Axxis
By Tinu
Es tut sich wieder einiges bei den deutschen Melodic-Rocker/Metallern von Axxis. Nach der Veröffentlichung von «20 Years Of Axxis», der Doppel-CD und Doppel-DVD, wollen Interviewpartner Bernhard Weiss (BW, v), sein langjähriger Weggefährte Harry Oellers (key), Marco Wriedt (g), Rob Schomaker (b) und Alex Landenburg (d) gleich wieder auf Tour gehen. Dabei werden sie am 30. September 2011 in Pratteln (Gallery) auftreten und sich dabei nur auf die ersten drei Alben konzentrieren. Ausserdem haben die Herren die letzte Veröffentlichung in eigener Regie rausgebracht. Doch dazu gleich mehr im Interview, mit dem wie immer bestens gelaunten und redseligen Bernhard.

MF: Mein lieber Freund, das ist lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben!


BW: Das stimmt, wann war das?

MF: Das war die Tour zusammen mit Helloween und Gamma Ray!

BW: Meine Güte, das war 2007, wie die Zeit vergeht. Aber umso schöner, dass wir endlich wieder einmal miteinander sprechen können.

MF: Wie kam’s zur neuen Live-CD und DVD?

BW: Das ist eine Geschichte, die von uns weder geplant noch ausgedacht war. 2009 wollten wir in der Zeche in Bochum eine spezielle Show spielen. Dabei waren wir dermassen mit der Organisation und der Gestaltung der Show beschäftigt, mussten uns um die Gäste kümmern, die leider nicht alle verfügbar waren, mussten Tickets gestalten, drei Stunden Musik kreieren und dabei auch mal was anderes bieten. Das alles hat sehr viel Kraft gekostet, so dass wir nie daran dachten eine DVD aufzunehmen. Ich hatte auch keinen Bock, mir dies auch noch «an den Schuh zu hängen». Das hätte bedeutet, die Kosten zu berechnen, Firmen anzufragen und so weiter. Die Zeche buchten wir auf unser eigenes Risiko. Da hätte auch keiner kommen können, wer weiss das denn schon? Plötzlich hängst du da und bleibst auf «den verbraten Kohlen» sitzen. Drei Tage vor dem Konzert, sagte uns ein Fan: «...ihr seid bescheuert, nehmt das Ding doch auf! Ich filme das für euch mit meiner Kamera!» Dann kam unser Trommler und sagte, dass ihm der Kleif Baltes einen ähnlichen Vorschlag gemacht hätte. Er hätte ein bisschen Ahnung, wenn es ums Schneiden des Videos geht. Mit Kleif habe ich über die Sache gesprochen und er war sofort mit von der Partie. So ergab sich eine Geschichte, bei der durch ein paar Kumpels, mit ihren Kameras aus dem Media Markt, das Filmen organisiert wurde. Ganz ehrlich, wir hatten keinen Plan und das Licht war nicht speziell für die Kameras ausgerichtet, denn die Band fokussierte sich nur auf die Show. Kleif hat dann fast ein Jahr gebraucht um alles zu gestalten und auf ein Level zu bringen. Das entspricht sicher nicht dem professionellen Standard, denn mit einer Profi-Firma hätten wir einen richtigen Kamerakran und mit standardisierten Kameras filmen können. Axxis haben sich von Fans mit einem absoluten Low-Budget aufnehmen lassen und hofften, dass mit dem Material irgendwas anzustellen sei. Das hat alles ganz gut geklappt und so haben wir den nächsten Schritt gewagt und eine DVD veröffentlicht. Zeitgleich kam die Idee auf, ein eigenes Label zu gründen. Diese Vision tragen wir schon seit der «Back To The Kingdom»-Scheibe mit uns `rum. Da uns die Plattenfirmen aber immer Vorschüsse geboten haben, wären wir bescheuert gewesen, hätten wir alles selber in die Hand genommen. AFM war der Meinung, dass die DVD nicht so viel bringen würde, da die Verkaufszahlen einer DVD nicht so hoch sind. So sahen wir eine gute Möglichkeit, unser eigenes Label zu starten. Da sind wir nun mittendrin!

MF: Wie habt ihr euch die Arbeit zugeteilt? Gab es da konkrete Zuweisungen der «to dos», oder seid ihr da einfach reingerutscht?

