Interview: Arch Enemy
By El Muerte
Wenn heutzutage der Name «Arch Enemy» fällt, dann denkt der geneigte Metal-Fan primär zuerst mal an Frontfrau Angela Gossow, und im zweiten Anlauf dann auch an Klampfer und Rotschopf Michael Amott, der nebenbei Gründungsmitglied von Carcass war. Dementsprechend gross war die Überraschung meinerseits, als mir statt der beiden Medienwirksamen Mitglieder Bassist Sharlee D'Angelo für ein Interview zugeteilt wurde - Immerhin hätte Angela als weitgehend führende Vertreterin des femininen Geschlechts im Hartwurst-Sektor (Sic!), respektive Michael als Teil der für diesen Sommer anstehenden Carcass-Reunion zweifelsohne ordentlich Zündstoff geboten. Glücklicherweise stellte sich der 1m90 Hüne mit der Zahnlücke als überaus gemütlicher und zuvorkommender wie ebenso informativer Gentleman heraus, der zudem frisch geduscht zum Interview auftauchte - Und wer schon mal ein paar Tage in einem Tourtross verbracht hat, weiss, wie viel das wert sein kann…

Metal Factory: Wie geht's dir?

Sharlee d'Angelo: Sehr gut, sehr gut - Wie geht es dir?

MF: Gut, danke der Nachfrage! Wie lief die Tour bisher?

SA: Sehr gut… Es war eine lange Tour. Mit Machine Head sind wir seit Anfang September unterwegs, das ist der letzte Teil der ganzen Tour. Es bleiben etwa sechs Shows übrig, also ist es eigentlich… es geht langsam auf's Ende zu.

MF: Geht's danach in die Ferien?

SA: Nein, eigentlich nur ein paar Tage über Weihnachten. Es gibt immer was zu tun, und im Februar geht das Touren wieder los.

MF: Wie hast du's mit dem LineUp der Tour, wie stehst du dazu?

SA: Ich denke es ist gut, wirklich. Ich meine, ich denke… Wenn du jemandem's Grossmutter fragst, ist es alles derselbe Lärm, Haha. Aber für alle die im Metal drin stecken, ist es ein wirklich vielseitiges Paket, wo alle Bands ihre Persönlichkeit und ihren Stil haben, ich denke wirklich, dass das toll ist. Und das wiederum zieht Leute an, alle möglichen Fans, was bedeutet, das wir auch für eher unübliches Publikum spielen können, wie etwa DragonForce-Fans, was ansonsten eher selten der Fall sein würde… halt sonst mit Machine Head. Ich mag's variabel, einige Leute nicht - die wollen immer das gleiche.

MF: In Europa wurde oft kommentiert, dass ihr trotz eurer Geschichte so früh spielen müsst - Wie stehst du dazu?

SA: Das stört mich nicht wirklich. Ich meine, wir gehen das an, als… du weisst schon, wir gehen da rein, spielen für etwa 30, 35 Minuten, und das ist halt einfach ein kleiner Appetizer für wenn wir wieder kommen.

MF: Und wann wird das der Fall sein?

SA: Wir kommen im Frühling zurück.

MF: Nur für Festivals?

SA: Nein, es wird eine Headliner-Tour werden.

MF: Fett! Kommen wir kurz auf die neue Platte zu sprechen: Habt ihr euch vor den Aufnahmen irgendwelche Ziele gesetzt, die ihr erreichen wolltet?

SA: Ich denke, das Gleiche wie immer, weisst du - Das ultimative Metal-Album zu erschaffen. Versuchen können wir's ja (Lacht). Nach den Sternen greifen, und wenigstens die Baumkronen zu erwischen. Aber aehm… nein, das einzige, das wir… das einzige Ziel, dass wir uns gesetzt haben, war, ein Album zu machen, dass wir sofort kaufen würden, wenn wir es im Laden gehört hätten. Aber nebst dem denken wir eigentlich nicht «Ok, wir werden was besseres als letztes Mal abliefern, wir werden dieses und jenes tun,…», weisst du. Es wird halt, was auch immer dabei rauskommt, grundsätzlich. Und ich denke, dass das viel mit unseren aktuellen Einflüssen zu tun hat. Das Album klingt deswegen so wie es klingt, weil es auf Tour geschrieben wurde. Ich meine, wir hatten zwar einige Tage Auszeit, um Songs zu basteln, aber der grösste Teil… der älteste Teil auf dem Album wurde bereits nach dem Ende der Aufnahmen zur letzten Platte geschrieben. Und unterwegs haben wir dann viel… Old School Thrash, und so Zeugs gehört…

