Interview: Black Star Riders

By Tinu
 
Ein tonnenschweres Erbe.



Ricky Warwick wurde durch seine Arbeit mit The Almighty und der Ehe mit MTV-Sternchen Vanessa (Headbangers Ball) bekannt. Nachdem es so aussah, als ob seine Band zu den ganz Grossen aufsteigen könnte, wurde es plötzlich ganz still im Allmächtigen-Camp. Eine weitere Band und auch seine Solokarriere wollten nicht mit dem gleichen Erfolg verbunden sein, wie seine The Almighty Zeit. Bis zu dem Zeitpunkt, als er bei Thin Lizzy einstieg, sich das Mikrofon krallte und nur noch selten die Gitarre umschnallte. Aus Thin Lizzy entstanden danach die Black Star Riders, die musikalischen Erben von Thin Lizzy. Ricky ist nun nicht mehr von BSR weg zu denken, da hat er seinen festen Platz im Bandgefüge. Wie alles kam, was sich beim ihm in den letzten Jahren veränderte und wohin die Zukunft führen soll, erzählte der äusserst nette Musiker im Interview.

MF: Gehen wir noch kurz zurück in die Vergangenheit, wie hat bei dir damals alles mit The Almighty begonnen?

Ricky: Ich spielte Gitarre bei New Model Army. Als die damalige Tour fertig war, wollte ich mit meiner eigenen Band starten. Ich sass in Glasgow in Schottland. Floyd (Bass) und Stomp (Schlagzeug) kannte ich noch aus der Schule. Meine Erinnerungen an die Band sind durchwegs positiv. Wir waren verdammt jung (grinst) und hatten viel Attitüde. Die war bedeutend grösser als das Talent (lacht). Das dauerte aber seine Zeit, bis uns das bewusst wurde. Im Ernst, ich bin verdammt stolz auf diese Zeit. Wir bereisten die Welt und alles hatte seinen Einfluss auf unser Leben. Trotz allem waren wir sechs bis sieben Jahre recht erfolgreich. Gute Erinnerungen und eine gute Zeit!

MF: Du warst mit Vanessa verheiratet…

Ricky: …jaaa…

MF: …war das eher ein Fluch oder ein Segen für die Band?

Ricky: Für mich ist diese Zeit abgeschlossen. Leute mit einer naiven Meinung erzählten, dass ich nur mit ihr zusammen war, um in der Sendung «Headbangers Ball» (renommierte Metal-Show in den 80er-Jahren) aufzutreten. Aber bevor sie meine Frau war und im TV ihren Auftritt hatte, spielten wir mit The Almighty. Der Erfolg von The Almighty kam also lange bevor Vanessa im MTV zu sehen war. Wir standen auf den Covers der Magazine oder waren in den Charts. Darum kann ich nur lächeln, wenn die Leute denken, dass der Erfolg dank Vanessa eintrat. Die Band war erfolgreich, weil wir uns den Erfolg hart erspielten. Das ist ganz einfach.

MF: Was war der Grund, dass The Almighty sich auflösten?

Ricky: Die damalige Zeit killte viele Bands. Die Industrie baute nur noch den ganzen Grunge auf. Viele Leute, die mit uns zusammenarbeiteten, verloren ihren Job in den Firmen, und plötzlich war alles anders. Wir waren immer eine Band, die zusammen mit dem Umfeld hart arbeitete. Aus diesem Grund änderte sich sehr viel für die Truppe. Wir verloren die Freude an dem was wir taten, und plötzlich überlegten wir uns, wie es weitergehen soll.

MF: Nach The Almighty wurde es sehr still um dich, was hast du in dieser Zeit getan?