BW: In meinem Aufgabenbereich lagen die kompletten Design-Angelegenheiten. Ich musste mich mit allen unterschiedlichen Druckformaten auseinandersetzen. Davon hatte ich überhaupt keine Ahnung. Vom Lesen kannte ich sie, aber sie selber zu kreieren, da musste ich ein halbes Studium absolvieren (lacht). Die ganzen Mixe lagen auch in meinen Händen. Einiges lief da schon beim Konzert schief weil es zu wenig professionell vorbereitet war. Wir bauten eine Maschine in drei Tagen auf und haben ein paar Mikrofone dran geklatscht. Fertig! Was wir nicht bemerkten war, dass Alex direkt beim ersten Song beim Tom ein Mikrofon weggeschlagen hat. Da mussten wir anhand des Videos immer wieder das Tom hinkopieren, so wie wir es optisch gesehen haben. Das bei drei Stunden Musik. Ich sag dir, hey... Mit schneiden, cutten und so weiter verbrachten wir fast drei Monate, nur um dieses Tom reinzubasteln. Der Typ spielt da irgendwelche «Rolls», da kriegst du die Krise! Harry hat alles vorbereitet und ich hab’ schlussendlich alles abgemischt. Kleif hatte die Aufgabe am Ende alles zu schneiden, die Stimmung reinzubringen und das Tonmaterial auf ein Level zu bringen. Jeden Monat sind wir zu ihm hin gefahren und haben unsere Verbesserungen vorgebracht. Dabei überlegten wir uns, dass es ja blöd wäre, wenn uns nur die Deutschen verstehen würden. Die Intention war, alles so authentisch wie möglich zu halten. So musste das Ganze auf Deutsch bleiben, aber die DVD musste durch spanische, französische und englische Untertitel ergänzt werden. Da ist der gute Kleif dann fast aus dem Fenster gesprungen. Er musste sich die Punkte aufschreiben, wo ich was sage und dann die jeweilige Übersetzung dranknallen. In diesem Jahr hat er keine Freunde mehr gehabt, keine Freundin mehr kennengelernt und hat nach dem Feierabend in Düsseldorf Abend für Abend nur an dem Material gearbeitet. Hut ab, da hat Kleif wirklich Gas gegeben. Harry hat sich dann um die ganzen Gema-Geschichten, die Codes und das ganze Business gekümmert.

MF: Werdet ihr dann zukünftig eure neuen Scheiben auf eurem Label veröffentlichen, oder wieder bei AFM?

BW: Das ist eine gute Frage (lachend). Timo von AFM spricht mich einmal im Monat an und fragt wann wir denn wieder zu AFM kommen (lacht). Klar habe ich weiterhin Lust mit diesen Leuten zusammen zu arbeiten, aber nachdem ich weiss, was für Geld die einsacken (lautes Lachen), überleg ich mir das noch mal! Ganz ehrlich, eine gewisse Bequemlichkeit ist auch dabei. Es ist luxuriös mit einer Firma wie AFM zusammen zu arbeiten. Die Jungs da machen einen guten Job und sind sehr enthusiastisch. Geben ihr Bestes und haben einen Supervertreib am Start. Das Label zahlt uns einen Vorschuss und damit sind wir als Band dann mehr oder weniger risikofrei. So können wir die Zukunft und die Investitionen besser planen. Das konnten wir dieses Mal nicht. Das ist auch einer der Gründe wieso wir jetzt längere Zeit nicht mehr live gespielt haben. Mit Soulfood als Vertrieb hatten wir einen sehr guten Partner an unserer Seite, um die DVD zu vertreiben. Die machen einen hammergeilen Job und da habe ich nicht das Gefühl, dass die uns schlechter behandeln als AFM oder früher Massacre Records. Im Gegenteil. Der Jochen von Soulfood reisst sich den Arsch auf und überall in Deutschland wo du bist bekommst du unsere DVD. Das war bei der «Utopia» leider nicht so (lachend). Warum auch immer. Obwohl wir von der Live-DVD viel weniger gepresst haben. Bei der «Utopia» wurden 10’000 Einheiten gepresst . Von der DVD waren es bloss 5’000 Stück. Auch aus dem Grund, weil sich DVDs nicht so gut verkaufen lassen, wie ein neues Studioalbum. Bis jetzt ist es so, dass alle DVDs das Lager verlassen haben, bei Amzon bekommt man das Paket aus DVD und CD nicht mehr. Das kann ein gutes Zeichen sein, aber kann auch bedeuten, dass im Dezember alles wieder zurückkommt (lacht). Dann können wir uns nochmal unterhalten, ob die DVD ein Erfolg war oder nicht (lautes Lachen). Momentan habe ich ein echt gutes Gefühl (lacht).

MF: Dann können wir auch wieder darüber sprechen, ob ihr zurück zu AFM geht, oder nicht?

BW: Genau (lacht).

MF: Was war der Grund, dass ihr ausgerechnet in der Bochumer Zeche euer 20-Jahre-Jubiläum gespielt habt?

