Interview: Danko Jones
By Kissi
Vor Hunderten von Leuten steht Danko Jones (DJ), der Rockwelt sympathischster Glatzkopf, auf der Bühne der Roten Fabrik, wirft sich in Posen, lässt seie Zunge vulgär kreisen, spuckt sich selber in seine Trinkflasche und fordert das Publikum grinsend dazu auf ihn so richtig auszubuhen. Einige Stunden vorher: Etwas verschlafen und müde trottet der Kanadier die Schweizer Kälte nicht gewohnt fröstelnd um die Ecke. Wenn man es nicht besser wüsste, dann würde man kaum glauben, dass dieser Typ für rotzrockige Alben wie «We Sweat Blood», «Sleep Is The Enemy» oder auch fürs aktuelle «Never Too Loud» verantwortlich zeichnet. Letzteres ist eben auch der Grund für den diesjährigen Abstecher in die Schweiz und so ergriff Metalfactory die Gelegenheit und sprach mit Danko „The Fucking Tongue“ Jones über die Pop-Vorwürfe zur neuen Scheibe, musikalische Freundschaften und den Grund, weswegen er selbst sich niemals als Rockstar bezeichnen würde.

MF: Hey Danko! Danke, dass du uns die Zeit gibst, dir ein paar Fragen zu stellen. Zuerst einmal natürlich: Wie geht es dir und wie läuft die Tour?

DJ: Ich kann in keiner Weise klagen. Jede Show war bis anhin ausverkauft und das Publikum machte Abend für Abend so richtig Stimmung. Hier in der Schweiz ist es zwar nicht ganz ausverkauft, der Raum ist aber auch ziemlich gross und es soll doch ziemlich voll werden. Auf jeden Fall ist es aber dennoch eine Steigerung, denn vor einigen Jahren haben wir auch schon hier gespielt, damals aber in einem kleineren Club.

MF: Auf deiner neuen Scheibe «Never Too Loud» finden sich einige Tracks, in welchen du das Leben auf Tour beschreibst. «Code Of The Road» oder «Take Me Home» sind nur einige Beispiele. Was magst du am Touren und was nicht?

DJ: Natürlich ist das Schönste daran, dass man jeden Abend vor anderen Leuten spielen kann und egal wo man hinkommt, es findet immer eine fette Party statt. Auch das Kennenlernen neuer Städte und Länder macht richtig Spass. Ich denke, das, was am meisten an den Nerven kratzt, ist der simple Umstand, dass man einfach weg von zu Hause ist. Ich bin auch überzeugt, dass dies jede Band, egal wie viel und wie lange sie tourt, denkt. Und die Langeweile den Tag durch, die kann einem auch den Anschiss verleihen. Man wartet halt z.T. stundenlang, wenn man reist oder wenn man auf den Soundcheck etc. warten muss.

MF: Und wie in den Lyrics von «Take Me Home», zu welchem momentan der Videoclip über die Musiksender flimmert, willst du dann manchmal nichts anderes mehr, als nach Hause zu gehen?

DJ: Bei «Take Me Home» ist die Sache etwas spezieller. Darin geht es um die allerletzte Show einer Tour. Der Moment, wenn alles einfach vorbei ist und es keinen Grund mehr gibt, weg von zu Hause zu sein, im Gegenteil, man dann endlich nach Hause gehen kann.

MF: Mit «Never Too Loud» hast du vor einigen Wochen dein fünftes Album rausgebracht, welches definitiv als abwechslugsreichstes und auch überraschendstes deiner bisherigen Karriere bezeichnet werden kann.

DJ: Das stimmt völlig, aber trotzdem ist es immer noch Hard Rock! Alle verschanzen sich immer gleich auf das schon etwas softere «Take Me Home» und ignorieren dabei oft völlig eine Nummer wie «Forest From The Trees», ein 6-minütiger Stoner-Rock-Track mit heftigem Riff und fetten Gitarren.

MF: Es wurde aber doch die eine oder andere Stimme laut, die «Never Too Loud» als ziemlich poppig bezeichnen.