MF: …Was auch ziemlich offensichtlich ist…

SA: …Ja, auf jeden Fall. Ich denke, da kommt das her.

MF: Also habt ihr euch im Vorfeld nicht die Köpfe über's Songwriting oder den Sound zerbrochen?

SA: Mhm, nicht wirklich. Ich meine, das Einzige was wir getan haben, irgendwie Jam-mässig, war, dass wir einen anderen, neuen/alten Produzten gewählt haben. Das ist es eigentlich. Wir haben uns das letzte Wolf-Album angehört, das Frederik Nordström produziert hat, und es klingt wirklich gut. Also haben wir ihn angefragt, und das war's. Wir mögen seine Art, wie er Sachen angeht, es ist anders, als Andy Sneaps'. Sneap ist sehr präzise, sehr klar. Aber Frederik meint da eher «Nun, weisst du, wirf einfach alles in eine grosse Pfanne, und dann werfen wir das jemandem in die Fresse!»…Bam!!

MF: …Klingt auch wirklich danach!

SA: Ja, wie ein Stiefel im Gesicht.

MF: Michael wird als Produzent aufgeführt, Daniel nur als Co-Produzent - Wie kommt's?

SA: Eigentlich ist Michael derjenige, der die ganze Zeit da war. Er hat die Rolle übernommen… du weisst schon, jemand muss das Schiff führen. Aber Daniel hat einfach auf der technischen Seite viel ausgeholfen.

MF: Wie meinst du das?

SA: Einfach wie er mit der Platte gearbeitet hat, die Samples und all das Zeugs… Man könnte die ganze Band als Produzenten aufführen, aber es kommt eigentlich auf ein, zwei Leute zurück.

MF: Du wirst nie als Songwriter aufgeführt - Könntest du mir kurz erklären, auf was sich dein Job bei Arch Enemy beschränkt?

SA: Tatsächlich habe ich über die Jahre auch etwas Material beigetragen. Man muss nur gut hinschauen…

MF: Und beim aktuellen Material?

SA: Nun, es gibt Teile und Stücke, aber keine kompletten Songs oder so, nein. Aber das spielt keine Rolle. Momentan kümmere ich mich gerne um …Aehm… die Arrangements der Songs, ich sehe das etwas anders an, als die anderen Bandmitglieder. Wenn wir Songs zusammenbauen, bin ich dabei.

MF: Da die neue Platte über so gutes Material verfügt, und die Aufnahmen zu eurer Live-DVD auch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel haben… Gibt's da Pläne für eine neue Live-Aufnahme?

SA: Wir denken darüber nach. Ich meine, die letzte DVD ist ganz nett geworden, aber es gibt immernoch Sachen, die wir besser machen wollen. Es hat halt so lange gedauert, weil wir andauernd auf Tour waren. Wir hatten keine Zeit, all das Bonus-Material zu sortieren, wir haben davon immernoch Kisten und noch mehr Kisten mit Tapes von dem Zeugs. Aber am Ende mussten wir einfach jemanden anstellen, um das durchzugehen, und etwas zu finden, aber da gibt's immernoch jede Menge schräges Zeugs. Ich denke, nächstes Mal gibt's mehr… Wie die Equipment-Sektion: Es ist einfach klar geworden, dass viele unserer Fans selber Musiker sind, und wir tonnenweise Fragen darüber kriegen… Über die Website kriegen wir dauernd Mails, «Wie hast du dies gemacht?», «Wie habt ihr das gemacht?», das passiert andauernd - Deswegen haben wir diese Sektion eingebaut. Aber als wir das gefilmt haben, hatten wir nur für Michael und Daniel Zeit. Also werden wir nächstes Mal über alle berichten, noch mehr. Und natürlich noch mehr von Allem.