BW: Das ist für uns eine ganz legendäre Stätte. Damals, als wir den Plattenvertrag bekamen, mussten wir in der Zeche spielen. Auf Drängen des damaligen Chefs der EMI. Zwei andere Truppen namens Fate und Havana Black waren eigentlich die Attraktionen und sollten einem weltweiten A&R-Team der EMI vorgestellt werden. Die Amis und auch die Japaner waren alle vor Ort. Der EMI-Chef hat uns dann noch auf dieses Billing gedrückt. Einige fanden dies nicht so toll, weil die eigentlichen wichtigen Truppen Fate und Havana Black waren. Axxis haben 45 Minuten gespielt. Damals spielte ich noch Gitarre und das erste was mir passierte auf der Bühne war, dass mir eine Saite riss. Bis dahin habe ich die Lieder noch nie ohne Gitarre vorgetragen. «Scheisse, jetzt ist der Plattenvertrag sowieso weg», ging es mir durch den Kopf. Seitdem zappele ich so komisch auf der Bühne rum, wie ich es noch heute tue. Aus dem einfachen Grund, ich hatte keine Ahnung, was ich auf der Bühne machen sollte. Aus dieser Verlegenheit entwickelten sich meine komischen Moves, die bis heute geblieben sind. Es wäre mir so peinlich gewesen, da oben zu stehen und nichts zu tun, denn ohne meine Gitarre hätte ich mich echt nackt gefühlt. Damals fanden dies alle so cool, dass wir den Plattendeal nicht nur für Deutschland, sondern gleich weltweit bekamen. Für uns war dies das erste wichtige Konzert.

MF: Wie habt ihr die Setliste für dieses Konzert zusammengestellt?

BW: Das war der blanke Horror. Wochenlang diskutierten wir. Schlussendlich haben wir unsere Fans zusätzlich im Internet gefragt was sie hören wollten. Über all die Jahre haben wir immer wieder die Wünsche der Fans gesammelt und konnten uns so ein Bild davon machen, welche Tracks wir ganz sicher spielen mussten. Da Axxis auch viele verschiedene Phasen in der Karriere hatten und wir nicht beim klassischen Achtziger-Jahre-Rock stehen geblieben sind, wollten wir auch eine Zeitreise zurück zu unseren Wurzeln machen. So starteten wir mit den Liedern der neueren Scheiben wie «Utopia» und marschierten ganz langsam durch unsere Geschichte zurück bis wir dann schlussendlich bei «Tears Of The Trees» landeten. Ich persönlich habe «Helena» vermisst. Allerdings passt ein solcher Song vom Tempo her nicht zum anderen Material. Daraus hat sich dann eine Setliste ergeben, die einerseits den Wünschen der Fans entspricht, das was wir spielen wollen und was andererseits gut für die Dramaturgie des Konzertes ist. Zum ersten Mal bauten wir eine Pause in den Gig mit ein. Eine ganz neue Erfahrung, dass wir uns während der Show umziehen. Es war aus unserer Sicht auch ein verrücktes Konzert.

MF: Ist denn ein neues Album geplant?

BW: Absolut, doch bevor eine neue Studioscheibe erscheinen wird, kommt noch etwas Spezielles. Wir sind aus dem Training gekommen. Mein Arsch ist ganz schön breit geworden, weil ich die ganze Zeit nur auf diesem Scheiss-Sessel sitze, in den PC schaue, telefoniere und einen auf dicken Plattenfirmenboss mache (lautes Lachen). Da wir keine Zeit zum Songschreiben hatten packten wir ein paar Coversongs aus. Einfach, dass wir drin bleiben im Musikspielen. Auch, dass wir im Studio fit bleiben und nicht einrosten. 20 Covertracks nahmen wir auf, mehr schlecht als recht. Das ist so bescheuert geworden, dass wir daraus ein Experiment machten. Wenn wir schon keine neue CD auf den Markt bringen, dann wollen wir einmal schauen, was der Online-Vertrieb bringt. Unsere Download-Geschichten, die uns gehören, wie «Back To The Kingdom», «Eyes Of Darkness» und «The Collection Of Power» sind alles Platten, die uns komplett gehören. Die darf von keinem anderen, als uns selber vertrieben werden. Bei diesen Scheiben läuft der Download total gut. Speziell auch die Coverversion von «Na, Na, Kiss Him Goodbye», oder «The Four Horseman», aber auch «Heaven In Black» sind die absoluten Highlights. Die gehen ab, wie die berühmten Zäpfchen. Aus diesem Grund wollen wir checken, was passiert, wenn wir etwas nur im Download-Bereich anbieten. Sollten wir dann mal fertig werden mit diesen Coversongs, werden wir die so veröffentlichen. Das Geile an diesen Versionen ist, dass bei diesen Covers kein einziger Metal-Song dabei ist. Es musste was völlig anderes sein. Darum sind da Lieder von Kraftwerk drauf, völlig abgefahren! Völlig bescheuert! Axxis covern Kraftwerk!!! Boney M, oder Police und Phil Collins sind dabei. Wir interpretieren dies auf unsere Art und Weise und werden die Lieder vor der nächsten regulären Platte nur im Online-Bereich veröffentlichen. Für ein Label ist es auch wichtig zu wissen, was dieser Bereich für ein Potenzial hat.