Ricky: Ich war mit den Punkrockern (sic) unterwegs. Die Band kam aus Dublin. Wir spielten sogar Shows in Japan. Zudem versuchte ich The Almighty mit unterschiedlichen Line-Up's wieder zu reaktivieren. Was aber blieb, waren meine Solo-Geschichten. Da spielte ich auch eine Supporttour zusammen mit Def Leppard. Es hat sich seit einigen Jahren viel verändert. Was ist gut, was ist schlecht… Auch ich habe mich verändert, und bin heute stolzer Vater meiner Kinder. Das war eine sehr grosse Veränderung in meinem Leben. Ich wurde älter, dabei würde ich nicht behaupten, dass ich auch weiser geworden bin (grinst), aber ich realisierte, was wichtig und was unwichtig im Leben ist. Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Vater. Er zog nie durch die Strassen und hielt sich in irgendwelchen Strip-Clubs auf. Er war ein cooler Typ, der zu Hause war und sich für Sport und Musik interessierte. Er war kein Prolet, der sich mit Drogen die Birne wegknallte. Er zeigte mir, wie es ist, ein guter Vater zu sein. Ich beendete meine Sauferei und konsumierte keine Drogen mehr. Es wurde langweilig und ich liess diese Zeit hinter mir. Verdammte fünfzehn Jahre schlug ich mir diesen Scheiss um die Ohren. Schluss! Aus! Fertig! Das Nächste! Und der nächste Schritt war, mein Leben zu leben und zu geniessen. Zu sich selber zu schauen und zur eigenen Familie. Ich bin clean! Es war eine Scheiss-Zeit mit den Drogen. Es war zerstörerisch und kostete eine Unmenge an Geld. Die Drogen verändern deine Persönlichkeit. Das ist kein positiver Aspekt, sondern entfernt dich von den Menschen. Plötzlich steckt man mehr und mehr in dieser Isolation. Alles wird plötzlich so negativ und glaub' mir, ich bin alles andere als eine negative Person. Mein Naturell lässt dies eigentlich nicht zu. Ich durchlebte diese Zeit, aber sie ist beendet. Du verletzt viele Leute und dich selber auch.

MF: Heute bist du bei den Black Star Riders. Die Band entstand aus Thin Lizzy. War dies ein grosser Einfluss für dich?

Ricky: Enorm! Massiv! Phil Lynott, Gary Moore und Eric Bell übten einen grossen Einfluss auf mich aus. Sie hatten eine grosse Wirkung auf mich! Es ist unglaublich und erstaunlich zugleich, dass ich heute in dieser Band, zusammen mit Scott Gorham auf der Bühne stehe. Das fühlt sich heute immer wieder wie ein Traum an, der wahr wurde. Es fühlt sich fantastisch an, die alten Thin Lizzy-Songs zu singen und ich bin verdammt stolz darauf, ein tragendes Element von Black Star Riders zu sein.

MF: Hattest du grossen Respekt, in die Fussstapfen von Phil zu treten?

Ricky: Absolut! Es ist nicht einfach diese Abdrücke auszufüllen (grinst). Darum stehe ich lieber ein bisschen daneben und versuche mein Bestes zu geben. Am Ende des Tages bin ich ein Fan der Truppe geblieben. Aber ich singe diese Songs und versuche mit den anderen tollen Jungs das Werk dieser Band weiterhin aufrecht zu erhalten. Dieses Erbe weiter am Leben zu erhalten ist nicht einfach. Dabei hoffe ich, dass mich die Fans akzeptieren und mit meiner Arbeit zufrieden sind…

MF: …absolut, du machst einen vorzüglichen Job…

Ricky: ...herzlichen Dank, das freut mich sehr zu hören.

MF: Welche Erinnerungen hast du an die erste Probe oder das erste Konzert?