MF: Und wann wird das geschehen?

SA: Wir wissen es nicht. Es kommt drauf an, ob es eine gute Möglichkeit gibt, und wir sagen können «Das ist die Show, die wir filmen möchten» - Oder vielleicht filmen wir auch mehrere.

MF: Aber es ist nicht so, dass das die letzte DVD für die nächsten 10 Jahre war?

SA: Nein, nein. Wir machen eine weitere, weil… Ich liebe DVDs, for allem, wenn's da viele kleine Details drauf hat, Entertainment für Stunden. Ich meine, Live-Shows sind klasse, aber ich mag auch total die zweite DVD, da gibt's die Unterhaltung, da gibt's mehr, und das ist auf demselben Niveau wie das Hauptstück, die Show.

MF: Auf welcher Ebene denkst du, hat sich die Musik von Arch Enemy während der Jahre geändert?

SA: Ich denke, es… sie verändert sich ständig, entwickelt sich fort. Wenn du durch so viele Veränderungen durchgegangen bist… Momentan scheint es, als seien wir zu dem zurückgekommen, was wir am Anfang gemacht haben, gemischt mit allem, was wir in den letzten Jahren getrieben haben. Es verändert sich einfach konstant. Was raus kommt, kommt raus. Es kommt drauf an, was wir zu dem Zeitpunkt hören… Wenn du dir unsere Alben anhörst… Ich meine «Doomsday Machine» und «Anthems Of Rebellion» sind irgendwie einfach, musikalisch ein wenig einfacher. Wir haben bei «Doomsday» begonnen, mehr draufzupacken, aber es ist wie… Nicht monoton, aber es geht einfach geradeaus vorwärts. Nicht in einer negativen Art und Weise, aber es rollt wie ein Zug - Wogegen dieses Album eher startet, anhält, startet, und so weiter. Wir sind einfach zu dem zurückgekommen, was wir am Anfang getrieben haben, viele Tempi-Wechsel, und so Zeugs. Davon hat's wieder etwas mehr. Es hat nicht aufgehört, sich zu verändern. Ich meine, das nächste Album wird wiederum eine Reaktion darauf, wie dieses hier klingt.

MF: Ihr arbeitet auch schon eine Weile mit Cabin Fever Media, wie ist das zu Stande gekommen?

SA: Das ist, weil… aehm… Niklas (Sundin, Cabin Fever Media-Chef, und gleichzeitig Klampfer bei Dark Tranquillity) ist seit langer, langer Zeit ein Freund, und mit ihm kann man wunderbar einfach arbeiten. Vor allem zwischen ihm und Michael läuft's extrem einfach. Wenn du einfach nur eine Idee einwirfst, materialisiert er das so einfach, und vor allem macht er es besser, als du es dir je hättest vorstellen können. Man kann wirklich extrem einfach mit ihm arbeiten. Und er hat immer geniale Ideen, er hat einen guten Geschmack.

MF: Welches war das erste Album, auf dem ihr mit ihm zusammengearbeitet habt?

SA: Das war «Anthems».

MF: Aber «Doomsday» hat er nicht gemacht, oder?

SA: Nein, das hat er nicht gemacht. Der Grund dafür ist, dass er selber auf Tour war. Es hat einfach nicht gepasst. Deswegen haben wir Joachim Luetke verwendet, und es ist grossartig rausgekommen, aber einfach anders.

MF: Logischerweise sind Arch Enemy von der Carcass-Reunion persönlich betroffen, wie funktioniert das mit den Tour-Plänen?

SA: So weit kommen sich die beiden Bands nicht in die Quere, weil sie nur einige Festivals machen. Sie kommen uns also nicht in die Quere.

MF: Also werdet ihr einfach einige Tage Auszeit haben?