DJ: Es ist nich mehr Pop, es ist mehr Thin Lizzy, man!! Es hat mehr Melodie, es hat mehr Dynamik, es hat mehr verdammte Thin Lizzy! Wer auch immer solchen Scheiss schreibt oder sagt, der hat schlicht und ergreifend zu wenig Phil Linnot gehört. Zieht euch alle «Live And Dangerous» rein und ihr begreift, dass das, was ihr als Pop bezeichnet, einfach nichts anderes ist als eingängigen Rock wie ihn Thin Lizzy kultiviert haben. «Never Too Loud», das ist weniger Motörhead und mehr Thin Lizzy! Wenn ich solchen Scheiss lese, dann hab ich das Gefühl, als müsste ich mit all jenen Leuten Ketchup spielen und ihre rote Tomatensauce im ganzen Raum verteilen.

MF: Aber Tatsache ist, dass ihr das Video zum softesten Song auf der Scheibe, «Take Me Home» gemacht habt.

DJ: Ich bin auch nicht vollends zufrieden damit, aber ich kann nicht entscheiden, aus welchem Track eine Single wird. Selten haben die Bands selber die Möglichkeit, eine Single ganz selber auszusuchen, da wir Musiker einfach zu nahe an den Songs sind und wir so die wirtschaftliche Objektivität verlieren. Und wenn wir ehrlich sind: Singles sind einzig als Werbung da: Man wirbt für das Album, die Band und die Konzerte. Wenn ich eine Single einfach so bestimmen könnte, ohne auf irgendwelche Kriterien zu achten, dann würde ich verdammt nochmal «Forest From The Trees» wählen, Mann! Aber aus logischen Gründen funktioniert das nicht. Der Song ist zu lang, zu hart, zu unkommerziell. Was bringt heute eine Single noch, die nicht im Radio oder auf MTV gespielt wird? Ich überlasse es also den Menschen, die diese Dinge als Beruf haben, denn ich bin dafür zuständig, die Musik zu machen und denken in Alben. Ich habe immer Alben gekauft und gehört. Singles sind mir ziemlich egal.

MF: Wieviel konntest du denn zum dazugehörigen Videoclip beisteuern?

DJ: Witzigerweise war es da gerade wieder umgekehrt. Beim Video hatten wir wieder ziemlich viel Mitspracherecht. George Veil, der es gemacht hat, war früher mein Mitbewohner und so war die Zusammenarbeit vollkommen entspannt. Ich erzählte ihm einfach, um was es in der Nummer geht und dann haben wir es zusammen ausgearbeitet. Ihm ging es darum, die Atmosphäre des Rock'n'Roll-Tourchaos zu vermitteln und das Endprodukt kann man sich jetzt anschauen.

MF: Als Kinder und Teens träumen wir und du sicher auch von der Vorstellung eines Rockstar-Lebens. Ist dein Leben so, wie du es dir als Jugendlicher zusammenfantasiert hast?

DJ: Ich bin kein Rockstar! Ich spiele in einer Rockband, das ist ein Unterschied! Steven Tylor oder Gene Simmons, das sind Rockstars. Ihr Lifestyle ist monstermässig, aber davon sind wir Meilen entfernt. Natürlich, wir haben mehr Glück als das Gros der Band, die es alle da draussen gibt, aber letztendlich ist es nichts anderes als ein Job! Unbestreitbar der beste Job der Welt, sicher, aber ich habe ein Problem damit, mich als Rockstar zu sehen, denn wenn ich mein Bankkonto anschaue, dann wirkt das für mich nicht wie der Auszug eines Rockstars. Wir haben keine Million zu verpulvern auf der Tour, wir haben auch keine Million zu Hause... wir spielen einfach unsere Shows und versuchen so viele gute Songs wie möglich zu schreiben.

MF: In dem von dir schon erwähnten Song «Forest From The Trees» hat John Garcia von Hermano, besser bekannt noch als Leader der Stoner-Legenden Kyuss, einen Gastauftritt. Erzähl doch mal, wie eure Freundschaft zustande gekommen ist.

DJ: John ist der wohl coolste und relaxte Mensch im Rock-Business. Ich weiss nicht, wir kommen einfach aus miteinander. Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir einmal in L.A. gespielt haben. John wollte kommen, wir mussten aber danach gleich weiter, weswegen ich ihn anrief und ihm das sagte. Er wohnt irgendwo in der Wüste, zwei Stunden von LA entfernt und er fuhr trotzdem runter, nur um schnell „Hallo, wie gehts?“ zu sagen. Wir sind einfach auf der selben Welle, Mann. Ich liebe «Invisible» von «Sleep Is The Enemy», wo er ja auch schon mitgemacht hat genauso wie jetzt «Forest From The Trees». Erinnern werde ich mich auch immer an unsere Gigs in Skandinavien, als wir ca. 2 Wochen miteinander getourt haben und jeden Abend zusammen auf der Bühne standen. Wir spielten eine Kyuss-Nummer, ein Hermano-Track, ein Misfits-Song oder auch ein Lied, welches ich für seine Solo-Scheibe geschrieben hatte – keine Ahnung wann die endlich erscheinen wird, den Track schrieb ich vor 3 Jahren – und eben «Invisible». Jeden Abend spielten wir diese sechs Nummern zusammen und es war einfach der pure Spass.