Ricky: Scott Gorham sagte zu mir: «Es gibt nichts, was du nicht tun oder singen könntest. It's yours and only you can fucked up» (lacht). Da entstand überhaupt kein Druck (lacht). Ich war auf meiner Solo-Tour und an einem Freitag übte ich die Songs zusammen mit der damaligen Band. Ich kannte das Material, aber wenn du es selber singen musst, mit dem Bewusstsein auf der Bühne nicht abzuloosen, dann wird dir schon mulmig. An diesem Tag in London marschierte ich in den Proberaum, und es herrschte ein verdammt gutes Feeling. Brian Downey (Drums) und Darren Wharton (Keyboard) sassen da. Vorher hatte ich die Beiden noch nie getroffen. Damon Johnson war ein verdammt cooler Typ, und wir spielten als Erstes den «Cowboy Song», den ich früher oft mit The Almighty spielte. Ich kannte den Track, und es fühlte sich verdammt grossartig an, als wir dieses Lied zusammen spielten. Als wir fertig waren, schaute ich in die Augen der anderen und wusste, das war richtig gut. Es fühlte sich grossartig an, und ich hatte von diesem Moment an fünf Monate Zeit, um das ganze Material zu lernen. Das erste Konzert fand im Januar 2011 statt. Je näher dieser Tag kam, umso nervöser wurde. In Aberdeen sollte der grosse Moment sein. Die Halle war ausverkauft. Es spielte keine Rolle, wer sonst noch in der Band spielte, denn die ganzen Augen der Fans waren nur auf mich gerichtet. Ich sah es in den Gesichtern der Besucher, wie sie sich während der ersten vier Songs die gleiche Frage stellten. «Ist der Typ gut? Ich bin mir nicht sicher, lass uns noch den zweiten Track abwarten. Hey, gar nicht mal so übel!» Das passierte jeden Abend auf meiner ersten Tour. Alle stellten sich die gleiche Frage. Wird der Neue die Situation meistern können? Kann er den Erwartungen gerecht werden? Jeden Abend versuchte ich die Bühne zu rocken, und es lag ein verdammter Druck auf meinen Schultern. Ein guter Freund von mir sagte, bevor ich zum ersten Mal die Bühne betrat: «No matter what's happen tonight. Your life will never gonna be the same!» Ob es gut oder schlecht wird… «You fucked it up!» Es war mir scheissegal, ob mein Leben nie mehr dasselbe sein würde. Ich erledigte meine Hausaufgabe und probte wie ein Blöder. Die einzige Person, die es versauen konnte, war ich! Alles was ich in den zwanzig Jahren davor und auch mit The Almighty erlebte, war nicht zu vergleichen mit diesem Abend in Aberdeen. Niemanden konnte ich dafür verantwortlich machen, nur mich selber, würde ich den Abend nicht rocken. Es dauerte einen Moment, bis ich dies realisierte, aber verdammt nochmal, ich spielte bei Thin Lizzy und welche Musiker bekamen eine solche Möglichkeit in diesem Universum?

MF: Wie schwer ist es für dich, neue Songs für die Black Star Riders zu schreiben?

Ricky: Sehr einfach! Ständig kommen mir neue Ideen. Selten flutschte mir das Schreiben dermassen einfach von der Hand, und dies konstant. Ich geniesse diesen Umstand und denke, dass ich von Song zu Song ein noch besserer Musiker werde. Wie auch ein noch besserer Performer und Sänger. Dies auch dank Phil. Das ist aufregend, er ist nicht mehr unter uns, aber dadurch dass ich seine Songs singe, habe ich sehr viel über ihn gelernt.

MF: Wieso habt ihr überhaupt den Namen von Thin Lizzy zu Black Star Riders gewechselt?

Ricky: Wir wuchsen zu einer richtigen Familie zusammen. Aber ein neues Album unter dem Namen Thin Lizzy zu veröffentlichen, ohne Phil, kam für uns nicht in Frage. Damon und ich erachteten dies als sehr schwierig. Die albumlose Zeit ohne Phil lag sehr lange zurück. Irgendwann fällt der Groschen. Wir veränderten die Songs ein bisschen und liessen all unsere Persönlichkeiten einfliessen. «Suicide» oder «Jailbreak» klingen heute anders als die Urversionen. Nuclear Blast (unser Record Label) und wir als Band glaubten an die neuen Songs und wussten, dass die auch unter einem anderen Bandnamen bestehen können. Klar hatten wir Angst davor, dass uns die Leute nicht mehr erkennen würden. Wir waren verdammt nervös, ob und wie uns die Fans akzeptieren würden. Uns schwirrten völlig komische Namen wie «Black Rose» im Kopf herum. Das lag aber viel zu nahe bei Thin Lizzy und hätte dem Ganzen den Charakter einer Tribut-Band verliehen. Ein Tribut von uns selber und darum musste sich der Name klar abgrenzen. Wir wussten, dass die Songs von «All Hell Breaks Loose» verdammt stark sind. Für «The Killer Instinct» hatten wir kaum Druck, und es war bedeutend leichter die Nummern zu schreiben. Aus dem einfachen Grund, weil das erste Album ein Erfolg war. Zudem spielten wir fast achtzehn Monate zusammen, und so kannten die Fans die Evolution der Black Star Riders.

MF: Scott und du werden an den nächsten «Rock Meets Classic» Shows teilnehmen. Was sind deine Erwartungen?

