne nicht gerade erfreulich. Da kann ich aber nichts dafür (lacht). So kam eine alt bekannte Atmosphäre auf und brachte mich zur Einsicht, das hat keinen Sinn mehr. 2010 wurde ich wegen einer Reunion angefragt. Nein, wollte ich nicht unbedingt sagen, aber dann müssen gewisse Dinge knallhart eingehalten werden. Nach einer solchen Accept-Geschichte könnte ich mit U.D.O. nicht mehr weiterspielen, sondern müsste U.D.O. abhaken. Die Gretchenfrage war folgende: Sollte die Accept-Reunion in die Hosen gehen, dann will ich den Namen zurück, das war der Knackpunkt. Denn dann könnte ich nur noch unter Accept weitermachen, aber nicht mehr unter U.D.O.

MF: Welches war für dich die beste Zeit?

Udo: Das war von 1981 bis 1986, zusammen mit Accept, eine tolle Zeit. Mit ihnen habe ich die guten und dann noch die schlechten Zeiten durchlebt (lacht). Dann mit U.D.O. die ersten vier Alben. Mit «Solid» und «No Limits» war es wieder ein ganzes Stück harte Aufbauarbeit, aber ab «Holy» ging's wieder richtig bergauf. Mit U.D.O. nach den ersten vier Alben wieder neu zu starten, war nicht einfach. Aber jetzt läuft alles wieder hervorragend.

MF: Herzlichen Dank für das offene Gespräch.

Udo: Martin, ich danke dir, hat wie immer Spass gemacht.