MF: Was würdest du von einer Kyuss-Reunion halten?

DJ: Ich halte es zu diesem Zeitpunkt nicht für realisierbar und auch nicht für wünschenswert, denn alle haben ihr eigenes Ding jetzt. Hermano, Queens Of The Stone Age und Fu Manchu sind doch alles klasse Truppen, um die es einfach schade wäre. Das ist kein negatives Statement zu Kyuss, ich liebe ihre Alben! Das ist ein negatives Statement gegen alle Reunionen, da es doch immer einen Grund gibt, warum sich eine Band auflöst. Alle von Kyuss haben sich entwickelt und es wäre anti-fortschrittlich. Nur wenige Bands können wirklich wieder an ihrem alten Niveau anknüpfen.

MF: Zum Beispiel?

DJ: Wenn ich jetzt gerade hier in der Schweiz bin: Celtic Frost! Martin Eric Ain und Warrior Fischer sind Helden meiner Jugend und «Monotheist» ist eines der besten Comeback-Alben ever und war mein Lieblingsalbum des Jahres.

MF: Du weisst, dass sie sich erst gerade wieder...

DJ: ... dass Tom Gabriel Fischer ausgestiegen ist? Jah Mann, das hab ich gelesen! Es ist so verdammt schade, dass es schon wieder vorbei ist! Ich werde nach der Show noch ins Mascotte gehen, um bei Martins «Karaoke From Hell» mitzumachen! Das wird ne lustige Sache werden und ich kann es immer noch nicht fassen, dass eine Ikone des bösen Metals nebenher noch den Showman für Karaoke-Events mimt. Ich versteh es immer noch nicht wirklich!

Aber um auf die Frage zurückzukommen: Es gibt auch noch andere Bands, die es wirklich geschafft haben, zurückzukommen. Death Angel's neue Scheibe finde ich zum Beispiel auch mehr als gelungen.

MF: Gerade eben waren auch Death Angel hier in der Schweiz.

DJ: Das habe ich auch mitbekommen. Schon wieder ein nervender Punkt! Es ist wie verhext, denn fast auf unserer ganzen Tour sind Death Angel einfach immer 4 oder 5 Tage vor uns. Es gibt keine Möglichkeit einander zu sehen, aber ich habe schon mit ihnen geschrieben und wir werden es dieses Jahr schon noch irgendwie zusammenbretzeln.

Und um noch einmal auf deine Frage zurückzukommen: Es gibt Bands, die machen nach einer Pause nochmal alles klar und ich glaube auch, dass Kyuss ein atemberaubendes Album auf den Markt knallen würden. Ich würde wohl nichts anderes mehr hören wollen als ihre neue Scheibe aber dennoch wäre es einfach nicht logisch, dies nun zu fordern oder zu forcieren.

MF: Auch Pete Stahl, bekannt von den Hardcore-Veteranen Goatsnake, hast du auf deiner Scheibe singen. Wie kam das zustande?

DJ: Yeah man... Das kam durch unseren Produzenten Nick Raskulinecz. Der quaselte einfach mal was von Pete und fragte nebenbei, ob ich nicht mit ihm bei einem Track zusammenarbeiten wolle. Ich drehte komplett durch und schrieh: „Was? Du kennst Pete Stahl? Warum erzählst du mir das erst jetzt?“. Dann hat er ihn gleich angerufen. Als ich ihn dann kennenlernte war ich so verdammt froh, dass er sich als coolen Menschen herausstellte. Weisst du, man ist echt erleichtert, wenn sich ein Mensch, den man für seine Musik verehrt, auch auf persönlicher Ebene sympathisch ist. Das Schlimmste was hätte passieren können wäre gewesen, wenn er sich als komplettes Arsch herausgestellt hätte. Stell dir vor, du musst dann einen Mensch auf deiner Scheibe singen hören, den du nicht ausstehen kannst. Das wäre echt übel gewesen aber letzten Endes stellte sich Pete als so starker Typ heraus, dass ich gerne wieder einmal was mit ihm machen würde.