Ricky: Es ist sehr aufregend, die Lieder zusammen mit einem Orchester zu spielen. Zudem ist Mat Sinner (Mastermind dieser Veranstaltung) ein verdammt netter Mensch. Scott und ich sind uns sicher, dass wir sehr viel Spass haben werden. Dies wird ein weiterer Höhepunkt werden. Die letzten fünf Jahre sind ein Traum der wahr wurde und uns aber nie abheben liess. Ich geniesse jeden Tag mit den Black Star Riders. Klar würden wir gerne die Thin Lizzy- und Black Star Riders-Nummern mit einem Orchester spielen. Aber dies umzusetzen ist nicht so einfach. Das ist alles eine Kostenfrage. Aber mit «Rock Meets Classic» haben wir eine gute Möglichkeit zu testen, wie sich das anhört und anfühlt.

MF: Bald wirst du deine neue Solo-Scheibe veröffentlichen. Warum?

Ricky (mit einem breiten Grinsen): …weil ich es tun muss! Die ganze Zeit schreibe ich an neuen Songs. Vieles davon kann ich aber nicht für Black Star Riders verwenden. Einiges für die beiden Solo-Scheiben schrieb ich, bevor ich bei Thin Lizzy einstieg. Nun habe ich die Möglichkeit, das ganze Material zu veröffentlichen. Allerdings musste ich einen Moment abwarten, bis die Black Star Riders einen kleinen Break machen. Ich bin gern beschäftigt, kann mich nicht einfach nur hinsetzen und nichts tun (lacht). Bei meinen Solo-Sachen habe ich keine musikalischen Grenzen und kann tun und lassen was ich will. So kann ich auch ein bisschen Punkrock spielen. Ich greife wieder vermehrt zur Gitarre, was mir bei BSR ein bisschen verwehrt bleibt. Aber es ist auch schwer in einer Band mit zwei Gitarrenlegenden (grinst). Bei den Solo-Sachen habe ich die Möglichkeit Gitarre zu spielen und zu tun, auf was ich gerade Lust habe. Wir sind eine richtige Band, die auch auf Tour gehen wird. Einige Gastmusiker werden zu hören sein, wie Ginger (Wildheart), Andy Cairns (Therapy), Nathan Connolly (Snow Patrol) und Joe Elliot (Def Leppard). Die Liste ist lang und beinhaltet viele tolle Musiker. Joe singt einige Lieder, er ist einer meiner besten Freunde und war eine grosse Inspiration für mich. Joe unterstützt mich immer, wenn ich seine Hilfe benötige und ist ein fantastischer Songwriter.

MF: Wenn du die Zeit zurück drehen könntest…

Ricky (lachend): …würde ich nicht! Sorry, frag mich nochmal (lacht). Wirklich, ich würde nichts verändern. In jeden Leben gibt es gute und schlechte Momente. Fuck off wegen den schlechten. Du musst nur von den Schlechten lernen und deine Aufgaben machen. Das Leben ist mit Überraschungen ausgefüllt. Eine Reise, die viel von dir abverlangt und dich abfucken kann, aber die guten Dinge müssen dich voran treiben. An die schlechten musst du dich erinnern, damit du sie ein zweites Mal verhindern kannst. Von ihnen lernen, aber dich nicht von ihnen kontrollieren lassen.

MF: Was machst du in deiner Freizeit?

Ricky: Die verbringe ich mit meinen Kindern und der Familie. Ja, das ist die wichtigste Sache in meinem Leben. Wenn ich alt bin, werde ich mich um meine Hobbys kümmern (grinst), aber wenn ich auf Tour bin, ist es das Schlimmste, meine Familie nicht um mich zu haben. Meine kleinste Tochter ist acht Jahre alt und ich will so viel Zeit wie nur möglich mit ihr verbringen, wenn ich zu Hause bin.

MF: Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Ricky: Weiterhin Musik zu machen. In den letzten dreissig Jahren habe ich viel erlebt, auch verrückte Dinge. Weiterhin meiner Kreativität freien Lauf zu lassen, mich inspirieren lassen und gesund bleiben. Das ist das Wichtigste für mich geworden. Als ich 21 Jahre jung war, sah dies noch ein bisschen anders aus (grinst).

MF: Besten Dank für das Interview.

Ricky: Danke dir und alles Gute.