MF: Vorher geht’s aber auf Tour und da werdet ihr nur Songs der ersten drei Alben spielen. Wie kam’s dazu?

BW: Je mehr Platten du zur Verfügung hast, desto schwieriger wird es eine Auswahl für die anstehende Tour zu finden. Wir versuchen immer ein gutes Spektrum von alten und neuen Tracks in die Setliste einzubinden. Dabei kannst du es aber keinem recht machen. Die Jungen im Ausland wie in Spanien, wollen nur Lieder von «Back To The Kingdom» aufwärts hören. Mit dem anderen Scheiss wollen die gar nichts zu tun haben. In Deutschland sieht dies komplett anders aus. Die sind mit den ersten drei Alben aufgewachsen und da auch hängen geblieben. Noch heute höre ich immer wieder, dass wir uns nicht weiterentwickelt hätten. Nach «Voodoo Vibes» denken die, haben wir uns aufgelöst. Das ist ganz komisch. Hören diese Fans dann die neueren Veröffentlichungen, wundern sie sich, dass wir einiges in unterschiedlichen Bereichen ausprobierten. Mit Frauengesang oder auch mit mehr Power Metal. Da möchten wir zukünftig auch wieder ein bisschen zurückgehen. Das haben wir lange genug gemacht, und unseren Spass dabei gehabt. Dies würde jetzt aber anfangen langweilig zu werden. Deshalb haben wir uns entschlossen, auch im Zuge der DVD-Veröffentlichung und dieser Anniversary-Geschichte, nur Songs der ersten drei Alben zu spielen. Das wird auch für uns eine interessante Erfahrung sein, zu sehen, wie das funktioniert. Alle sagen immer wie geil das damals mit «Young Souls» war. Aber «Utopia» hatte schon mehr Pfeffer im Arsch!

MF: Da bleibt die Sängerin zu Hause?

BW: Ja, die bleibt aber schon lange zu Hause. Seit zwei oder drei Jahren... Nach der Helloween-Tour haben wir diese Geschichte beendet. Danach hatten wir im Studio noch eine Sängerin, um ein paar Akzente zu setzen. Nach der «Doom Of Destiny», bei der wir Lakonia sehr stark gefeatured und dann von ihr den Tritt in den Arsch bekommen haben, sind wir von dieser Idee abgekommen. Das hat sich dann mit Anwälten klären müssen. Die Frau ist hammergeil, singt ebenso und ist ein tolles Mädchen. Wir boten ihr an, sich auf unserem Album zu präsentieren. In der Hoffnung, dass wir ihre Songs verkaufen konnten. Zusammen mit ihr haben wir Material geschrieben und bekamen von drei unterschiedlichen Plattenfirmen Angebote. Es wäre ja bescheuert gewesen, sie nicht auf dem Album singen zu lassen, wenn wir sie dann auf der «Hellish Rock»-Tour zusammen mit Helloween nicht singen lassen könnten. Damit sie europaweit und nicht nur in Deutschland bekannt wird. Daraufhin hatte ich meine ganzen Texte geändert. Da waren ja fast 50 % Gesang von Lakonia zu hören (lachend). Axxis wollten sie aufbauen. Am Tag des Masterings der Scheibe sagte sie uns, dass sie nicht mit Axxis auf Tour gehen wollte, nachdem wir für sie alles organisiert hatten, wie einen neuen Nightliner. Wir standen mit einem Album da und die wollte lieber eine Ausbildung machen. Ehrlich gesagt, fanden wir dies schon ein bisschen Scheisse. Aber da kannst du nix machen. Ich bin ihr da nicht böse. Das hat auch was mit Naivität und Unwissenheit zu tun. Vielleicht hat sie uns auch nicht mehr vertraut. Wer weiss das schon?

MF: Bernhard, ich danke dir für das wie immer informative und lustige Interview!

BW: Ich habe dir zu danken. Es war klasse, dass wir uns endlich wieder getroffen haben. Lass uns schön in Kontakt bleiben!