MF: Dein Traumgast bei einem Song?

DJ: Das ist eine einfache Frage: Billy Gibbons von ZZ Top wäre der Hammer. Das würde auch so gut passen! Holy Shit wäre das stark.

MF: Du holst ja nicht nur Leute auf deine Scheibe, sondern wurdest ja auch schon zu einem Gastauftritt eingeladen. Auf der letzten Annihilator-Scheibe «Metal» steuertest du deine Stimme zu «Couple Suicide» bei.

DJ: Als Jeff Waters mich danach fragte, da musste ich keine einzige Sekunde überlegen! Wenn man als Metal-Kid, wie ich eines war und bin, in Kanada aufwächst, der lebt hinterm Mond, wenn er nicht zwangsweise Annihiltor oder Voivod kennt und liebt. Ich stand als Teenie so auf Annihilator, dass ich die Band schon mindestens 10 Mal live gesehen habe. Das ist das wohl Surrealste, was mit meinem Leben geschehen ist: Dass ich so viele Idole meiner Jugend plötzlich leibhaftig zu Gesicht bekomme und sogar die Gelegenheit erhalte mit diesen Musiklegenden zusammenzuarbeiten. Vor einigen Jahren machten wir in Ottawa, dem Wohnort von Jeff Waters, den Support für Nickelback – kennst du die?

MF: Wie kann man die nicht kennen?

DJ: Stimmt, die sind ja immer und überall dabei. Denen kann man sich einfach nicht entziehen... ob man will oder nicht, ich bin nicht gerade der grösste Fan von ihnen...

Auf jeden Fall eröffneten wir für sie und nach unserer Show stand er einfach backstage rum und ich ging ganz nervös zu ihm und sagte: „Entschuldigen sie mich, aber ich bin ein riesiger Fan von Ihnen!“ Er erklärte mir, dass er unsere Sachen seit der ersten Platte liebe und er überwältigt sei von unseren Live-Performances. An diesem Abend konnte ich einfach nicht mehr aufhören zu grinsen und war echt stolz auf uns. Seither schreiben wir regelmässig E-Mails und als er mich dann anfragte, ob ich auf seiner Scheibe singen wolle, da war mir das eine grosse Ehre.

MF: In wieweit war Nick Raskulinecz als Produzent ein Einfluss auf die neue Scheibe?

DJ: Ich würde sagen, er beeinflusste uns vor allem in soundtechnischer Hinsicht. So auf seine typische Weise: „Mehr Bass, mehr Stimmen, mehr Gitarren!“. Er brachte auch Arrangements-Ideen und sagte seine Meinung zu den Songs die wir einbrachten und fragte uns, ob wir nicht dies oder jenes verlängern oder kürzen wollten. Niemand sagte uns, was wir in songtechnischer Hinsicht machen sollten, aber er stand uns mit Rat und Tat zur Seite und verpasste all den Songs einen fetten Sound. Es war super mit ihm zu arbeiten und ich kann mir vorstellen, dass wir bald wieder mit ihm zusammenarbeiten werden.

MF: Endspurt: Wie sehen die Danko Jones Pläne für den Rest des Jahres aus?

DJ: Touren wird uns für unabsehbare Zeit in Anspruch nehmen. Nachdem wir nun ein Jahr Pause hatten und «Never Too Loud» erarbeiteten heisst es nun wieder Bus fahren und Bühnen beackern. Nach dieser Europa-Tour kommt der Rest der Welt dran, dann wieder Festivals und so weiter und so fort. Das Highlight wird aber die Herbst-Tour zusammen mit Motörhead sein! Ich freue mich seit ich es weiss nur noch auf diese paar Tage. Mit der wohl truesten Rockband der Welt auf Tour zu gehen – unvorstellbar! Das werden heftige Nächte werden!

MF: Wo wird Danko Jones in 10 Jahren sein?

DJ: Ich habe keine Idee, Mann!

MF: Was wünschst du dir?

DJ: Was ich mir wünsche? Das es so bleibt wie jetzt! Ich will bis an den Rest meines Lebens Platten veröffentlichen und ein anstrengendes Konzert nach dem anderen spielen. Es ist so belebend zu sehen und zu fühlen, wie von Tag zu Tag mehr Leute Gefallen an uns finden und dass sich alles auszuzahlen scheint.

MF: Danko, ich danke dir für deine Antworten!

DJ: Kein Problem, Mann! War echt gemütlich...



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