SA: Nein, nicht mal das. Wir werden gleichzeitig Touren. Es hängt von Michael ab, wie viel er aushält… (Lacht).

MF: Wie denkst du über die Carcass-Reunion?

SA: Es ist cool, weil ich sie damals nie gesehen habe, also wird das für mich die Gelegenheit sein. Ich werde versuchen, sie irgendwo zu erwischen. Ich habe nur alte Bootlegs und so Zeugs, also… ich denke, dass das wirklich cool ist.

MF: Wie steht's mit euren Projekten, tut sich das was? Etwa Spiritual Beggars?

SA: Momentan tut sich da nix, wirklich. Weisst du, der offensichtliche Grund ist, dass es einfach verdammt hart ist, alle Mitglieder zusammenzutrommeln - Weil wenn ich und Michael nicht auf Tour sind, dann sind Opeth (Hauptband von Keyboarder Per Wiberg) auf Tour, und Grand Magus (Hauptband von Sänger Janne Christoffersson) auch. Es ist wirklich schwierig, wir sind alle sehr beschäftigt. Ich würde verdammt gerne ein neues Album und eine Tour machen, aber ob überhaupt und wann, das kann ich nicht sagen.

MF: Wie schaut's mit dir persönlich aus, stehst du eher auf Touren, Schreiben, oder Aufnehmen?

SA: Alles davon. Ich meine, all das zusammen ist mein Leben, mit sehr wenig Auszeit. Etwas mehr davon wäre schön, aber nun ja…

MF: Hast du Familie?

SA: Nein, ich meine, nur Mutter, Vater, Bruder…

MF: Hab' ich mir beinahe gedacht. Die meisten Leute haben Eltern…

SA: …Ja, das ist so - Oder hatten zumindest irgendwann mal (Lacht). Nein, es ist… Wenn du solange unterwegs warst… Für das letzte Album waren wir von July 2005 bis März 2007 unterwegs… Du willst einfach nur weg von der Strasse, und etwas neues tun. Aber an irgend einem Punkt wird das zu harter Arbeit, das ist schon so. Aber du willst das wieder und wieder, weisst du? Dann bist du etwa anderthalb Jahre unterwegs, und beginnst wieder zu reklamieren. Wenn du etwas zu viel machst, wird es langweilig. Ich meine, die Konzerte sind nie langweilig, aber in etwa alles darum herum. Du endest an einem wirklich verregneten Tag in Zürich, und denkst einfach «Oh Man…».

MF: Ich vermute mal, dass ihr vor allem auf dieser Tour viel freie Zeit habt?

SA: Ja, das ist etwas extrem. Einfach weil wir ziemlich früh spielen, und dann auch nur für eine kurze Zeit. Aber für mich persönlich wiederum… Ich kenne alle auf dieser Tour. Es gibt also immer Leute, mit denen man rumhängen kann… Die reisende Irrenanstalt…

MF: Tatsächlich bin ich überrascht, wie ruhig es hier Backstage ist. Ich dachte mit all diesen Bands und dem Equipment und so…

SA: Das liegt daran, dass die Leute noch nicht aus den Federn sind. Ich denke, das ist es.

MF: Oh, darüber habe ich gar nicht nachgedacht…

SA: Nun, es kommt auch auf die Bands an, aber, du weisst schon.

MF: Also, letzte Frage: Möchtest du euern Schweizer-Fans noch was sagen?

SA: Dass… weisst du, einfach das übliche: Wir hoffen, bald wieder zurück zu sein, und… wir werden auch. Ich meine, dass letzte mal hier in der Schweiz (Dezember 2006 im Rohstofflager) war unglaublich, es war eine dieser Locations, die uns wirklich überrascht hat. Wir wussten nicht, dass wir so viele Fans haben. Also,… Nein, nein - wir hoffen wirklich, bald zurück zu sein!

MF: Ok, das wär's dann gewesen - Besten Dank!

SA: Danke.



Unser El Muerte (die bärtige Lady links) mit
Sharlee D'Angelo (die bärtige Lady rechts) >>>>>>>>>